Novartis: Pfiat di Österreich, Ni hao (你 好) China

Pünktlich zum Fest der Liebe hatte vor Weihnachten der Pharmakonzern Novartis angekündigt, das in Wien-Liesing beheimatete Novartis Institute for Biomedical Research (NIBR) im Zuge des kürzlich vorgestellten internationalen Sparprogramms zu schliessen. Für die betroffenen 250 Mitarbeiter war das Weihnachtsfest gelaufen und es ist nur ein schwacher Trost, dass allein im Hauptsitz in Basel 500 Angestellte sich einen neuen Job suchen müssen, von 2500 Novartis 'Forward'-Opfern weltweit.

Novartis hat den Mitarbeitern im Bereich Autoimmunerkrankungen, das von Wien abgezogen und in Basel neu aufgebaut wird, grosszügig einen Arbeitsplatz in anderen Standorten versprochen, obwohl klar ist, dass "nur eine Handvoll Schlüssel-Leute", so Betriebrat Arno Pruckner, "ein derartiges Angebot bekommen werden". Auch das angekündigte neue Forschungslabor für die zweite Wiener Arbeitsgruppe, die Dermatologie, werde nicht vielen Leuten eine Alternative bieten: Laut Pruckner würden nicht mehr als 15 bis 20 Forscher dorthin übersiedeln können.

Auch nicht sehr aufmunternd für die verbleibenden Mitarbeiter: Die Nachricht sei knochentrocken übermittelt worden - (per Video) - manche Zuhörer wollen sich sogar daran erinnern, dass die Schlussworte Fishmans „That's it“ gelautet haben. Anders als im Jahr 1988, als das damalige Sandoz-Forschungszentrum auf 200 Mitarbeitern halbiert wurde, habe sich kein Spitzen-Manager nach Wien bemüht.

Ein harter Schlag für die Life Science Region Vienna. Bei rund 1650 Biotech-Forscher in Österreich hinterlassen der Wegfall von 200 Arbeitsplätzen und die Resourcen eines Pharmakonzerns eine schmerzhafte Lücke.

Es stellt sich die Frage, wie es mit der Pharmaforschung ingesamt in Europa aussieht. Zwar werden allerorten Biotech-Cluster gehegt und mit Steuergeldern gepflegt, jedoch überzeugen die Produkte, die aus diesen Biotech-Buden kommen, bisher nicht. Das hat auch die Europäische Kommission gesehen und versucht mit 2 Milliarden Euro in einem Public-Private Partnership mit der Pharmaindustrie, die biomedizinische Forschung wettbewerbsfähig zu machen. In Deutschland soll die Pharma-Initiative mit 800 Millionen Euro Fördermitteln bis 2011 das Land wieder zur "Apotheke der Welt" werden lassen.

Solche Beschwörungen offenbaren eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber der Realität. Wie die aussieht, zeigte ein Artikel des Nachrichtendienstes Bloomberg letzte Woche. WuXi Pharmatech Inc., ein Forschungsunternehmen aus Shanghai, wird in diesem Jahr mehr Chemiker beschäftigen als Pfizer. Die Pharmakonzerne verlagern ihre Forschung nach China und zu Contract Research Organizations (CRO) wie WuXi. In China kostet die Forschung 60% weniger als in den USA. Eine Studie, bei der die Toxizität eines neuen Wirkstoffs an Affen untersucht wird, ist dort für $20.000 zu haben, ein Zehntel der Aufwendungen in den USA. Auch die Zulassungsstudien sind leichter durchzuführen. Patienten für klinische Versuche zu rekrutieren ist vergleichsweise einfach, da kostenlose medizinische Versorgung als Anreiz schon genügt.

Wo die nächste "Apotheke der Welt" steht, scheint klar. In China, wo Novartis für $100 Millionen ein Forschungszentrum in Shanghai für 400 Mitarbeiter aufbaut.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2008-01-02   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  


strappato   2008-01-02  
Es gibt auch überraschenden Widerstand:

Die Gewerkschaft der Privatangestellten Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP) macht mobil gegen die Schliessung des Novartis-Forschungslabors in Wien. Die Gewerkschafter rufen mit einer Unterschriftenaktion zur Solidarität mit den 250 Mitarbeitern des Labors auf.








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