Medizin-Marketing mit falschem Facebook-Profil

Medizin lebt von Vertrauen. Vertrauen in die Kompetenz der Ärzte, die Akribie der Aufsichts- und Zulassungsbehörden, die Korrektheit der wissenschaftlichen Evidenz. Wie die ins Pharma- und Gesundheitsmarketing schwappende Social Media-Welle, diesen Kredit unterspült - in Sachen Pharmarketing kann könnte man auch von dem Restvertrauen sprechen ... - zeigt ein aktuelles Facebook-Beispiel.

Sara Baker gibt vor ein Patient wie du und ich zu sein, aber dennoch ist es nur ein Fakeprofil bei Facebook.


Erschaffen von dem Unternehmen Medseek, das eHealth-Lösungen verkauft. Bis auf die Enthüllung in den persönlichen Angaben, deutet in ihrem Stream nichts darauf hin, dass es sich um ein Marketing-Geschöpf handelt. Sie kommuniziert mit den Facebook-Usern, wenn gleich ihre Status-Updates ein wenig automatisiert und hölzern wirken. Es wird eine catchy emotionale, sehr persönliche Story erzählt: Sara Baker ist schwanger und erwartet Zwillinge. Dank Medseek kann sie sich mehr um die Geburtsvorbereitungen kümmern.

Natürlich ist das unethisches Marketing, keine Frage. Nur sehen wir bei der Werbung und PR im Gesundheitsbereich täglich, dass ethische Grenzen verschieden definiert bzw. überschritten werden, und nicht einmal Gesetze oder Kodizes Unternehmen von irreführender Werbung und der Nichtbeachtung von gesetzlichen Einschränkungen bei der Heilmittelwerbung abhalten.

In diesem Fall wird offengelegt, dass es sich bei Sara Baker um eine Kampagne handelt. Wer die Begeisterung der Pharmaindustrie und der Pharmawerbeagenturen für "below-the-line"-Marketing kennt, wird sich sofort fragen, wieviele Patienten-Profile bei Facebook oder Twitter derzeit schon ohne Offenlegung im Dienste der Pharmakonzerne für Therapien und Produkte werben. Für below-the-line ist Social Media die ideale Plattform, da es darum geht unkonventionell und meist persönlich und direkt die Marketingbotschaften zu platzieren - zielgenau, konstengünstig, weitgehend konkurrenzlos - und für Sanktionen durch Gerichte und Branchen-Schiedsstellen kaum fassbar.

Man könnte einfach sagen, ein Medium wird erwachsen. Social Media ist, wie andere Medien auch, nicht gegen Manipulation immun. Wenn es um Gesundheitsthemen geht, birgt Social Media jedoch besondere Gefahren, da Informationen mit persönlichen Schicksalen verknüpft sind. Was das Heilmittelwerbegesetz zu verhindern versucht, wie etwa die Wiedergabe von Krankengeschichten, die Erzeugung von Ängsten, die Aufforderung zur Selbstdiagnose oder das Sammeln von Patientendaten, gehört bei Facebook zum Business-Modell.

Erfahrungen miteinander teilen, Patienten besser informieren, Verantwortung für die eigene Gesundheit stärken, Ärzte, Unternehmen und Patienten auf Augenhöhe kommunizieren lassen - das sind so die Träume der Social Media Berater für das Gesundheitswesen. Unterstützt wurde dies durch die Zurückhaltung der Unternehmen, die lange Zeit sich vor Aktivitäten in sozialen Netzwerken gefürchtet haben, aus rechtlichen wie auch kommunikativen Gründen.

Mittlerweile twittern Pharmaunternehmen, haben YouTube-Kanäle oder scharen "Fans" bei Facebook um sich. Der Traum ist aus. Die "Healthcare Social Media" Welt verwandelt sich zum Marktplatz der Industrieinteressen.
 
[Internet]
Autor: strappato   2010-04-27   Link   (9 KommentareIhr Kommentar  


strappato   2010-04-27  
Hier gibt es einen Buzzword-geschwängerten Einblick in die Zukunft des Pharmamarketings.
New structures of multidisciplinary partnership around patients will emerge that exploit digital opportunities to the max. New designs of integrated care around consumers and patients, from prevention up to telemedicine and home automation, will be implemented. It will change healthcare structurally. Partnerships between healthcare providers and stakeholders will continue for a long time. The sooner life sciences and pharma will accommodate their communication strategies, the sooner they become a self-evident partner to other stakeholders and prevent themselves from drifting into a commodity market.

Da könnte man fasst vergessen, dass es darum geht, Produkte zu verkaufen.


sfinxx   2010-04-28  
Falsch, strappato.

So geht das Verkaufen von "Produkten", wobei es hier ja nebenbei angemerkt nicht um irgendwelche Produkte, sondern um Arzneimittel geht.

Daß Sie meinen, die machen das falsch, ist unübersehbar. Nur: wen kümmert das? Die, die das so machen etwa?

Ist ja auch - mit Verlaub - eine Sauerei, wie da mit Leuten umgegangen wird. Wie wenig die "Gesundheitsbranche" die Gesundheit ihrer (End-)Kunden praktisch interessiert, das kann man hier im Blog an vielen Beispielen erfahren. Und das ist nur ein ganz kleiner, eher selektiver Ausschnitt. Facebook ist ein neuer Höhepunkt - keine Frage.

Aber ist es denn überhaupt das was Sie stört? Oder stört Sie, daß die sich beim Verkaufen wieder mal so dumm anstellen? Wieder mal einfach nicht auf strappato hören wollen?

Wenn das Ihr Anliegen sein sollte, das zu verbessern - was denken Sie denn: wie stehen die Chancen für einen Erfolg dieses Ihres Vorhabens?

Wissen Sie nicht selber - besser sogar als viele andere - daß Regividerm und Bankhofer - so wichtig sie für sich genommen sein mögen - Peanuts sind, im Vergleich zu dem, was da Tag für Tag in aller Welt abgeht in den Pharmafirmen - und was da alles noch so dran hängt? Winzigste Peanuts?

Es gibt doch Tausende Bankhofers und Regividerms. Und dabei waren die noch vergleichsweise harmlos.


strappato   2010-04-28  
Bleibt jedem selbst übelassen zu entscheiden, ob das Blog eine Sammlung von persönlichen Gedanken in journalistischer Form ist, oder eine verdeckte Veranstaltung der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie, um von den gefährlichen Geschäftspraktiken abzulenken.


derpet   2010-04-28  
Ich bin für Sammlung von persönlichen Gedanken


Sammlung persönlicher Gedanken zur Pharmaindustrie: 1
Ablenkung der Pharmaindustrie vom großen Übel: 0


sfinxx   2010-04-28  
Ich bin nicht so ganz sicher, ob ich diesen Vorwurf hier richtig verstehe. Hört sich jedenfalls so an, als sollte das ein solcher, an meine Adresse gerichteter sein.

Wollen Sie damit sagen, ich würde Ihnen unterstellen, hier eine "verdeckte Veranstaltung der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie" zu betreiben, "um von den gefährlichen Geschäftspraktiken abzulenken."? Klingt verschwörungstheoretisch.

Falls ja - wie kommen Sie drauf? Wie wär's zur Abwechslung mal mit dem ein oder anderen Argument, das das belegt? Und womöglich sogar - ich trau mich schon fast nicht es zu sagen: einer Begründung, wieso dieses Argument diese Aussage belegt? Einem ordentlichen sauberen wissenschaftlichen Disput?

Also ich habe das, was ich zu Ihren "persönlichen Gedanken" - gesagt habe, wenigstens eben damit begründet - mit dem was Sie gesagt haben. Oder auch mit dem Gegenstand, auf den Sie sich bezogen, über den Sie was mitgeteilt haben. Kann schon sein, daß das nicht immer richtig war. Ich gebe mir Mühe - aber ich bin nicht fehlerfrei. Wer könnte das schon von sich sagen?

Ich habe - anders als Sie - nicht einfach was aus der Luft gegriffen, nur weil die Richtung nicht paßt. Ganz ohne jegliches Argument. Wäre viel einfacher gewesen. Liegt mir nur nicht. Kommt auch meist ziemlich wenig raus dabei.

Sie dagegen wollen sich offensichtlich so eine Mühe nicht machen. Nicht nur mit mir, mit meinen Argumenten nicht - scheint mir.

Oh - da habe ich wohl was ganz Entscheidendes übersehen. Diese Unterstellung ist vermutlich gar keine. Sie ist bestimmt auch nur: ein persönlicher Gedanke.

Und persönlicher Gedanke - das heißt offenbar: ich will ja gar nichts gesagt haben über meinen Gegenstand? Jedenfalls nichts, was mit Argumenten zu belegen oder auch angreifbar wäre? Wissenschaftliches Argumentieren - schön und gut, aber was soll das mit "persönlichen Gedanken" zu tun haben?

Ist doch ein sehr praktisches Konstrukt - das mit den persönlichen Gedanken. Man kann jeden Blödsinn sagen, der einem gerade einfällt, ohne was gesagt haben zu wollen. Widerspruch? Geht nicht. "Ist doch nur mein Gedanke. Kann ich etwa nicht denken, was ich will?". Ende der Fahnenstange.

Und derpet - was macht der brave Bürger, wenn ihm jemand eine Alternative, ein "Entweder - Oder" vorsetzt? Richtig: er überlegt, für welche Seite er sich entscheiden soll. Und was macht er nicht? Überlegen, was für eine Alternative das eigentlich ist und wer ihm die warum wohl vorsetzt. Sich fragen, warum er sich eigentlich auf eine von diesen beiden Möglichkeiten beschränken soll, warum es nicht eine Dritte oder gar eine Vierte gibt? Oder eine ganz und gar andere? Oder warum man sich überhaupt entscheiden soll?

Fehlt nur noch daß jemand sagt: niemand zwingt Dich doch, diese Gedanken anzuhören oder zu lesen? Laß es doch einfach, wenn es Dir nicht paßt? Mach doch Deinen eigenen Blog und erzähl dort Dein Zeug?

Und so wieder mal klar macht, daß eine Meinung bestenfalls über die Person was aussagt, die sie vertritt, nicht aber über den Gegenstand, auf den sie sich bezieht. Sonst könnte man ja - richtig - streiten drüber, so wie es hier genauer ausgeführt wird.

Und da beschweren sich immer alle, daß dieses ein Land voller Drückeberger sei - nur sie selber sind natürlich allesamt keine. Und wenn ihnen wirklich mal einer über den Weg läuft, der alles andere als ein solcher ist, was machen sie dann? Sich an die eigene Nase fassen? Wenigstens das? Nein: ihn rausschmeissen - den Störenfried. Au weia!


derpet   2010-04-29  
Wieso unterstellt man mir, einem braven Bürger, das ich nur Lotterie spielen würde anstatt mich mit dem entweder und dem oder auseinander zu setzen? Dafür habe nun ich keine Begründung gesehen. Nur eine allgemeine Entmündigung.


sfinxx   2010-04-29  
Nun mal sachte, derpet.

Eine Entmündigung, eine allgemeine noch dazu (was auch immer du damit meinst) wie soll das denn - hier - gehen? Oder hältst du kritische Anmerkungen - ironisch vorgetragen - für eine Entmündigung?

Wie ich drauf gekommen bin, du hättest dich nicht mit den zwei Seiten der Alternative auseinandergesetzt, die hier aufgemacht wurde? Na ja - ich habe halt nichts davon mitgekriegt, daß du das getan hättest. Du hast darüber nichts gesagt. Das klingt für mich so, als hättest du diese beiden Seiten der Alternative als gegeben hingenommen.

Außerdem fehlt doch jegliche Erklärung dafür, warum dieses Blog "eine verdeckte Veranstaltung der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie" sein sollte, "um von den gefährlichen Geschäftspraktiken abzulenken". Das war ja die eine Seite der Alternative. Wer hat denn das wann wie warum behauptet? Dazu kein Wort von dir.

Wenn du das verstanden hast - ich wäre für eine Aufklärung dankbar. Mir leuchtet es nämlich nicht ein.

Und von Lotteriespielen war überhaupt nicht die Rede.


arboretum   2010-04-28  
Miese Kampagne und dann auch noch mit Tippfehler. Oder was soll ein heathcare consumer sein?


sfinxx   2010-04-28  
Wirkt doch authentischer so.








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