Gesundheitstourismus

Gesundheitsbranche als Jobmotor. Bis zu 800.000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Da will kein Politiker aussen vor bleiben. Kaum ein Flecken in Deutschland, der nicht Teil einer Gesundheitsregion ist. Überhört werden gerne Prognosen, in denen ein Arbeitsplatzabbau erwartet wird - auch hier bis zu 800.000 Stellen.

Ein Sektor, der oft als besonders lukrativ angesehen wird, ist die Behandlung von Ausländern in deutschen Kliniken. Gesundheitstourismus wird das gemeinhin genannt. Es wird dann immer von Ölscheichs, russischen Oligarchen oder chinesischen Millionären phantasiert, die in deutsche Kliniken kommen und viel Geld für die Behandlung in der Region lassen. Deutschland als Weltgesundheitsland. Wenn wir schon nicht mehr Apotheke der Welt sind, dann sollen wir wenigstens das Krankenhaus der Welt werden.

Wie verzweifelt die politisch Verantwortlichen sind, sieht man auch an der absurden Diskussion um einen Investor, der aus dem Flughafen Berlin-Tempelhof eine Klinik mit Landebahnanschluss machen will.

Die Realität sieht anders aus, dies zeigen Stephan von Bandemer, Elke Dahlbeck und Anja-Sophia Middendorf in einem Beitrag(pdf) zum Jahrbuch des Instituts für Arbeits und Technik (IAT). Übrigens dasselbe Institut, das die 800.000 neuen Stellen prognostiziert hat. Nicht einmal ein halbes Prozent der Patienten kommt aus dem Ausland. Und nicht aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern aus den Nachbarländern. Allein in Aachen, im Dreiländereck an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden, werden ein Viertel aller nordrhein-westfälischen Patienten aus dem Ausland behandelt - ganz ohne Flughafen. Die Mehrzahl der ausländischen Patienten werden wegen Akut-Erkrankungen behandelt und können bezüglich des Behandlungsortes nicht wählerisch sein.
Von einer Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft kann vor dem Hintergrund dieser Zahlen zu Patientenströmen also noch nicht ernsthaft gesprochen werden.

Was das IAT natürlich nicht davon abhält mit Forschungförderung des Bundesministerium für Bildung und Forschung und in Kooperation mit Medizintechnik-Anbietern wie Medtronic oder Siemens weiter an "Förderung der Gewinnung internationaler Patienten und des Vertriebs medizintechnischer und pharmazeutischer Produkte im Ausland", "Etablierung internationaler Wertschöpfungsketten durch Unternehmenskooperationen", "Portalkliniken zur Steuerung von Patientenströmen", "Aufbau internationaler Infrastrukturen im Rahmen von Foreign Direct Investment", "Nutzung von Personalmobilität zur Unterstützung von Internationalisierung" oder "Internationale Verbreitung von Lösungen und Technologien im Rahmen des Innovationsmanagements und der Übertragung und Anpassung von best practice" zu zu glauben.
 
[Gesundheitswirtschaft]
Autor: strappato   2006-12-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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