Kopfschmerzen Atama ga itai. Auf Deutsch: Mein Kopf schmerzt. David Reeves, Europachef der Computer- und Entertainmentsparte von Sony erklärt in der Wirtschaftwoche, was seine Bosse in Tokio zu der Vielzahl von unterschiedlichen staatlichen Regulierungen in Europa sagen. [Quotes]
strappato 2006-05-31 Dieses Zitat fand ich sehr treffend. Denn den Eindruck machen unsere Kunden auch, wenn wir ihnen erklären, wie die Voraussetzungen für die Erstattung von Medikamenten und Medizinprodukten in Europa aussehen. Dabei ist das noch um einiges komplexer als die unterschiedlichen Regeln für die Altersfreigabe von Spielen und Filmen, mit denen der Entertainment-Manager kämpft. Das führt dazu, dass Patienten in kleineren Ländern - wie Belgien, Portugal, Griechenland - erst sehr viel später oder manchmal gar nicht von neuen Medikamenten, Therapien oder Heil- und Hilfsmitteln profitieren, weil der Hersteller zuerst seine Kräfte auf die umsatzstarken Märkte konzentriert. Insofern ist Deutschland als drittgrösster Markt für Arzneimittel und Medizinprodukte immer noch die Apotheke der Welt. An Deutschland kommt kein Hersteller vorbei. Auf der anderen Seite: Das ist unser Job. Wenn es einfacher wäre, müsste ich mir was anderes suchen. Und auch David Reeves nimmt das im Interview ganz locker. Denn sonst bräuchte auch Sony ihn nicht und würde das von Tokio aus machen.
Das Wort "profitieren" im Zusammenhang mit der schnellen Einführung von neuen Medikamenten würde ich nicht uneingeschränkt verwenden.
Contergan, Lipobay und Vioxx würden hier zunächst als Beispiele genügen. Aber ganz unabhängig von diesem Aspekt, mal ganz ernsthaft gefragt: Kennen Sie tatsächlich ein innovatives Medikament, das in den letzten 20 Jahren entwickelt wurde, von dem jemand wirklich spürbar profitiert (ich meine gesundheitlich)? Medikamente gegen AIDS, zugestanden, die Krankheit ist ja ebenfalls recht neu. Ich wäre für weitere Beispiele dankbar.
Bei Medikamenten gegen Krebs gibt es einige Beispiele. Monoklonare Antikörper haben sich bei chronischen Erkrankungen wie MS, Morbus Crohn, Autoimmunerkrankungen als letzte Hoffnung erwiesen, usw. Es geht nicht nur um Medikamente. Auch Implanate oder andere medizinprodukte haben ihren Nutzen gezeigt. Oder halten sie ein Cochlear Implantat oder implantierbare elektronische Medikamentenpumpen für nutzlos? Und auch die Diagnostik hat Fortschritte für den Patienten gebracht.
Wie kommen Sie auf das "schnell"? Es geht hier um die Frage der Erstattungsformalien. Und die sind abhängig von den Gesundheitssystemen. Das geht von Körbchen-Modellen wie in Frankreich über Kosten-Nutzen-Evaluationen wie in UK bis zu Einzelverträgen mit Krankenkassen und Kliniken wie in Deutschland. Teilweise kann der Hersteller nicht direkt eine Bewertung beantragen, teilweise muss er es. Der Einfluss von Verbänden, Leitlinien oder "key opinion leader" ist sehr unterschiedlich, genauso wie die Transparenz von Entscheidungen und Kriterien. Diese Komplexität führt dazu, dass sich die Unternehmen auf die wichtigen Märkte konzentrieren. Das bekommt man in Deutschland nicht so mit.
Zum Begriff "schnell": Ich wollte in erster Linie darauf hinweisen, dass es für die Bevölkerung eines Landes gelegentlich durchaus von Vorteil sein kann, wenn sich die Formalitäten zur Zulassung und Erstattung eines neuen Medikaments etwas länger hinziehen als im Nachbarland. Die ersten Jahre des Einsatzes eines neuen Medikaments sind nun mal unvermeidlicherweise ein Großversuch, wie etwa auch das erste Produktionsjahr eines neuen Autos.
Der von mir sehr geschätzte Peter Schönhofer findet, wie Sie sicher wissen, unter den 395 seit 1990 neu zugelassenen neuen Wirkstoffen nur sieben Wirkstoffe aus vier neuen Substanzgruppen, die er als echte Innovationen bezeichnen würde (wozu er auch die Statine zählt, deren Nutzen zumindest für den Großteil der hiermit versorgten Patienten sich mir persönlich nach Durchsicht fast aller relevanten Studien noch nicht vollständig erschlossen hat), vgl. http://library.fes.de/pdf-files/fo-wirtschaft/02994.pdf . Obige Anmerkung bezieht sich ganz bewußt nur auf Medikamente; der Nutzen von medizintechnischen Innovationen steht für mich völlig außer Frage.
Die Zulassung ist ja europaweit einigermassen gleich geregelt. Die Erstattung durch die Krankenkassen und Gesundheitsdienste ist die grösste Hürde.
Bei den "Scheininnovationen" bin ich eher vorsichtig. Das kann auch step-by-step gehen. Da sind wir bei der Frage: Was ist eine Scheininnovation, was ein me-too-Präparat, wie muss der (Zusatz)Nutzen für den Patienten aussehen, wie soll man dies messen? Es gibt Methoden zur Nutzen-Bewertung (auch Kosten-Nutzen), wie Ihnen bekannt ist, aber besonders in Deutschland will man davon nicht viel wissen. Auch die Pharmaunternehmen haben sich bisher gegen Evaluationen gewehrt. Wenn wir solche Kriterien nicht akzeptieren, dann haben wir das, was wir heute sehen: - Willkürliche Entscheidungen (siehe me-too-Liste in der KV Nordrhein oder DDD-Richtgrössen) - Ausnutzen der letzten Schlupflöcher (wie NUB oder Integrierte Versorgung) - Intransparente Verhandlungen (bsp: zwischen KVen und Krankenkassen) G-BA, KVen, Krankenkassen, IQWiG, Ministerium, DIMDI, Versorgungsmodelle, MVZ, Integrierte Versorgung, DMP, usw. Das deutsche System ist die Hölle. >> Kommentieren svenm 2006-05-31 Shigataganai*
Japan ist eben eine Planwirtschaft. Da geht manches leichter.Aber mir ist Europa doch irgendwie lieber... * (=Da kann man nichts machen, das ist eben so) >> Kommentieren |
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