Kit-Pack - Kick-Back

Eigentlich wollte ich mal wieder über was anderes berichten, als über die unsauberen Methoden der Pharma- und Medizingeräteindustrie. Aber es ist was dazwischen gekommen.

Der aktuelle Fall: Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat gegen sieben Mitarbeiter des Unternehmens Lohmann & Rauscher ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In den Fall sollen bundesweit 527 Ärzte verstrickt sein, die falsch deklarierte Lieferungen mit medizinischem Material bezogen haben sollen. Gegen sie ermitteln ebenfalls die Staatsanwaltschaften. Der Schaden soll nach Schätzung der Staatsanwaltschaft knapp 15 Millionen Euro betragen.

Wenn die Vorwürfe zutreffen, haben Ärzte und Unternehmen eine Besonderheit beim "Verbrauchsmaterial" der Praxen sich zunutze gemacht. Bei den Vertragsärzten wird zwischen Sprechstundenbedarf und Praxisbedarf unterschieden. Während der Sprechstundenbedarf, wie z.B. Verbände, von den Krankenkassen bezahlt wird, muss der Praxisbedarf, (beispielsweise Abdecktücher, aber auch Büromaterialien oder Instrumente) von den Ärzten aus ihren Praxiseinnahmen bezahlt werden. In dem Betrugsfall soll der Praxisbedarf verbilligt abgegeben und über den Sprechstundenbedarf zu Lasten der Krankenkassen subventioniert worden sein, indem alles in "Kit-Packs" zusammen gepackt und abgerechnet wurde.

Durchaus mit einiger kriminelle Energie. Nicht nur, dass bei der Abrechnung mit der Krankenkasse nicht darauf hingewiesen wurde, dass es sich überhaupt um ein Kit-Pack handelte und somit auch nicht, dass der Praxisbedarf zu einem verbilligten Preis abgegeben wurde. Sondern die Kit-Packs sollen mit Verbandsmaterial aus nichtsterilen Grosspackungen bestückt worden und das Kit-Pack anschließend im Ganzen sterilisiert worden sein. Gegenüber der Krankenkasse soll dann jedoch nicht die billigere, nichtsterile Verbandsform, sondern die sterile einzeln verpackte Form abgerechnet worden sein. Das nennt man dann wohl "systematischer Betrug".

Zur Vollständigkeit hier die Stellungnahme des Unternehmens, in der alle Vorwürfe zurückgewiesen werden.

In einem früheren Projekt habe ich schon gemerkt, dass mit dem Sprechstundenbedarf nicht alles so transparent läuft. Wir sind vom Headquarter eines Unternehmens beauftragt worden und sollten eigentlich Empfehlungen für das pricing eines neuen Produktes geben. Bei der Kalkulation mit den Ärzten wollte sich die deutsche Niederlassung nicht in die Karten schauen lassen. Was den Projekterfolg nachhaltig erschwerte.
 
[Ambulante Versorgung]
Autor: strappato   2006-11-07   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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