Champix®-Marketing (II)

An den Österreichern schätze ich diese Offenheit und Lässigkeit. Ganz unverkrampft läuft in unserem Nachbarland auch das Marketing für die Rauchentwöhnungspille Champix®. Smoking statt Smoking ist das Motto der Kampagne, die das bekannte österreichische Rezept für ein Pharmawerbungstraumteam vereint.

Man nehme:
  • 1 PR-Agentur (Public Health PR)
  • 1 Pharmafirma (Pfizer)
  • 1-2 für Sponsoring immer zu habende Institute (Österreichischen Nikotininstitut & Gesellschaft für Integrative Ganzheitsmedizin)
  • 1 Wissenschaftliche Fachgesellschaft (Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie)
  • 1 Prise ministerielle Unterstützung (Grussbotschaft der Gesundheitsministerin Kdolsky)
  • Prof. Michael Kunze

Bild: fotodienst/Nadine Bargad

Heraus kommt die Erkenntnis, dass man Raucher über den Geldbeutel motiviert - Rauchstopp bringt Geld, Genuss und Sinnlichkeit. Eine These, die Suchtforscher den Kopf schütteln lässt.
Anstatt mit Angstbotschaften zu arbeiten, die bei Rauchern ungehört verhallen, wird direkt der persönliche Nutzen, den der Rauchstopp bringt, dargestellt: Wer mit dem Smoking aufhört, kann sich sehr schnell einen Smoking kaufen.

Es geht nicht um Rauchentwöhnung, sondern um Marketing für Champix®. Die Kampagnenseite im Internet dient lediglich als Feigenblatt, das bei sachtem Klick mit der Umleitung zu Pfizer die Blösse nicht ernsthaft verdecken will.

Zum Marketing gehört Aufmerksamkeit. So tourt ein weisser Rolls-Royce durch die Einkaufszentren und es ist sichergestellt, dass auch die Regionalmedien über die Aktion berichten.

Die Besucher bekommen ein Faltblatt in die Hände gedrückt (nosmoking (pdf, 686 KB)), in dem sie darüber informiert werden, dass sie nach 40 Jahren als Nichtraucher sich eine kleine Eigentumswohnung in Wien leisten können. 54.000 Euro? Eine Wohnklo in Ottakring?

Nicht unerwartet wird Vareniclin (Champix®) besonders positiv hervorgehoben.
Der Einsatz von Nikotinersatzpräparaten ist weit verbreitet, ein neuer Ansatz und eine gute Unterstützung bei der Raucherentwöhnungstherapie stellt auch der verschreibungspflichtige Wirkstoff Vareniclin dar. (Kunze)

Fast alle Raucher berichten bei ordnungsgemäßer Einnahme zumindest von einer starken Reduktion des Rauchverlangens. Die Verträglichkeit des neuen Medikaments ist ausgezeichnet. (Gromann)

Was die Ärztin im Inneren der "Luxuslimousine" empfiehlt, überlassen wir mal der Phantasie und dem Arztgeheimnis.



Zu dem Luxus-Ambiente passen keine Informationen über das Risiko von depressiver Verstimmung, Aggressivität und andere Verhaltensauffälligkeiten bis zu Suizidgedanken in Verbindung mit Champix®, die die europäische Arzneimittelbehörde EMEA zu einer Verschärfung der Warnhinweise veranlasst haben.

Aus den Kommentaren zur Meldung beim ORF:
Alle Nichtraucher die ich kenne fahren bereits eine Stretch-Limousine, manche fliegen sogar mit dem eigenen Heli in die Arbeit. Ich persönlich spare am meisten weil ich mir keine Stretch kaufe.

...

100% agree!
Hab mir gerade meinen 2. Eurofighter bestellt, der 1. fällt a bissl auseinander :-) mist, wohin mit der kohle, die ich jetzt bunkere.... vielleicht sollt ich wieder rauchen!
:-)

...

Ich werde wohl auch vom Nikotin lassen und mir stattdessen eine riesige Villa im Wienerwald kaufen. Haben doch alle Nichtraucher schon, oder? Wo sie sich doch sooooo viel erspart haben....

 
[Champix]
Autor: strappato   2008-01-29   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2008-01-30  
Es ist nicht so lange her, da ließ sich Prof. Kunze noch für innovative Zigaretten von R.J. Reynolds begeistern, wenn man entsprechenden internen Dokumenten Glauben schenkt:
He asked Lutz Mueller and Hubert Klus what he could do to insure the success of this cigarette in Austria. Apparently, he is very willing to stand up and be counted for this cigarette.

Ich sehe noch Potential für einen Einsatz in weiteren Problembranchen: 185.000 Wiener kriegen jeden Winter einen Schnupfen, weil sie keinen echten Pelzmantel tragen.


mager   2008-02-02  
FDA-Warnung für Champix
http://www.fda.gov/medwatch/safety/2008/safety08.htm#Varenicline


strappato   2008-03-03  
Sieht so aus als ginge der Marketing-Ansatz an der Realität ziemlich vorbei:
Smokers' brains compute, but ignore, a fictive error signal in a sequential investment task.

Raucher denken anders als Nichtraucher: Sie können die Konsequenzen alternativer Handlungen nicht einschätzen und lassen sie daher in ihren Entscheidungen unberücksichtigt.
Focus.








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