Die Krone des Medizinjournalismus

In unserem Nachbarland Österreich gibt es die Kronen Zeitung (kurz "Krone"). Eine Boulevard-Tageszeitung, die in Relation zur österreichischen Bevölkerungszahl eine der erfolgreichsten weltweit ist und gegen die die Bild seriös wirkt. Der Einfluss auf Gesellschaft und Politik ist dementsprechend hoch. Die deutsche WAZ-Gruppe hält 50% der Anteile.

Die Krone hat Medizin und Gesundheit als strategische Themen erkannt und gibt zusätzlich die Ärzte-Krone, die Apotheker-Krone (beide 14-tägig) und Zahn-Krone (achtmal pro Jahr) heraus, die sich an niedergelassene Ärzte bzw. Apotheker richten. Für Patienten gibt es die Wartezimmer-Krone als Beilage der Ärzte-Krone. Im Mittwoch-Magazin „Zeit zum Leben“ werden ebenfalls Gesundheitsthemen schwerpunktmäßig aufbereitet. Im Magazin "Krone-Gesund“ werden Informationen, Tipps und Anregungen in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Wellness, Sport und Ernährung präsentiert.

Natürlich gibt es einen pdf-DateiThemenplan, mit dessen Hilfe die Pharmaindustrie ihre Anzeigen und Kampagnen planen kann. Denn alle diese Gesundheitsableger werden von derselben Redaktion produziert.

"Bild kämpft für Sie" - das kennen wir in Deutschland. Eine Zeitung hilft den Lesern im Kampf gegen ungerechte Bürokraten und uneinsichtige Unternehmer. Die Krone setzt dem die Krone auf und hat seit Herbst 2006 einen ArzneiOmbudsmann.
Sie haben Probleme mit dem Erhalt von Arzneimitteln? Der Chefarzt hat ein Medikament abgelehnt, aber Ihr Arzt meint, es wäre das Beste für sie? Ihre Krankenkasse hat die Kosten für ein Medizinprodukt abgelehnt, das Sie aber dringend brauchen? Oder Sie haben jahrelang ein Medikament bekommen, das gut geholfen hat, und Sie bekommen dieses nun nicht mehr? Bei all diesen Problemen können Sie sich an den ArzneiOmbusdman wenden.
Wie schamlos da mit der Pharmaindustrie zusammengearbeitet wird, zeigt ein Beispielartikel: pdf-Dateikrone (pdf, 511 KB).

Statt Wirkstoffe werden die Handelsnamen genannt, Neuheiten werden als Innovationen gefeiert - 2006 sind Präparate auf den Markt gekommen, die bisher kaum beherrschbare Krankheiten plötzlich behandelbar machten - und der Präsident des Pharmaindustrieverbandes Pharmig, Dr. Hubert Dressler, darf im Text die Erstattung aller neuen Präparate fordern. Der "Gegenspieler", der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, kommt in einem extra Kasten zu Wort. Faktisch unter Ausschluss der Leserschaft - Platzierung und Diktion sind mit Krone-Leser nicht kompatibel.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-02-28   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  


kelef   2007-03-01  
sie recherchieren sehr sorgfältig, da kann man nix sagen.

stört mich auch immer, dass so schamlos über die köpfe der eigentlich betroffenen, nämlich der patienten, hinweggeredet/-schrieben/-handelt wird. und nicht genug damit, wird dann noch in form von angeblicher journalistischer berichterstattung und hilfestellung meinungsmache und -bilderei betrieben.

da peter rosts geschichte ja nun verfilmt werden soll: wollten sie nicht ein buch schreiben? da wären doch mit sicherheit ein paar interessante kapitel drin.


strappato   2007-03-01  
Wenn wir bei Österreich bleiben: Beim virtuellen Eintauchen in den dortigen Gesundheitssumpf stockt einem manchmal der Atem. Die hätten ein Buch sicher nötig. Und das kann nur ein Deutscher schreiben, denn die Österreicher sind irgendwie alle miteinander verbandelt. Was ich auch daran festmache, dass ich oft beruflich unterwegs bin (demnächst Osteuropa und Basel) aber noch nie Österreich zu tun hatte - abgesehen von ein paar Tagungen in Wien. Scheint - mit Verlaub - irgendwie eine ungesunde Inzucht zu sein.

Aber grundsätzlich: Wenn ein Verleger käme, könnte man über ein Exposé sprechen. Thematisch bieten sich das Lobbying der Pharmaverbände, Instrumentalisierung der Selbsthilfe und das Treiben auf EU-Ebene an. Ist bisher noch nicht so recht bearbeitet worden.

Rost goes Hollywood: Mal sehen, ob der Film nicht von der Pharmaindustrie in Grund und Boden geklagt wird. Im Übrigen ist diese komplexe Materie ein sehr schwerer Filmstoff. Und wenn dann nur mit Kathrine Heigl, die wenn man die Trailer als Massstab nimmt, in "Side Effects" ein hinreissendes "Pharma Babe" gespielt hat.


strappato   2007-03-01  
Im blog "besser mit anthroposophie" beschreibt ein Arzt, wie solche Medien wirken und das Arzt-Patienten-Verhältnis beeinflussen.








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