Pharmalobby bestimmt Gesundheitspolitik in Österreich Vor ein paar Tagen hat ein "Patientenbericht" in Österreich auf die Lage von Patienten mit Depressionen und Angststörungen aufmerksam gemacht. Danach leben die Patienten eher schlecht mit ihrem Krankheitszustand. Laut dem Bericht dauert es meist sehr lange, bis die Betroffenen einen Arzt/ eine Ärztin aufsuchen - nur ein Drittel wird im Laufe des ersten Erkrankungsjahres behandelt. Der Patientenbericht ist einer aus einer Reihe weiterer Befragungen, für die sich eine eindrucksvolle Liste von Kooperationspartner zusammengefunden haben. Darunter das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Österreichische Ärztekammer, Apothekerkammer, Wiener Gebietskrankenkasse, Fachgesellschaften und Patientenverbände. Bei soviel Sachverstand verwundert es nicht, wenn der aktuelle Patientenbericht nun Grundlage für die Gesundheitspolitik sein soll. Die eindruckvollen Logos der Institutionen, die den Bericht "realisiert" haben - so die Wortwahl - verstellen den Blick auf den Auftraggeber der Studie: Das Pharmaunternehmen Lundbeck, das seine Aktivitäten auf Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) konzentriert hat. Der Auftraggeber wird in keinem Bericht der Medien in Österreich genannt. Nachvollziehbar ist nun auch die Kritik des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, der es bedauert, dass die Psychotherapeuten bei der Erstellung der Studie nicht miteinbezogen waren und auf die "ausschliesslich ärztelastigen Fragestellungen" hinweist. Eine von der Pharmaindustrie finanzierte Studie soll Grundlage der Gesundheitspolitik in Österreich werden. Da fällt einem das Sprichwort "nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber" ein. Die Methode, die dahintersteckt ist schon hier im Blog erwähnt worden. Für die anderen Patientenberichte fanden sich auch Auftraggeber aus der Pharmaindustrie: Ratiopharm und CSC Pharmaceuticals (Schmerz), Merck Sharp & Dohme (Diabetes), AstraZeneca (Asthma), Merck-Serono (Multiple Sklerose), Schwarz Pharma (Morbus Parkinson) und Pfizer (Altersbedingte Makuladegeneration). Laufende Projekte sind Morbus Crohn (Sponsor UCB Pharma) und Rheumatoide Arthritis (Sponsor Wyeth). Die Ergebnisse gleichen sich. Immer geht es um Unzufriedenheit mit der Behandlung und den nicht erfüllten Informationsbedarf der Patienten. Verantwortlich zeichnet sich das Beratungsunternehmen Peri Consulting, ein Ableger des Pharmamarketing-Konglomerats von Robert Riedl ("Welldone"). Da geht es um Lobbying. Wie aus dem Lehrbuch, wenn beispielsweise Persönlichkeiten aus der Gesundheitsbranche, darunter Ärzte und Vertreter der Pharmaindustrie, zu einem Dinner in der Privatwohnung der Hauptverbands-Vizedirektorin eingeladen werden. Oder der Bundesgesundheitsminister in der "Welldone-Lounge" das österreichische Gesundheitssystem in den Himmel loben darf. Das gibt es nur in Österreich. Sozialversicherung und Ministerium beteiligen sich an der PR-Munition, damit die Pharmaindustrie gegenüber ihnen die Notwendigkeit von Mehrausgaben begründen kann. Mit Erfolg. Während sich in Deutschland die Pharmaindustrie mit Nutzenbewertungen und Kosten-Nutzen-Analysen herumschlägt, mit Aut idem, Rabattverträgen, Festbeträgen und Budgets, verkündet der österreichische Gesundheitsminister: Sie [die Ärzte] müssen aber auch die Möglichkeit haben, selbst wenn das Medikament teuer ist, dieses verschreiben zu dürfen. Das geeignete Medikament ist immer das günstigste - auch wirtschaftlich gesehen. [Oesterreich]
ebenholz 2009-05-01 ob die vereinbarten rabatte z.b. für hepB medikamente nicht an anderer stelle mit einem überteuerten präparat mit höherer verschreibung z.b. hypertonie/diabetes kompensiert werden, prüft keiner mehr nach. kein pharma-unternehmen schließt einen rabattvertrag, wenn absehbar ist, daß man damit auf lange sicht sinkende umsätze riskiert.
Nur kein falscher Fatalismus. Die Massnahmen zur Kontrolle der Arzneimittelkosten wirken. Das Problem der teilweise horrenden Preise für neue Medikamente soll durch eine Kosten-Nutzen-Bewertung mit Effizienzgrenzen angegangen werden. Das IQWiG gibt dann auf Basis der Effizienzgrenze eine Empfehlung ab, welcher Preis für ein Arzneimittel angemessen ist.
Rabattverträge sind Exklusiv-Vereinbarungen. Die Apotheker dürfen an die Versicherten nur die Medikamente abgeben, für die eien Rabattvertrag mit der jeweiligen Krankenkasse besteht und keine Konkurrenzpräparate. Die Generika-Unternehmen sorgen sich nicht über sinkende Umsätze, sondern darum, überhaupt Umsätze zu machen. Ich denke, ich habe ein profundes Wissen und lange Erfahrung in der Medizin und Gesundheitspolitik, nicht nur in Deutschland. Ich kann es mir hierzulande nicht vorstellen, dass die Gesundheitsministerin und die AOK sich Versorgungsstudien von der Pharmaindustrie bezahlen lassen, die darüber hinaus von einer Pharma-PR-Agentur durchgeführt werden. Und dann sogar erklären, dass dies Grundlage der Gesundheitspolitik sein soll. Ein Punkt noch, weil es zum Lobbyismus passt: Korruption und Betrug im Gesundheitswesen wird in Deutschland von Staatsanwaltschaften und Krankenkassen verfolgt. Könnte sicher noch besser sein. Dagegen gibt es in österreichischen Gesundheitssystem keine Korruption, glaubt man den Verantwortlichen. So hat die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarates Ende Dezember 2008 ihren Bericht der gemeinsamen ersten und zweiten Evaluierungsrunde über Österreich veröffentlicht. Danach steht Österreich bei der Bekämpfung der Korruption und Schaffung von Transparenz noch am Anfang - was sehr wohlwollend ausgedrückt ist. ebenholz 2009-05-02 ich bin ihm rahmen dessen über vielfältigste verbindung zwischen pharma-industrie, krankenkassen, und dem offiziellen gesundheitswesen gestoßen. da werden ganze versorgungsstudien z.b. von pfizer zusammen mit der AOK durchgeführt, und am ende ist sogar die politik begeistert. so z.b. bei dem projekt IDA, das speziell demenz und alzheimer betrifft. die fälle, die in deutschland von staatsanwaltschaft verhandelt werden, sind gemessen am gesamten umsatzvolumen im gesundheitswesen, eher sogenannte peanuts. wie das in österreich aussieht, kann ich nicht beurteilen, dazu fehlen mir einfach die kenntnisse. >> Kommentieren |
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