E-Mail mit Anmerkungen zu "Zeck Attack" an Novartis

Erst fand ich das Online-Spiel Zeck-Attack einfach nur albern, jedoch auch aufgrund der Kommentare zu dem Posting bin ich der Meinung, dass es darüber hinaus ärgerlich ist und dadurch irreführende Informationen verbreitet werden.

Daher habe ich der Leiterin Communications von Novartis Behring eine E-Mail geschickt, in der ich meinen Eindruck und die Bedenken formuliere. Gleichzeitig ging das Schreiben zur Information an Dr. med. Kurt Müller (Vorsitzender der Deutschen Borreliose Gesellschaft,), Hilda Bastian (Chefredakteurin der IQWiG-Website www.gesundheitsinformation.de) und Dr. Stefan Etgeton (Referent für Gesundheit Verbraucherzentrale Bundesverband).

Sehr geehrte Frau von Drigalski,

ich betreibe ein journalistisches Blog zum Thema Medizin und Gesundheit (gesundheit.blogger.de) und bin von einem Leser auf das Online-Spiel Zeck-Attack (http://www.zeckattack.com) aufmerksam gemacht worden, das Novartis Vaccines and Diagnostics GmbH als Anbieter verantwortet.

Gestatten Sie mir die persönliche Vorbemerkung, dass ich das Spiel ziemlich dämlich finde und die Qualität, die ein führendes forschendes Pharmaunternehmen bei der Kommunikation über Erkrankungen auszeichnen sollte, nicht im Mindesten erreicht. Davon abgesehen werden mit dem Spiel jedoch irreführende Informationen vermittelt.

Erregerprävalenz
Während im Spiel etwa 20-25% der Zecken FSME übertragen und durch eine warnende rote Färbung auffallen, sind es in der Realität nur 0%-3,4%, wenn man die vorliegenden Studien berücksichtigt. Dementsprechend wird in Deutschland das Risiko an FSME nach einem Zeckenstich in einem Hochrisikogebiet zu erkranken von Experten nur mit 1:600 bis
1:2000 angegeben; im Niedrigrisikogebiet noch mit 1:10.000.

Borrelioseproblematik
In der Pressemitteilung zum Start der Internetseite (http://www.novartis-vaccines.de/presse/pressrelease_Zeckenweitwurf_beim_Online-Spiel_Zeck-Attack.php) wird auf die Gefahr der Borreliose hingewiesen und für das Spiel ein hoher Anspruch formuliert:

"Das neue Computerspiel „Zeck Attack“ macht spielerisch auf die Risiken aufmerksam, die von Zecken ausgehen. "Zeck Attack" zeigt, worauf man achten sollte, wenn man sich im Freien vor Zecken schützen will. Denn die kleinen Blutsauger können bei einem Stich gefährliche Infektionen wie die Zeckenencephalitis (Frühsommer-Meningoencephalitis; FSME) oder Borreliose übertragen."

Jedoch wird im Spiel diese erheblich häufigere von Zecken übertragene Erkrankung nicht weiter thematisiert. Durch die Minuspunkte, die aus dem "Beschuss" der durch die FSME-Impfung geschützten Personen resultieren, wird suggeriert, dass die Impfung einen umfassenden Schutz gegen alle Erkrankungen bietet, die potentiell nach einem Zeckenbiss auftreten können. Das entspricht der Intention, die in der Pressemitteilung kommuniziert wird: "Manche Menschen sind aber gegen FSME geimpft, erkennbar an einer kleinen Spritze. Werden diese getroffen, können ihnen die Zecken nichts anhaben – Punktabzug für die Blutsauger." Dies ist umso unverständlicher, da die Prävalenz des Erregers in Zecken um das 10-fache höher als bei der FSME liegt und immerhin bis zu 1,4% der Personen nach einem Zeckenbiss Symptome einer Lyme-Borreliose entwickeln.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass das Angebot einen Widerspruch zwischen Trivialisierung durch die Art der Präsentation und Dramatisierung des FSME-Risikos erzeugt und damit das Ziel einer "spielerischen Aufklärung über Risiken, die von Zecken ausgehen" verfehlt. Darüberhinaus wird vermittelt, durch eine FSME-Impfung umfassend geschützt zu sein. Wenn das Spiel die Realität abbilden würde, müsste bei jedem 4. im Spiel als geimpft Dargestellten ein "Treffer" zu Sonderpunkten durch die potentielle Übertragung von Lyme-Borreliose führen.

Das angebotene Spiel steht nach meiner Ansicht den von Novartis Vaccines formulierten "Promotional Principles and Practices Policy (VP4)" entgegen, die zu den Grundsätzen für ethisches Geschäftsgebarens des Unternehmens zählen. Aus Kapitel 6.5.3 "Disease awareness programs":

"Any pre- and post-launch disease awareness programs targeted at potential patients must be accurate, balanced and written in appropriate language for the public. The purpose of such programs is to enhance public awareness of disease, to encourage members of the public to seek treatment for their symptoms and thereby save and/or improve the lives of potential patients while not promoting the use of any specific product."

Daher würde ich mir eine Anpassung bzw. Verbesserung des Online-Spiels wünschen, z.B. könnte durch entsprechende Informationen zu Beginn das Spiels darauf hingewiesen werden, dass lediglich spielerisch auf die Risiken der FSME aufmerksam gemacht wird und eine FSME-Impfung das generelle präventive Verhalten etwa durch entsprechende Kleidung, nicht ersetzen kann. Dazu gehört beispielsweise auch beim Wandern und Spielen möglichst nicht an Sträuchern und Büschen entlang streifen, denn anders als im Spiel gezeigt, springen Zecken den potentiellen Wirt nicht an.

Ich werde diese Anmerkungen im Blog veröffentlichen, eine Antwort von Ihnen selbstverständlich nur mit Ihrer Zustimmung.

Mit freundlichen Grüßen

strappato

---
Nachrichtlich an:
Dr. med. Kurt Müller (Vorsitzender der Deutschen Borreliose Gesellschaft)
Hilda Bastian (Chefredakteurin der IQWiG-Website www.gesundheitsinformation.de)
Dr. Stefan Etgeton (Referent für Gesundheit Verbraucherzentrale Bundesverband)

 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2010-07-31   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  


blogwesen   2010-08-02  
Bin dann mal gespannt, ob dir jemand von Novartis auf dieses Schreiben antwortet...Bewundere deine Mühe...

Das Spiel Zeck Attack so umzugestalten, dass es einen Hauch von Realismus bekäme, würde sich vermutlich schwierig gestalten...Das wäre ein echtes SLOW DOWN, wenn die Zecken nicht mehr Leute anspringen dürften...

Und die Borreliose einzubauen wäre auch verdammt lästig für den Pharmakonzern, obwohl man natürlich ein bißchen Abwechslung rein bringen könnte und neben den Zecken, dann auch noch schnell ein Antibiotika verabreichen könnte...
Bei Verpassen der Antibiotikagabe könnte man dann natürlich gleich noch die Leute abtransportieren und in ein Krankenhaus einliefern lassen...(Aber das interessiert ja nicht, man will ja für den hauseigenen IMPFSTOFF werben)

Nee, ich bin generell nicht FÜR die Vermarktung von PC Games als informativ oder lehrreich. Da gibt es einfach zu viele Variablen...


rafstadan   2010-08-06  
Zeck Attack
Sorry ich finde das Aufheben etwas übertrieben.

Habe gestern das Spiel mit meinen Kindern gespielt. Es macht Riesenspaß und die Kinder lieben es! Verstehe nicht ganz den Hinweis wegen der medizinischen Relevanz. Das Spiel ist doch Fun und so wie Moorhuhn damals. Und… ich kann mit dem Spiel super das Zeckenrisiko erklären und warum ich sie immer „absuche“ wenn sie draussen waren (Die Kids hassen es) und warum wir sie dieses Jahr zur Impfung gegangen sind. Also „Zeck Attack“ weiterempfehlen, macht Laune!








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