Meinungsbildner ohne Geldsorgen

Was ist denn nun drin an Nebeneinkünften für einen Medizinprofessor?

Der Rostocker Krebsspezialist Matthias Freund, eher ein Experte aus der zweiten Reihe, legt seine Einnahmen im Internet offen und kommt in guten Jahren auf rund 25.000 Euro an Nebeneinkünften. Man konnte bereits vermuten, dass das für die etablierten Meinungsbildner in lukrativen Marktsegmenten kein Maßstab sein kann.

Psychopharmaka sind bekanntermaßen so ein Segment. US-Senator Chuck Grassley, seit längerem an den Verbindungen zwischen Pharmaindustrie und Wissenschaft interessiert, hat nun weitere interessante Zahlen pdf-Dateizutage gefördert. Melissa DelBello, nur ein "Associate Professor" an der University of Cincinnati und noch nicht lange im Geschäft, dafür aber im besonders umkämpften Feld Kinderpsychiatrie, hat nach seinen Informationen alleine im Jahr 2003 über 100.000 Dollar (zum damaligen Kurs rund 83.000 Euro) von AstraZeneca erhalten. Nach Angaben von AstraZeneca soll es sich dabei um Beratungs- und Vortragshonorare, Honorare für die Mitarbeit im "Advisory Board" und Reisekostenerstattungen gehandelt haben. Weitere 80.000 Dollar erhielt sie von AstraZeneca im Jahr 2004, weitere 238.000 Dollar in den Jahren 2005 bis 2007. Gegenüber ihrem Arbeitgeber hat sie offenbar weit geringere Summen offengelegt.

Im Jahr 2002 war DelBello Erstautorin einer Studie gewesen, die in die Leitlinien zur Behandlung von Kindern mit dem AstraZeneca-Medikament Seroquel® eingeflossen war. Die Studie hatte eine für das Medikament positive Bewertung des Nutzen-/Risikopotentials bei der Behandlung von Bipolaren Störungen ergeben.

AstraZeneca ist für Frau DelBello nicht die einzige Quelle von Nebeneinkünften. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2007 gibt sie folgende potentielle Interessenkonflikte an:
Dr. DelBello has disclosed the following relevant financial relationships: AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, and Pfizer: Consultant; AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Pfizer: Speakers’ Bureau; and Abbott Laboratories, AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, Janssen, Johnson and Johnson, Pfizer, and Shire: Research Support Recipient.

(Hat Tip: WSJ Health Blog)

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DelBello hat bislang nicht zu Anfragen von Journalisten Stellung genommen:
The university said she was taking care of patients and wasn’t available.
Ihr Foto, gestern noch online, ist mittlerweile von ihrer Homepage verschwunden. Ob ihr soviel geschäftlicher Erfolg peinlich ist?
 
[Ethik & Monetik]
Autor: hockeystick   2008-04-09   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  


strappato   2008-04-09  
Was mir gestern schon aufgefallen ist: Diese Awards-Geschichte. Hier wird deutlich, wie Pharmaunternehmen junge, Erfolg versprechende Wissenschaftler an sich binden. Lilly Fellowship Award, Lilly Pilot Research Award, Excellence in Psychiatry Award Organon, Bristol-Myers Squibb Travel Award. Das sind nur die, wo ein Pharmakonzern direkt genannt ist. Die anderen, von den Fachverbänden verliehenen werden natürlich offen von Pharmaunternehmen gesponsert. So wird schon früh eine Verbundenheit erzeugt. Diese Awards sind ja immer mit Dinner, Vorträgen und anderen Gelegenheiten verbunden, wo sich Award-Gewinner und Sponsor kennenlernen können. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.


hockeystick   2008-04-09  
Gelegentlich fungieren sie auch als so eine Art Lifetime Achievement Award.








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