Die Prostata hat ihre Tage

In Deutschland steigt zwar keine Gesundheitsministerin in eine Prostata, wie in Österreich, trotzdem gibt es hierzulande eine Aktion "Mann sorgt vor" und einen Prostata-Tag am 22. Mai. Ganz untypisch für solche Aktionstage rufen dazu keine Fachverbände oder Selbsthilfegruppen auf, gesponsert von der Pharmaindustrie. Das Pharmaunternehmen Stada hat selber den "Prostata-Tag" sich ausgedacht.

Alles natürlich mit dem Ziel, ein Zeichen für die Notwendigkeit der Vorsorge zu setzen. Dass das Unternehmen ein Produkt mit dem Handelsnamen Prostata Stada hat, trifft sich gut.

Ein Zeichen wird auch mit einem Preisausschreiben gesetzt. Zu gewinnen gibt es 100 Vorsorgegutscheine im Wert von 120 Euro. Ärzte können zu dem Tag beim Unternehmen Service-Materialien bestellen. Dazu gehören ein A1-Plakat, das auf die Vorsorge-Untersuchung aufmerksam macht, sowie Aktionsbroschüren mit dem Titel "Mann sorgt vor". Patienten erhalten darin etwa Informationen zu benigne Prostatahyperplasie (BPH) und Prostata-Karzinom. Auch welche Leistungen die Kassen bei der Krebsvorsorge übernehmen, wird in der Aktionsbroschüre ausführlich beschrieben. Das wird die Urologen freuen, die bei der Vermarktung von Selbstzahlerleistungen (IGeL) ganz vorne mit dabei sind.

Ein zentraler Bestandteil ist der PSA-Test. Die Krankenkassen erstatten diesen Test nicht, da sich die Experten noch um den Aussagewert streiten. Focus-Online, sonst neuen medizinischen Innovationen nicht abgeneigt, bringt es auf den Punkt.
Die statistische Bilanz: Zwei von 100 PSA-gescreenten Männern profitieren von der Reihenuntersuchung. Es gibt jedoch keine Daten darüber, ob diese zwei auch länger leben, als wenn der Krebs nicht entdeckt worden wäre [...]. Dem stehen auf der „Schadensseite“ zwölf impotente und sechs inkontinente Männer entgegen.
Auf der Internetseite liest sich das so:

Doch die Investition in die Gesundheit lohnt sich. Ein aussagekräftiger Bluttest, die sogenannte PSA-Untersuchung, sowie weitere Untersuchungen zur Früherkennung sind kostenpflichtig (sogenannte IGEL-Leistungen) und sollten im Abstand von einem Jahr vom Urologen durchgeführt werden. (Hervorhebung von mir)
 
[IGeL]
Autor: strappato   2007-05-17   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2007-05-17  
Eine vergleichbar ernüchternde statistische Bilanz wie für den PSA-Test haben kritische Geister auch für das Mammographie-Screening ausgerechnet, Werner Bartens hat darüber vor einiger Zeit berichtet:
Gøtzsche hat einen Tag durchschnittliche Lebensverlängerung für die Frauen ermittelt, die zehn Jahre lang im Mammographie-Programm sind. "Diese Zeit geht für Anreise, Warten und Untersuchung drauf", sagt Gøtzsche. "Wo ist da noch der Nutzen?"



ti   2007-05-18  
Wow einen Tag länger leben,
da habe ich aber Glück gehabt. Es lässt sich trefflich über Sinn oder Unsinn solcher Krebsvorsorgetest diskutieren, solange man nicht selbst oder jemand Nahestehendes betroffen ist. Danach ändert sich alles dramatisch.

Die Statistik ist die eine Seite, der reelle Einzelfall etwas ganz anderes.


strappato   2007-05-18  
Gar keine Frage. Daher wird der PSA-Test auch von engagierten Krebspatienten verteidigt, die am selteneren schnell wachsenden Prostatakarzinom erkrankten und durch den Test eine frühe Behandlung erreicht haben.

Bei der Diskussion hier geht es um die Allokation der zur Verfügung stehenden Mittel. Was soll eine Gesellschaft oder Krankenkassengemeinschaft bezahlen bzw. wo kann man mit den Mitteln am meisten erreichen.

Die Pharmaindustrie, Medizingerätebranche, Ärzteverbände und andere Interessensgruppen helfen tatkräftig mit, diese Entscheidung zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Nutzen zu beeinflussen.

Beim PSA-Test oder der Mammographie werden zudem oft unnötige weitere Untersuchungen und Kosten ausgelöst, bsp. Biopsien, die mit Risiken und psychischen Belastungen für die Betroffenen verbunden sind.

Da die Abwägung zwischen Nutzen, Risiken und Kosten zu treffen, ist sowohl auf gesellschaftlicher, als auch auf individueller Ebene nicht einfach.


hockeystick   2007-05-18  
Zu beiden Aspekten gibt es ein ganzes Buch; was bei Amazon dazu auf der Seite steht klingt interessant.


ti   2007-05-18  
Zur Vorsorgeuntersuchung sollte gehen können, wer z.B. familiär oder anderwärtig ein erhöhtes Risiko hat. Ich halte es auch für wichtig, dass das jeder selbst entscheiden darf.

Der Vorerkrankung wegen ging ich zum Screening. Die mediengerechte Präsentation irgendwelcher Promis spielte keine Rolle. Ich hatte gute Gründe. Alle Leute durch alle Vorsorgeuntersuchungen zu schleifen, ist bestimmt des guten zu viel, gar keine Untersuchungen mehr der Kosten wegen ist auch falsch.

Bei dem Leid, dass eine Krebserkrankung mit sich bringt keine leichte Entscheidung.








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