Pharmakugelschreiber-Test (III)


Diesmal im Test: Gardasil® von Sanofi Pasteur MSD (in den USA Merck & Co.). Ein unschuldiger bunter Stift, dem man nicht ansieht, dass beim Marketing für das Produkt auch vor Astroturfing nicht halt gemacht wird. Obwohl man hier wieder einmal von Austroturfing sprechen kann.

Gardasil® ist ein Impfstoff gegen Humane Papillomviren (HPV). Einige Virustypen wurden als Auslöser für Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) identifiziert. Der Impfstoff hat internationales Aufsehen erregt, weil zum ersten Mal eine Impfung gegen Krebs möglich ist. Die Kosten des Impfstoffes betragen 159,06 Euro (Deutschland) bzw. 208 Euro (Österreich) für die Einzeldosis. Bei drei "shots" und dem Arzthonorar sind dies über 500 Euro (Deutschland) oder gar über 600 Euro (Österreich) für die Impfung. Da der Impfstoff nicht gegen alle Genotypen schützt, ist weiterhin die normale Früherkennung mit Abstrich notwendig. Eine Impfung ist auch kein Freibrief zum ungeschützten Poppen, da das Risiko für andere sexuell übertragbare Erkrankungen weiterhin bleibt. Fazit: Teuer, grundsätzlich positiv, aber keine Panazee. Spätestens Ende des Jahres droht Sanofi Pasteur MSD Konkurrenz durch einen Impfstoff von GlaxoSmith Kline (GSK). Was sicher auf den Preis drücken wird. Kein Wunder, dass beim Marketing und beim Lobbying für die Erstattung durch die Krankenkassen schwere Geschütze aufgefahren werden, solange Monopolgewinne einzufahren sind..

Schon früher war Astroturfing eine Methode um die Öffentlichkeit für das Thema Gebärmutterhalskrebs und Früherkennung zu gewinnen. In dem Artikel hatte ich im Februar noch über eine mögliche Organisation "European Women for HPV Vaccination" fantasiert. 6 Wochen später war es Wirklichkeit geworden: Eine Koalition gegen das Zervixkarzinom" (Coalition Against Cervical Cancer, CACC) kämpft für die Bezahlung der Impfung durch die Krankenkassen und Regierungen.

In Österreich präsentiert sich die Koalition unter http://www.gebaermutterhalskrebs.or.at. Die Schauspielerin Katharina Stemberger wird als Initiatorin und Vorsitzende der Österreichischen Initiative genannt. Die Unesco ist Schirmherrin. Es gibt Informationen, eine Unterschriftenliste für die kostenlose Impfung und eine Expertenhotline. Im Impressum wird die Werbeagentur "eXakt PR" angegeben, der auch die domain gehört. An sich kein Problem, Frau Stemberger kann das auch auch nicht alleine machen.

Nur: Wer bezahlt die PR Agentur? Beim näheren Hinsehen erscheint die Koaliton eine gezielte Marketinginitiative von Sanofi Aventis MSD, aber gut versteckt. Das Unternehmen gibt eine Pressemitteilung zur Gründung heraus. In dieser Pressemittelung, die auch auf den Internetseiten der Österreichischen Koalition zu finden ist, werden interne Daten von Merck zitiert (Endnote 7). Der Vater von Katharina Stemberger, Heinrich Stemberger, Ärztlicher Leiter des Instituts für Reise- und Tropenmedizin ist auch in der Initiative aktiv und reist als Referent für Sanofi Pasteur MSD in Sachen Rota Virus (ein weiterer neuer Impfstoff des Unternehmens) und HPV durch die österreichische Provinz.

In der Medical Tribune wir klar als Hauptziel die Kostenübernahme genannt - was sich mit dem Ziel des Unternehmens deckt. Interessant ist, das in dem Artikel die "Number Needed to Vaccinate" (NNV) positiv herausgehoben wird. Um ein Zervixkarzinom zu verhindern, müssen 276 Frauen geimpft werden. Eine NNV von 276 ist ein eher erbärmlicher Wert.

Zurück zum Kugelschreiber. Das Farbenfrohe spricht die Zielgruppe des Impfstoffs, Teenager und junge Mädchen an. Der Stift selber - Mechanik, Miene - ist eher billig. Im Gegensatz zu dem Produkt, das die teuerste Impfung ist, die jemals angeboten wurde.
 
[HPV]
Autor: strappato   2007-05-12   Link   (8 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2007-05-12  
Ich hatte mir die Lady mal näher angeschaut, die die jüngst durch die Medien gelaufene HPV-Rachenkrebs-Oralsex-Studie geleitet hat. Sie gibt nicht nur an, keine Interessenkonflikte zu haben, nein, sie scheint bislang tatsächlich keine Verbindung zu Merck & Co. zu haben. Wirklich mal eine positive Überraschung.


strappato   2007-05-12  
Dazu hat SPON ausnahmsweise einen interessanten Artikel.

Hast du auch mal die Verbindung der Autorin zu GSK gecheckt?


hockeystick   2007-05-13  
Sie macht generell einen ungewöhnlich sauberen Eindruck, ist aber auch noch nicht sehr lange im Geschäft.

Das Marketingpotential der Studie ist m.E. noch lange nicht ausgeschöpft. Ich denke an einen Button: Mach dich locker, Mädel, ich bin HPV-geimpft!

Aktuell herrscht übrigens Panik in Süddeutschland. Der "Zeckenimpfstoff" ist wegen der enormen Nachfrage nicht mehr lieferbar. Der Vorsitzende des hiesigen Hausärzteverbands beruhigt jedoch: Solange man sich im Stadtgebiet aufhält, muss man sich keine Sorgen machen.

Die Honorierung von Impfungen erfolgt außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung, ist also eine Möglichkeit für Hausärzte, ihr karges Einkommen zu erhöhen.


strappato   2007-05-12  
Nachtrag: Zur Effektivität der Impfung fasst das Ärzteblatt die Ergebnisse zusammen. Fazit: Eher entäuschend.

Der Tagesspiegel macht daraus einen Erfolgskommentar. Es ist anzunehmen, dass in Berlin mehr Gynäkologen und Hausärzte den Tagesspiegel lesen als das Ärzteblatt online.


luto   2007-05-13  
Die Pharmaindustrie leistet eben gute Lobbyarbeit
Tja, was Gardasil angeht, sehe ich das ganz ähnlich wie ihr. Ich war gerade vor kurzem auf einer Weiterbildung und da hieß es eben auch "Schützt nur gegen HPV C". Und das sind -wenn ich mich richtig erinnere- gerade mal 40% oder sowas. Aber alle Welt panikt jetzt erst mal rum, damit sie die Impfung bezahlt bekommen.

Um es richtig zu machen müssten außerdem ja auch die Jungs geimpft werden und dazu meinte dann der Dozent in der Weiterbildung "Das hat die STIKO nicht empfohlen, weil das ja die Kosten verdoppeln würde". Öha, dann können wir es ja gleich sein lassen...

Was den Kuli angeht: da gab es ja wohl schon besseres! Selbst meine Bank bietet da mehr :-)


kelef   2007-05-13  
na ja
nachdem themen wie aids, vogelgrippe und ebola derzeit nichts mehr hergeben, die rauchverbote in lokalen quasi amtlich sind und die presse mit der komatrinkerei auch bald durch ist, da jeder weiss dass alle zu dick sind bis auf die die zu dünn sind, da beschäftigt man sich eben derzeit mit papillomaviren. seid doch nicht immer so ungerecht, die schreiberlinge können sich keine geschichten aus den fingern saugen, und marketing hat keine bildungsfunktion, nicht wahr. die müssen alle nehmen was da ist.
bin schon neugierig auf den nächsten "info-schub". jemand ein thema parat? vielleicht könnten wir einen neuen hype kreieren, das wäre doch mal was. z.b.: was ist eigentlich mit der schädigenden wirkung des klebers für künstliche fingernägel? welche schranken passiert der im körper, und was enthält er genau (obwohl, das ist vielleicht nicht so wichtig). aber die schädigende wirkung auf die aufnahme von bestimmten vitaminen? wechselwirkungen mit anti-aging-produkten?

schlimm ist ja, dass die patienten auf diese weise unendlich verunsichert werden und überhaupt nicht mehr wissen was sie tun sollen. und dann grasen sie entweder halbe apotheken leer und lassen sich gegen alles impfen wogegen man nur geimpft werden kann, oder sie lehnen die schulmedizin gänzlich ab.


hockeystick   2007-05-13  
Meine Haare trockne ich ja auch nur noch an der Luft.


siyani   2007-05-14  
hätte was positives zum hypen für kraft, lindt & co
Der regelmäßige Genuss von Kakao könnte das Sterberisiko halbieren und den Blutdruck senken. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM) http://www.rivm.nl gekommen, an der ältere Männer teilnahmen. Laut dem leitenden Wissenschafter Brian Buijsse starben jene Männer, die am wenigsten Kakao zu sich genommen hatten zwei Mal so wahrscheinlich an einem Herzanfall als jene, die am meisten Kakao zu sich genommen hatten. Dabei handelte es sich um mindestens 4 Gramm täglich. Das Risiko blieb ebenfalls geringer als andere Faktoren wie Rauchen, körperliche Bewegung und Gewicht berücksichtigt wurden. "Jene Männer, die am meisten Kakao zu sich nahmen, waren allgemein dem geringsten Sterberisiko ausgesetzt. Die Ergebnisse der Studie wurden in den Archives of Internal Medicine http://archinte.ama-assn.org veröffentlicht.








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