Verdeckte PR mit MedCom international und der Seniorenliga Die Bonner Marketingfirma MedCom international medical&social communication GmbH hat den Leitsatz erfolgreicher Pharma-PR verinnerlicht: Nirgendwo gilt diese Wahrheit so sehr wie im Gesundheitssektor, wo der Gesetzgeber den Herstellern von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie den Anbietern sogenannter "Nahrungsergänzungsmittel" bei der Formulierung ihrer Werbebotschaften gewisse Grenzen auferlegt hat. Das Verschleiern des Absenders einer Werbebotschaft ist nach § 4 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zwar häufig ebenfalls als illegal zu bewerten, jedoch weitaus schwerer gerichtsfest nachzuweisen. Je nach genauer Ausprägung findet man das Prinzip u.a. in den Geschmacksrichtungen "Schleichwerbung", "Astroturfing", "Mietmaultum" und "gekaufte Interessengruppe". Mischformen sind beliebt. Nicht überraschend, dass das Angebot der MedCom in der Branche reißenden Absatz findet. In der Kundenliste finden sich illustre Namen: Leistungen der MedCom, die nach meinem Eindruck für die Firma Orthomol erbracht wurden, sollen exemplarisch den Gegenstand des heutigen Artikels bilden. Über verschiedene andere Fälle wird noch zu reden sein. Orthomol ist in Deutschland Marktführer im Bereich hochpreisiger "Nahrungsergänzungsmittel" und bietet verschiedene Zusammenstellungen von Vitaminen, "Mikronährstoffen" und anderen Ingredienzen an. Die Produktnamen suggerieren eine vorbeugende oder heilende Wirkung gegen bestimmte Erkrankungen: Orthomol Immun®, Orthomol Arthro plus®, Orthomol Rheumat®, Orthomol AMD extra®, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Damit hat Orthomol den gesetzlichen Spielraum schon bis an seine äußersten Grenzen ausgeschöpft. Den Produkten darüberhinaus auch offen eine vorbeugende oder heilende Wirkung zuzusprechen, wäre ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht. Die Wirkung solcher Präparate ist ausgesprochen fraglich und erhebiche gesundheitiche Risiken sind nicht auszuschließen. Das Arzneitelegramm fasst seine Einschätzung über den Nutzen solcher Nahrungsergänzungsmittel wie folgt zusammen: Angesichts des nicht nachgewiesenen Nutzens sowie der gravierenden Bedenken raten wir von den Produkten der orthomolekularen Medizin ab.
Die Kosten der Orthomol-Präparate bewegen sich z.T. bei über 60 Euro für eine Packung mit 30 Kapseln, so dass Anwender schon für die vermeintliche Linderung eines einziges Wehwehchen leicht 700 Euro im Jahr investieren müssen. Die Kassen übernehmen diese Kosten nicht. Der Umsatz der 1991 gegründeten Orthomol GmbH soll bereits 2003 bei über 50 Millionen Euro gelegen haben. Die 1993 gegründete gemeinnützige Deutsche Seniorenliga e.V. gehört zu den bevorzugten "Partnern" der MedCom International. Die Seniorenliga tritt seit einiger Zeit zielgruppengerecht unter dem Namen "DSL German Seniors" auf, alt werden liegt schließlich im Trend. Sie hat sich vorgeblich zur Aufgabe gemacht, die Interessen der "Bevölkerungsgruppe 50+" zu vertreten. Tatsächlich hat es den Anschein, als würde sie die Interessen von MedCom-Kunden vertreten, die versuchen, mehr oder weniger fragwürdige Produkte an die Bevölkerungsgruppe 50+ zu verkaufen. Die Deutsche Seniorenliga teilt sich nicht nur ihren geschäftsführenden Vorstand Erhard Hackler, sondern auch ihre Postanschrift seit vielen Jahren mit anderen Initiativen, etwa der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e.V. (DHA) oder dem Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V. (BGV). Diese Organisationen gehören ebenfalls zu den "Partnern" oder "Referenzen" der MedCom und es hat fast den Anschein, als würden auch diese überwiegend die Interessen einzelner MedCom-Kunden vertreten. Hackler ist auch politisch gut vernetzt, er war bis 1999 Landesgeschäftsführer der CDU NRW. So überrascht es nicht, dass zu den Kunden der MedCom auch das CDU-geführte Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW gehört, das im vergangenen Jahr eine gemeinsame Kampagne mit der Seniorenliga finanziert hat. Die Nähe der MedCom zur Deutschen Seniorenliga ist bemerkenswert, auch in geografischer Hinsicht: Größere Kartenansicht Noch vor zwei Jahren residierten beide Organisationen in einem anderen Viertel von Bonn. Schon damals war die Distanz bequem zu Fuß zu bewältigen. Das Personal lässt sich im Einzelfall ebenfalls schwer einer der beiden Organisationen zuordnen. Andrey Pauliny-Toth, einer der beiden MedCom-Geschäftsführer (vermutlich seit 1999), schrieb z.B. bereits 1994 im Namen der Seniorenliga einen Leserbrief an den Spiegel: "Prof. H. Erbler, Frankfurt am Main", den Autor des zweiten, in der Kombination fast kongenial wirkenden Leserbriefs, finden wir in späteren Pressemeldungen als Leiter der in Frankfurt am Main ansässigen Merz-Pharmasparte wieder. Merz ist der Hersteller des im Leserbrief gepriesenen Medikaments "Akatinol Memantine". Dieses Medikament, dessen Nutzen bestenfalls dürftig ist und das wegen unterdrückter Studiendaten und schwerwiegender Nebenwirkungen ins Gerede gekommen ist, liegt der Seniorenliga bis heute besonders am Herzen und wird in ihren Alzheimer-Broschüren ausgiebig gewürdigt. Ein Blick in die MedCom-Referenzliste bringt dann auch keine Überraschung mit sich. Es erscheint mir noch nicht einmal ausgeschlossen, dass es zwischen der Gründung der Seniorenliga und der PR-Arbeit für dieses Medikament einen direkten Zusammenhang gegeben hat. Aber zurück zu Orthomol. Wie bei den Alzheimer-Broschüren sehen wir das typische Muster von Marketingkampagnen der MedCom in Zusammenarbeit mit der Seniorenliga: 1. Broschüren werden gedruckt, in vielen Fällen ohne Hinweis auf den eigentlichen Auftraggeber (manchmal jedoch auch mit dem Logo des Geldgebers auf der Titelseite): Im Impressum der Broschüren mit verdecktem Geldgeber findet sich natürlich kein Hinweis auf diesen: Damit kann diesem auch dann nichts passieren, wenn in der Broschüre z.B. mit Bildern von Ärzten in Berufskleidung für Nahrungsergänzungsmittel geworben wird: Wenn man genau hinsieht, findet man in den Broschüren allerdings gelegentlich deutliche Indizien: 2. Eine Website wird aufgesetzt, im Falle der Nahrungsergänzungsmittel-Kampagnen war das z.B. die Domain dsl-ernaehrung.de. Auch hier können die Broschüren in elektronischer Form heruntergeladen werden: 3. Über die dpa, die Tagespresse, die in Sachen Seniorenliga besonders emsig berichtende Ärzte-Zeitung und verschiedene Online-Medien wird auf das Erscheinen der Broschüre aufmerksam gemacht. Und es dauert nicht lange, dann finden sich die Inhalte der Kampagne sogar auf dem Verbraucherportal der Hessischen Landesregierung. [Ethik & Monetik]
strappato 2008-04-25 >> Kommentieren fabianfuchs 2008-04-26 Ein seltsames Konglomerat
(Gar nicht) Seltsam, dass die benannte Deutsche Haut- und Allergiehilfe ihre Domains nach einem der dsl-ernaehrung.de sehr ähnlichen Muster wählt:http://www.dha-neurodermitis.de/ http://www.dha-psoriasis.de/ http://www.dha-allergie.de/ http://www.dha-immuntherapie.de/ Raten Sie jetzt, wer Geschäftsführender Vorstand der DHA ist. ;-) Neulich übrigens gesehen: eine Agentur wirbt für ihre Dienste mit dem Slogan "Pharmawerbung, die nicht wie Pharmawerbung aussieht".
Besonders perfide finde ich "bgv-transplantation.de". Ich verwette beide Nieren darauf, dass das eine Veranstaltung von Novartis ist. Allein schon die Dreistigkeit, sich so einen Namen ans Klingelschild zu kleben, da bleibt mir die Spucke weg.
>> Kommentieren plazebo 2008-04-28 grüße aus vom hausfrauen-dasein mit 56 K Modem (diese kommentar-seite brauchte 1 min 13 sek um auf dem bildschirm zu erscheinen) marcus >> Kommentieren forschungunterderlupe 2011-01-17 Alzheimer
Hallo hockeystick, ich würde gerne für eine Recherche von mir direkt Kontakt zu Ihnen aufnehmen. Wie kann ich Sie per Mail oder Telefon erreichen? Grüße, CS
Gute Frage. Mein Mail-Account ist mir wg. 3-wöchiger Inaktivität in den Weihnachtsferien abhanden gekommen. Ich sehe mich gerade nach einem weniger rigiden Anbieter um.
boocompany-Messages sind bis auf weiteres die einzige Möglichkeit.
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