How to dance with porcupines?

Bevor es weitere Informationen über PatientView gibt, noch ein paar grundsätzliche Gedanken. Im blog "bedarfshaltestelle" wird getitelt: PatientView - eine Tarnorganisation der Pharmaindustrie?.

Tarnorganisation würde ja bedeuten, dass sie ihre Geldgeber nicht offenlegen, was in diesem Fall nicht immer richtig ist. Trotzdem ist die Methode perfide: Es wird ein Vertrauensverhältnis - "wir kommen aus der Patientenbewegung" - ausgenutzt, um die Informationsbedürfnisse der Pharmaindustrie zu befriedigen. Dabei werden alle Register der PR-Arbeit gezogen.

Beispielsweise bei einer Umfrage zum Thema "Herausforderungen für die Patientenbewegung" Anfang letzten Jahres. Hier das Anschreiben und der Fragebogen survey_health_equality (pdf, 56 KB). Auftraggeber ist "Health Equality Europe" a new alliance of prominent healthcare stakeholders. Its mission is to promote greater health equality. As of February 2006, the following individuals had joined the alliance in a personal capacity: Danach folgt eine Aufzählung mit auf den ersten Blick ehrenwerten Personen. Als Absender wird Sir Ken Collins genannt, Chairman der Scottish Environmental Protection Agency - SEPA. Eigentlich kümmert sich Sir Ken um Energie, Umwelt, Wettbewerbsfähigkeit. Ein Feld, auf dem er in eine Hochrangige Gruppe der EU-Kommission berufen wurde. Zwar weist das Anschreiben darauf hin, dass "Health Equality Europe" von Novartis unterstützt wird - aber nennen wir es beim Namen: Es ist eine von Novartis gegründete Lobbygruppe. Novartis nennt selbst die Ziele.
Für 2005 erreicht:
Established "Health Equality Europe", a forum for health-care leaders representing patients and professional organizations, academia, and other stakeholders.
Und für 2006:
Three meetings of Health Equality Europe. Expand programs with patient advocacy groups and other key stakeholders.
Da wird auch der eigentliche Zweck der Befragung deutlich: Kontaktanbahnung mit Patientenverbänden.

Unter anderem dabei in der "alliance": Alastair Kent von "European Genetic Alliances Network". Ein bekannter Pharmalobbyist, der es bis in einen ZEIT-Artikel geschafft hat. Oder Steven Kelmar, erfahrener PR-Arbeiter im US-Gesundheitsministerium, bei Medtronic und nun bei Novartis oberster Chefkommunikator. Oder Helen Evans vom Stockholm Network, einem Netzwerk von Think Tanks, das auch von der Pharmaindustrie Aufträge erhält, wie etwa zum Thema "Arzneimittelfälschungen" von Pfizer. Aufgabe des Networks: We conduct pan-European research on, and create a wider audience for, market-oriented policy ideas in Europe. Alles klar?

Lust auf noch einen aus der honorigen Liste? Stephen Pollard vom Centre for the New Europe, eine Brüsseler Lobbyorganisation, die sich für Privatisierung und freien Markt, auch im Gesundheitswesen, einsetzt und deren Finanzierung intransparent ist. Und mit Tim Evans als Leiter, den wir schon vom Stockholm Network kennen.

Mal ehrlich, was erwarten Patientenverbände oder aktive Patientenvertreter von dieser EU-Lobby-Bande?

Mir fällt bei sowas immer der Titel eines Papers von Elisabeth Wager ein, in dem sich die Autorin über Verhaltensregeln für Ärzte im Umgang mit der Pharmaindustrie Gedanken macht: How to dance with porcupines: rules and guidelines on doctors' relations with drug companies. Wie tanzt man mit Stachelschweinen? Ich bin immer mehr geneigt, für Patientenorganisationen als Antwort ein "gar nicht" zu empfehlen. Denn die Interessen und Beziehungen sind für Personen, die zum Teil ehrenamtlich arbeiten und deren eigentliches Ziel in der konkreten Unterstützung von Betroffenen und Patienten liegt, nicht durchschaubar. Da kommt man schnell unter die Räder.
 
[PatientView]
Autor: strappato   2007-02-08   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2007-02-08  
Die Wikipedia weiß über das Stockholm Network und das CNE: Auf politischer Ebene spielen industrienahe Denkfabriken wie das "Stockholm Network" eine große Rolle bei der Verbreitung der Botschaft, dass Cholesterinsenkung notwendig und nützlich sei. So veröffentlichte das "Stockholm Network" mit seiner Unterorganisation "Centre for the New Europe" (CNE) im Jahre 2006 eine Studie mit dem Titel "Cholesterin: Die Implikationen der öffentlichen Politik, nicht genug zu unternehmen" (Cholesterol: The Public Policy Implications of Not Doing Enough) und prophezeit eine "Gesundheitskrise" bis 2020, falls die gegenwärtige Praxis des "Cholesterin-Managements" nicht im Sinne einer verstärkten Anwendung von Cholesterinsenkungspräparaten geändert würde. Zu den Gründern des "Stockholm Network" gehört Pfizer-Vorstand Michael W. Hodin; im Vorstand des CNE sitzt darüberhinaus Catherine Windels, die gleichzeitig als "Director of International Affairs" für Pfizer tätig ist. Berichten zufolge erhält das CNE über 50% seiner Finanzierung alleine von Pfizer, dessen Hauptumsatzträger der Cholesterinsenker Lipitor/Sortis ist, daneben soll auch der Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (MSD), Hersteller der Cholesterinsenker Zocor und Ezetrol (Ezetimb), zur Finanzierung der Organisation beitragen. Zocor ist mit 4,4 Milliarden Dollar Jahresumsatz (2005) Hauptumsatzträger von MSD. Der genannte Bericht selbst wurde nach Angaben des Stockholm Network durch die Pharmakonzerne MSD und Schering Plough Corporation finanziert; letzterer vermarktet Ezetrol gemeinsam mit MSD.

Das war übrigens auch der feine Herr Pollard.


strappato   2007-02-08  
Stachel, danke. Aber das Tanzen mit Warzenschweinen stelle ich mir auch schwierig vor.

Das ist so ein Morast. Da fühlen sich Warzenschweine sicher wohl.

Übrigens stelle ich morgen noch ein Stachelschwein vor.


gn8   2007-02-10  
Bis jetzt gibt es ziemlich weichgespülte Selbstverpflichtungen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband und der BAG Selbsthilfe, jeweils auf Bundesebene. Die Bundesverbände wissen je nach Struktur oft nicht was vor Ort bei Orts- und Landesverbänden gemacht wird. Mancher Bundesverband ist weit mächtiger als der Dachverband. Es gibt auf Dachverbandsebene eine Monitoring-Gruppe, wer drin sitzt und was genau die tut ist wenig veröffentlicht. Mein Verband z.B. wird sich immer weigern seine Informationen vorbehaltlos an einen Dachverband (oder so ein verbandsübergreifendes Grüppchen) zu geben, dem er nicht angehört bzw. das nicht transparent ist. In dem neueren Beitrag geht es ja wohl zur Sache. Mir schwant Fürchterliches.








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