Homöopathie-Gedanken Vorab: Ich war noch nie in homöopatischer Behandlung, habe keine Globuli geschluckt und stehe dem Therapiekonzept nicht sonderlich wohlwollend gegenüber. Die Diskussion um die Homöopathie ist eine Stellvertreterdebatte. Bei Homöopathie kann jeder mitreden, alle kennen jemanden, den es geholfen hat oder sind erbitterte Gegner. Wissenschaftliche Studien gibt es auch keine, was das diskutieren erheblich vereinfacht. Im Grunde geht es um die Frage, was die gesetzliche Krankenversicherung angesichts der von den Medien dramatisierten Lage in Zukunft bezahlen soll. Wir sollten aufpassen. Das Fass, das derzeit geöffnet wird ist bodenlos und wird genauso schwer zu stoppen sein, wie das BP-Bohrloch im Golf von Mexiko. Am Ende kann die Solidargemeinschaft mit den Bach runter gehen. Es gibt viele Therapien, die wissenschaftlich auf fragwürdigen Grund stehen. Alle streichen. Behandlungen, die vom Patienten nicht durchgeführt werden, z.B. wenn er die Medikamente zu früh absetzt oder unregelmässig nimmt. Bessere Kontrolle mit Hausbesuch. Therapien, die Wellness-Charakter haben, wie manche Physiotherapien, wo der Therapeut eine medizinische Massage abrechnet, aber eher ein Entspannungsmassage macht. Streichen. Kieferorthopädie ist bis auf Ausnahmefällen eher ästhetisch statt zahnmedizinisch indiziert, Studien zur besten Methode bei bestimmten Fehlstellungen gibt es nicht. Weg damit. Selbstverschuldete Erkrankungen, ob durch Übergewicht oder durch das Kurvenkratzen auf dem Motorrad können gesondert versichert werden. Familienversicherung kann der Staat tragen, aber zu mit verminderten Leistungen. Mir fiele da noch viel ein. Natürlich muss sich die Gesellschaft und die Versichertengemeinschaft Gedanken machen, wie der medizinische Fortschritt und die demographischen Herausforderungen mit der Finanzierung in Einklang zu bringen sind. Jedoch diese Debatte, bei der jeder mit dem Finger auf was anderes zeigt, im Zweifel etwas, was ihn nicht belastet, bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil. Willkür ist die schlechteste Option bei dieser politischen Entscheidung. Am Ende zählt der Konsenz. Obwohl es den Homöopathie-Kritikern (mir auch) nicht gefällt: Die Patienten haben ihre Entscheidung getroffen und trauen der Homöopathie und Naturheilkunde oftmals mehr als allen Lauterbachs auf dieser Welt. [Politik]
plazebo 2010-07-14 Kein schlechter Gedanke.
Die diskutieren sich woanders die Köpfe heiss.
Was mich erstaunt ist, dass so getan wird, als hätten wir eine Ärzteschwemme und die Kollegen wüssten nichts mit ihrer Zeit anzufangen, ausser stundenlange homöopathische Anamnesen zu führen. Tatsache ist doch, dass nur wenig Ärzte überhaupt sich eine Stunde Zeit für einen Patienten nehmen können. Selbst wenn es "on-top" zu dem Regelleistungsvolumen draufkommt, ist 90 Euro nicht die Welt für die Anamnese, Dokumentation und Abrechnung. Fortbilden müssen sie sich auch noch, zusätzlich zu der normalen Fortbildung. Das wird immer eine Nische für wenige Ärzte bleiben und dementsprechend ein begrenztes Ausgabevolumen haben. Man darf das nicht an der Zahl der Ärzte mit "Homöopathieschein" oder an den Verträgen teilnehmenden Ärzte festmachen. Da wird erstmal was gezeichnet, weil es dem verzweifelten Arzt Mehreinnahmen verspricht. In der Praxis, wenn das Wartezimmer überquillt, sieht das dann anders aus. Bei den 4000 Ärzten im DZVhÄ sind sehr viele Ärzte mit Privatpraxen dabei oder Ärzte, die Homöopathie nur Privatpatienten anbieten. Im Übrigen der Zusatz "Homöopathie" auf dem Praxisschild ist alleine schon positiv fürs Image. ponderevo 2010-07-16 Nocebos
Immer, wenn ich diese Praxisschilder mit dem Zusatz "Homöopathie" sehe, frage ich mich, was den Arzt wohl dazu motiviert hat.Glaubt er selbst an Homöpathie? Glaubt er nicht an Homöopathie, freut sich aber über das Zusatzgeschäft? Glaubt er nicht an Homöoapthie, ist sich aber der Macht des Placeboeffekts bewusst und setzt das Ganze deshalb gezielt bei Krankheiten ein, bei denen sich sonst nicht so viel machen lässt (Schmerzsyndrome etc.)? Für mich als Patienten würde das schon einen Unterschied machen. Da ich selbst nicht an Homöopathie glaube, würde ein Arzt, der mir Homöopathika verschreibt, bei mir eher Nocebo-Effekte auslösen und mich zu einem Arztwechsel veranlassen. Aber vielleicht wäre es für mich persönlich gesünder, den Placeboeffekt auszunutzen und einfach mal so spaßeshalber dran zu glauben, sollte ich je in die Situation kommen? >> Kommentieren not quite like beethoven 2010-07-14 Zum Thema würde ich mir wünschen, dass mehr bzw. ohne Rücksicht auf Stakeholder über sinnvolle Weisen der Kosteneinsparung bei Ausgaben im Rahmen der "normalen" Schul- oder auch technisierten Medizin diskutiert würde. Anstattt sich nur entweder auf die Einnahmen-/Beitragsseite oder "exotische" Ausgaben zu kaprizieren. (Mit technisiert meine ich übrigens sowas wie das Cochlea Implantat.) reg2top 2010-07-14 Entscheidung getroffen
"Die Patienten haben ihre Entscheidung getroffen und trauern der Homöopathie und Naturheilkunde oftmals mehr als allen Lauterbachs auf dieser Welt"Das glaube ich nicht! Die Kette geht so: Geld (Pharmafirma) - Lobby - Ärzte (meist HA (ohne Wertung)) - Patient Und der 'arme Mensch' denkt auch noch er sei gut beraten von seinem ach so gut informiertem HA/KKH od gar über die Medien. Echte Transparenz brächte zB als Anfang mal die Rechnung für den Patienten. Wer, was, warum, wie viel! Ganz (zu) einfach. Bei meinem KlooInstallateur ist das selbstverständlich. gut schwitz! alraun
Das mit den Rechnungen ist ein alter Hut und wird nichts bringen, ausser noch mehr Verwaltungskosten. Denn der Arzt wird kaum noch nach Einzelleistungen bezahlt. Stattdessen fassen Fallpauschalen und Leistungskomplexe Behandlungsschritte zuzsammen. Der Vertragsarzt bekommt sein Geld auch nicht von der Krankenkasse, sondern von der Kassenätztlichen Vereinigung, die die mit den Krankenkassen vereinbarte Gesamtvergütung verteilt. Der Verteilungsmassstab variiert zwischen den 17 regionalen KVen. Zwar gibt es nun einen Einheitlichen Bewertungsmassstab (EBM) der Euro für den Wert von Leistungen ausweist, jedoch hat jede Praxis eine indiduelle Kappungsgrenze, das "Regelleistungsvolumen". Darüber hinaus erwirtschaftete Leistungen werden nur mit hohem Abschlag vergütet. Wenn das System nicht schon kompliziert genug wäre... Neben dem EBM gibt es auch Direktverträge zwischen den Krankenkassen und Ärzten, z.T. unter Einbeziehung der KVen. Beispielsweise die Hausarztverträge. Hier ist die Vergütung auch von der Erreichung von bestimmten Qualitätsindikatoren abhängig. Auch die Homöopathie-Verträge sind solche Direktverträge.
Das ist nur ein grober Einblick in die Bezahlung. Ich hoffe, es wird deutlich, dass die Idee, dem Kassenpatienten Rechnungen auszustellen nur funktioniert, wenn das System, wie Ärzte an ihr Geld kommen, komplett und radikal verändert wird. Wer das vorschlägt, fordert im Grunde eine radikale Gesundheitsreform. >> Kommentieren doc_mf 2010-07-15 by the way - toller blog, bin schon lange fan! stollovo 2010-07-15 Lektüre empfohlen...
Ted Kaptchuk hat sich ein paar kluge Gedanken gemacht zur Homöopathie, Ärzten und Placeboeffekten und wie man diese studieren könnte. Das könnte die Debatte inhaltlich voranbringen statt sie im Sommerloch der Kostenreduktion im Gesundheitswesen zu versenken.http://www.bmj.com/cgi/content/full/336/7651/999 http://www.jameslindlibrary.org/trial_records/19th_Century/storke/storke_commentary.html http://www.annals.org/content/138/5/393.full >> Kommentieren plazebo 2010-07-15
Über primärer und sekundäre Endpunkte, Ein- und Ausschlusskriterien, Dosierung, Therapieregime, Outcome-Parameter, Sponsor-Bias, Studiendesign, Impact-Factor und andere Merkmale, die in die Beurteilung von Evidenz eingehen, braucht man sich wohl keine Gedanken machen. Das erleichtert die Debatte ungemein. Tatsache ist doch, dass nur noch Fachleute die Erstattungsentscheidungen des G-BA oder die Bewertungen des IQWiG nachvollziehen und sich darüber ein Urteil bilden können. Das fällt hier weg und fordert geradezu zur breiten Diskussion auf.
>> Kommentieren kandreas 2010-07-22 Bah, gemeines Volk!
"Bei Homöopathie kann jeder mitreden, alle kennen jemanden, den es geholfen hat oder sind erbitterte Gegner. "Dabei wären die Damen und Herren Experten doch so gerne unter sich geblieben?! Ich kann nicht über jedes Thema im Detail bescheid wissen (selbst dann nicht, wenn ich dafür Geld bezahlen muss), aber ehrlich gesagt brauche ich keine Experten, die, anstatt mich aufzuklären, mir nur ein "Geschlossene Gesellschaft"-Schild vor die Nase halten. Das ist nicht böswillig gemeint, sondern eine ernst gemeinte Beschwerde. In unserem Mailkontakt ist mir auch hin und wieder ein "Jaja, aus deiner Laiensicht ist das schon ganz gut wiedergegeben" aufgefallen. Ich sach ma so: Das ist aus deiner Insidersicht schon ganz gut nachvollziehbar. Aber könntest du das trotzdem ein bisschen zurückfahren? Danke ;o) >> Kommentieren |
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