Der Trick mit der Evidenz "Die in Deutschland offensichtlich sehr mächtige Pharmaindustrie hat es bislang stets erfolgreich geschafft, ein effektives Konkurrenzprodukt eines mittelständischen Unternehmens am Markt zu behindern oder zu verleumden".
Die Pharmaindustrie ist in der Öffentlichkeit nicht gut gelitten und Verschwörungstheorien rund um die Macht der Pharmakonzerne finden ein dankbares Publikum. Bevor man die obige Aussage blind unterschreibt, sollte ein Blick auf den Urheber geworfen werden. In diesem Fall will ein Naturheilmittelhersteller kritische Nachfragen zum Nutzen und Risiken seines Produktes abwehren. Eigentlich wollte das arznei-telegramm (a-t) sich nur über die Evidenzlage zu dem Präparat Cystus informieren. Ein Kinderarzt hatte die Redaktion gefragt, ob es Studiendaten über Nutzen und Risiken dieses Mittels gäbe, das laut dem Anbieter Erkältungserreger physikalisch binden könne. Statt Belege zum Nutzen erhielt die Redaktion einen Brief der vom Hersteller "Dr. Pandalis Urheimische Medizin" beauftragten Anwaltskanzlei mit der obigen Verschwörungstheorie, der in der aktuellen Ausgabe des unabhängigen Arzneimittelinformationsdienstes dokumentiert wird. In dem Ansinnen, die "CYSTUS-052-Medizinalprodukte mit Fragestellungen aus dem Arzneimittelmarkt zu konfrontieren" sieht der Anwalt den "Trick", um die Produkte zu diskreditieren. "Anders als im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren sie ein Medizinalproduktehersteller im Übrigen nicht verpflichtet, seine Studienergebnisse zu veröffentlichen. Nicht ganz überraschend kommt die Redaktion des a-t zu dem Fazit, dass die veröffentlichten randomisierten Studien aus ihrer Sicht weder Nutzen noch Sicherheit der CYSTUS-052-Produkte hinreichend belegen. Die Reaktion des Herstellers hat auch einen Hintergrund. "Dr. Pandalis Urheimische Medizin" kämpft um die Zulassung seines Umsatzbringers. CYSTUS-052-Tabletten und -Gurgellösung werden als Medizinprodukte vertrieben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stuft sie hingegen aufgrund einer pharmakologischen Wirkungsweise als zulassungspflichtige Arzneimittel ein und untersagte den weiteren Vertrieb. Der Hersteller klagte dagegen und bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung waren die Produkte am Markt geblieben. Heute war es soweit: Im Streit um den Status der Cystus-Präparate unterlag der Dr. Pandalis Urheimische Medizin dem BfArM. Das Unternehmen erwägt eigenen Angaben zufolge weitere rechtliche Schritte und schließt auch den Weg zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht aus. Viel Raum für neue Verschwörungstheorien. [Pharmamarketing]
ian_a_ironside 2010-03-17 Und von wegen "physikalischer Wirkung" des Präparats: Dann müsste diese Argumentation ja auch für Antikörper-Präparate (Impfstoffe, Angiogenesehemmer) gelten.
Es gibt zum Verkaufsstopp auch eine Pressemitteilung des Unternehmens.
Derzeit gibt es keinen anderen pflanzlichen Wirkstoff als Cystus052, der jenen Bedrohungen wirksam Einhalt gebieten kann, die durch Influenza-Pandemien, saisonale Grippe oder akute Atemwegsinfekte entstehen. Bei der Vogelgrippenhysterie hatte sich das Unternehmen noch als "seriöses und verantwortungsbewusstes Unternehmen" von jeder Art von umsatzorientierter unethischer Angstmache distanziert.
aus der pressemitteilung:
"Der Extrakt umhüllt Viren und verhindert so physikalisch die Infektion von Zellen." hier stellt sich zumindest einmal die frage, was mit den viren in der hülle dann passiert. und wenn das zur diskussion stehende mittel "viren" "umhüllt, dann wäre es doch universell gegen alle viren wirksam? oder versteh ich da schon wieder was nicht? müsste man das nicht präzisieren (können)? und weiter: "Damit wird bis zur endgültigen Klärung dieser europarechtswidrigen Ausdehnung des Arzneimittelbegriffs zumindest dem deutschen Markt ein mit Wirkungsnachweisen und klinischen Prüfungen belegtes, hochwirksames Produkt zur Abwehr viraler und bakterieller Infektionen der oberen Atemwege entzogen." bakterien hüllt das zeug also auch ein, oder wie wirkt es da? nimmt es die viecher an die leine und geht damit fort? rechtswidriges verhalten zu unterstellen, und noch dazu in dieser form, scheint mir auch ein wenig ungeschickt und kontraproduktiv. aber ich kenn mich da ja überall nicht aus.
Das a-t hat festgestellt:
1. Ist es nicht belegt wirksam. 2. Die Wirkungsweise ist selbst den Autoren der veröffentlichten Studien ein Rätsel. Besonders irreführend finde ich das: "auch die Effektivität wurde nicht angezweifelt" Die Frage der Wirksamkeit ist erst Gegenstand des Zulassungsverfahrens nach AMG. Das würde das Unternehmen ja gerne vermeiden und lieber weiter als "zugelassenes Medizinprodukt" mit Unterstützung von fragwürdigen Studien den Anschein der Wirksamkeit erwecken. Ganz unabhängig..
..von der Frage ob Arzneimittel oder Medizinprodukt und dem Fingerhakeln zwischen Hersteller und BfArM ist für mich Cystus eines der Paradebeispiele dafür, wie unkritisch viele niedergelassene Mediziner in dem Zshg. sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß Cystus von Hausärzten rege verschrieben/empfohlen wurde. Wobei - nach meinen eigenen kleinen Recherchen - einer der entscheidenden Faktoren u.a. die "Studie" von H. Kiesewetter war. Für die Ärzte genügte, daß da irgendwas von "Charite" zu lesen war und damit war es gut.
so kompliziert sind zulassungsverfahren nicht, dass man nicht mit gut dokumentierten herstellungsverfahren und studien durchkommen könnte. und die zulassungsbehörden sind grundsätzlich kooperativ und fressen keine kleinen kinder. aber ich würde gerne sehen, wie die dokumentation für den wirkstoff hier aussieht, ich kann mir nicht helfen.
ärzte sind auch nur menschen - und wenn die patienten in der praxis sitzen und "sofort" gesund sein wollen und aber "nichts chemisches" wollen sondern was "natürliches", dann kann arzt schon einmal "charite" lesen denken "gut is". die zum patent angemeldete "cystus incanus PANDALIS" erinnert mich übrigens fatal an die klostermelisse. besonders da ich feststellen durfte, dass man mit einem tee oder sud oder was auch immer auch wöchnerinnen gewaschen hat, also die grossmutter von herrn pandalis. da nehm ich lieber einen schluck von meinem fichtenwipferllikör. ist auch ein rezept von der grossmutter, aber von meiner, ohne rezept und ohne patent. >> Kommentieren |
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