Zuckerbrause für scienceblogs.com

Mit Blogs Geld zu verdienen scheint selbst in den USA nicht so leicht zu sein. Seed Media will nach vier Jahren endlich einen Return sehen und bereichert sein wissenschaftliches Blog-Portal ScienceBlogs um ein PR-Blog. Unter Welcome to Food Frontiers lässt scienceblogs.com den Zuckerbrause- und Fastfoodkonzern PepsiCo ein ernährungswissenschaftliches Blog schreiben. Natürlich erscheint das Blog im Medicine & Health Channel des Portals.
As part of this partnership, we'll hear from a wide range of experts on how the company is developing products rooted in rigorous, science-based nutrition standards to offer consumers more wholesome and enjoyable foods and beverages.

Ein genialer PR-Zug in einer Zeit, in der in den USA die US-Regierung sich dem Kampf gegen Übergewicht und die Diabetes-Epidemie verschrieben hat und die Softdrink-, Fastfood- und Nahrungsmittelundustrie unter Druck bringt.


Zu Recht wird von Scienceblogs.com-Bloggern kritisiert, dass PepsiCo die durch die Blogger über Jahre aufgebaute Reputation des Portals zur Lobbyarbeit nutzt.
But what makes me most angry - and hurts personally - is that ScienceBlogs would not have been able to offer such an attractive package to PepsiCo if not for the reputation and pageviews built by the bloggers who have written here over the last four-and-a-half years.

Einige bloggende Wissenschaftler wollen nicht gemeinsam mit einem PepsiCo-PR-Blog auf der Plattform erscheinen und haben ihren Abschied erklärt.

In Deutschland wird scienceblogs.de von Glam Media betrieben, einem Netzwerk das Blogs und Online-Medien zu Mode, Gesundheit und Lifestyle vereint. Ob die sich gegen einen finanziell potenten Partner aus der Nahrungsmittel- oder Kosmetikindustrie sperren würden?

Die Blogger wohl nicht. Denn die sonst oft über-engagierten Blogger von scienceblogs.de können die Aufregung ihrer US-Kollegen nicht so recht nachvollziehen. Dort herrscht tatsächlich die Auffassung vor, dass die PepsiCo-Wissenschaftler ihre Blogpostings nicht mit der Marketing- und PR-Abteilung des Konzerns abstimmen müssten.#

PZ Myers, der als Biologe an der University of Minnesota lehrt und ein populärer Scienceblogs-Autor ist, stellt klar:
They aren't going to be doing any scienceblogging — this is straight-up commercial propaganda. You won't be seeing much criticism of Pepsico corporate policies, or the bad nutritional habits spread by cheap fast food, or even any behind-the-scenes stories about the lives of Pepsico employees that paints a picture of the place as anything less than Edenesque. Do you think any of the 'bloggers' will express any controversial opinions that might annoy any potential customers?

Dass dies keine böse Ahnung eines kritischen Wissenschaftlers ist, zeigt die glatte PR-Stellungnahme eines PepsiCo-Sprechers zu den Vorgängen:
We believe one way to achieve meaningful progress in addressing global health challenges is for food and beverage companies to have an open dialogue with the scientific and health community. We've partnered with ScienceBlogs so we can listen, share ideas, and work together. Based on some of the feedback we've seen, we've already taken steps to clarify that we are a sponsor of the site and we look forward to engaging in continued discussion with the ScienceBlogs community.

--
Update:
Das Blog gab es bisher unbeachtet auf der Pepsico-Seite. Wenn die Postings keine PR sein sollen, was dann?

Noch ein Update:
ScienceBlogs.com hat das Blog abgeschaltet.
 
[Blogs]
Autor: strappato   2010-07-08   Link   (12 KommentareIhr Kommentar  


cwagner   2010-07-08  
Naja
Man muss mal schauen, z.B. den Frosta Blog finde ich auch ganz interessant (auch wenns da natürlich immer wieder Werbung gibt, ist aber ja auch deren Firmenblog).

Stimme dem deutschen ScienceBlog Beitrag soweit zu, dass man erst einmal warten sollte, was daraus wird. Auch wenn die ihre Informationen abstimmen müssen, das könnte ja dahin gehend gehen, dass sie keine Themen anschneiden, die für sie problematisch sein könnten, sondern eben positive Aspekte (auf PepsiCo bezogen) wissenschaftlich betrachten.
Mal schauen:)


weitergen   2010-07-08  
Das die Blogger von Scienceblogs die Aufregung nicht nachvollziehen können ist veralgemeinernd und so nicht richtig.

Das Problem ist, dass das Betreiben einer Website wie ScienceBlogs Geld kostet, Bandenwerbung aber zu wenig abwirft. Gesponserte Blogs sind ein Weg das ganze zu finanzieren. Das geht klar auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Seite und der anderen (unabhängigen) Blogger, die diese Glaubwürdigkeit erst aufgebaut haben.

ScienceBlogs.de hat ebenfalls sporadische Partnerblogs mit Sponsoren aus der Industrie (aktuell eins von L'Oréal). Ich persönlich bin bisher bereit, das zu tolerieren, da es der Kostendeckung dient, würde mir aber eine klarere Kennzeichnung wünschen.


strappato   2010-07-08  
Es geht nicht um irgendeinen Sponsor. Wissenschaftler sehen die Unernehmenspolitik der Fastfood- und Brausekonzerne als mitursächlich für die schlechte Gesundheit der US-Bürger und die hohen dramatisch steigenden Ausgaben des Gesundheitssystems für die Behandlung von chronischen, ernährungsbedingten Erkrankungen. Die Branche kämpft an allen Fronten um ihr Image und gegen Massnahmen wie Fat Tax, Verbannung der Verkaufsautomaten in Schulen und öffentlichen Gebäuden, usw. Scienceblogs.com gibt die Plattform für die Wissenschafts-PR.

Zu L'Oreal liegt hier seit November 2009 ein angefangenes Blogposting rum. Nur ein Highlight: L'Oreal forscht zur Wirkung des Aussehens und Kosmetik auf die Lebensqualität und entwickelt ein Instrument zu Messung, das "Beautyqol". Ziel ist, mit wissenschaftlichen Argumenten die Produkte zu verkaufen. Aus einem Abstract: "It is anticipated that BeautyQoL will become the gold standard for the measurement of QoL as affected by cosmetic products, techniques and agents that alter physical appearence of disease." Wobei für den Konzern das Altern an sich schon Krankheitswert hat.


weitergen   2010-07-08  
Das stimmt, und deshalb ist die Aufregung der Blogger bei SB.com diesmal auch grösser als in der Vergangenheit bei anderen gesponserten Blogs.

Das aktuelle PR-Fiasko um den PepsiCo-Blog ist wohl der Anlass aber nicht der einzige Grund warum jetzt in Scharen die Blogger SB.com verlassen.


weitergen   2010-07-08  
Re: L'Oréal:
Das Kosmetikfirmen ihren Produkten einen wissenschaftlichen Anstrich versuchen zu geben ist nicht neu. Hinzu gekommen ist in der letzten Zeit vielleicht der Versuch, auch die Prozesse der Entstehung der Kosmetikprodukte wissenschaftlich erscheinen zu lassen.

Bislang lässt der Content des "Beautifull-Science" Blogs nicht auf eine Einflussnahme der Firma schliessen, L'Oréal kann aber kommunizieren: "Schaut her, wir machen so viel Science, wir haben sogar einen Blog bei Scienceblogs.de.

Der von dir ebenfalls geschätzte Marcus Anhäuser dort übrigens Co-Autor.


strappato   2010-07-08  
Das Blog passt schon ins Kommunikationskonzept von L'Oreal. Vielleicht schreibe ich das angefangene Posting doch noch zuende.


ebenholz   2010-07-09  
Wissenschaftler sehen die Unernehmenspolitik der Fastfood- und Brausekonzerne als mitursächlich für die schlechte Gesundheit der US-Bürger und die hohen dramatisch steigenden Ausgaben des Gesundheitssystems für die Behandlung von chronischen, ernährungsbedingten Erkrankungen.
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das problem dabei ist, daß auch die wissenschaftler, die die fastfood industrie oftmals nicht frei von interessenskonflikten sind. ich selbst bin schon bei recherchen zu einem anderen thema auf "experten" und "wissenschaftler" gestoßen, die eine gewisse nähe zu herstellern von gewichtsreduktions-präparaten (z.b. acomplia, das in der EU vom markt genommen wurde), oder lebensmittelherstellern haben.

sowohl colagetränke als auch fastfood gibt es seit jahrzehnten nicht nur in den USA. aber erst seit der jahrtausenwende werden die menschen davon zu dick?

interessant wäre zu erfahren, ob sich in den letzten jahren die zusammensetzung der produkte geändert hat und das möglicherweise ein grund dafür ist, oder ob die zahlen der adipösen nicht durch manipulationen am BMI in die höhe geschnellt sind.


hockeystick   2010-07-09  
Da ist sicher was dran, dieser Komplex war ja auch schon Thema hier im Blog:

http://gesundheit.blogger.de/stories/760902/#comments

http://gesundheit.blogger.de/stories/1500653/

Während ich bei vielen Ernährungsempfehlungen extrem skeptisch bin, spricht doch auch für mich rein anschaulich einiges dafür, dass der andauernde Konsum von stark gezuckertem Wasser der Gesundheit und dem Wohlbefinden weniger zuträglich ist als der von Leitungs- oder Mineralwasser.


ebenholz   2010-07-09  
Während ich bei vielen Ernährungsempfehlungen extrem skeptisch bin, spricht doch auch für mich rein anschaulich einiges dafür, dass der andauernde Konsum von stark gezuckertem Wasser der Gesundheit und dem Wohlbefinden weniger zuträglich ist als der von Leitungs- oder Mineralwasser.

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ich bin auch eher der wassertrinker, gegen eine cola von zeit zu zeit habe ich jedoch auch nichts. auch nichts gegen hamburger, die mach` ich mir dann aber lieber selber.

vielleicht ist es aber auch so, daß dieses ganze zucker- und fettersatzzeug bei lightprodukten das dicksein erst fördert. vielleicht sind die leute ja nicht dick im sinne von fett, vielleicht plustern die sich so auf, weil sie mehr wasser als sonst einlagern, und das wird auf natürlichem wege nicht mehr ausgeschieden. keine ahnung. ich bin auch kein wissenschaftler oder arzt.

von 1-2 pro monat einen hamburger und zwischendurch mal einer (richtigen) cola kann eigentlich niemand aus dem leim gehen, wie ein hefeteig. meine meinung als auch-hausfrau.

ich persönlich neige eher nicht zu VT, aber es würde mich auch nicht aus den socken hauen, wenn sich mal herausstellen würde, daß man dem volk absichtlich dickmacher unterschiebt, nur um dann das neue entwickelte, noch patentgeschützte superpräparat präsentieren zu können.

schlimm eigentlich, daß man schon so denkt.


strappato   2010-07-09  
Ich denke, man muss das auch vor dem Hintergrund der Dramatik sehen, die das Thema Ernährung und Gesundheit in den USA hat. Ein Satz der immer wieder fällt ist, dass die Pepsico vorgibt Teil der Lösung zu sein, und ignoriert, dass sie Teil des Problems sind.


ebenholz   2010-07-09  
Satz der immer wieder fällt ist, dass die Pepsico vorgibt Teil der Lösung zu sein, und ignoriert, dass sie Teil des Problems sind.
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ich weiß. wobei mich aber auch das gefühl beschleicht, daß im hintergrund etliche pressure groups sitzen, deren vorrangiges ziel generell die "bösen" konzerne sind.

ein weiterer grund für nachlässigen umgang mit der ernährung könnte auch sein, daß immer mehr menschen (nicht nur in den USA) in relativ kurzer zeit ihre gesicherten verhältnisse verlieren, und durch die belastung durch mehrere jobs, dann eben die zeit für die essenszubereitung flachfallen muß. niemand stellt sich nach dem 3. job abends (oder wann auch immer) in die küche und zaubert ein lecker menü mit lauter gesunden zutaten. zumal frische sachen zumindest hier in deutschland nicht gerade billig sind. da kostet ein kilo obst oder gemüse mehr als ein kilo hackfleisch. was essen die leute dann wohl?


hockeystick   2010-07-20  
Don Alphonso fasst die Geschichte in der FAZ zusammen.








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