Conflict of interest

Die Pharmaindustrie bezahlt klinische Experten - für Studien, für Vorträge, für Beratung und viele andere Dinge. Ein australischer Artikel verdeutlicht die Folgen: Es gibt keine Spezialisten, die keinen "conflict of interest" haben. Für Gremien, die den Nutzen und die Erstattung von Medikamenten und Medizinprodukten beurteilen müssen, finden sich kaum unabhängige Experten.

Wenn in Deutschland zukünftig Entscheidungen über die Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung verstärkt auf Basis von Evidenz und Kosten-Nutzen-Bewertungen getroffen werden, dann wird der "conflict of interest" ein echtes Hindernis. Beim IQWiG müssen externe Sachverständige potentielle Interessenskonflikte offenlegen. Das geht von Honoraren bis zu persönlichen Beziehungen. Ob das langt? Mit der Bedeutung des IQWiG für den Erfolg eines Produkts wird auch die Einflussnahme durch die Unternehmen steigen. Wie das in anderen Ländern aussieht ahne ich, wenn die Kunden uns nach dem "Mr. IQWiG" fragen, den sie als Key Opinion Leader nach allen Regeln der Kunst bearbeiten wollen.

[via Pharma Watch]
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-08-10   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  


chat atkins   2006-08-10  
Hier in Bremen hätten wir das BIPS (Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin). Dann gäbe es noch diesen Prof. Glaeske. Die Stiftung Warentest hat gerade einen Medikamentenführer herausgegeben.

Alles verbandelt?


strappato   2006-08-10  
Die Damen und Herren aus dem medizinisch-theoretischen Fächern wie Sozialmedin (Prävention, Epidemiologie), Pharmakologie, Rechtsmedizin u.s.w. sind auch deswegen "sauberer", weil sie für die Pharmaindustrie uninteressant sind. Primär sind klinische Experten gefragt. Nur sie können qualitiativ hochwertige Studien leiten, Therapien beurteilen, Therapieempfehlungen geben oder haben bei ihren Kollegen als Key Opinion Leader Einfluss auf die Anwendung.

Glaeske ist ja auch für den Arzneimittelreport der GEK verantwortlich. Das ist ein grober Rundumschlag, auch weil die Datenlage der Krankenkassen zur Zeit nicht mehr hergibt. Das hat mit der Versorgungswirklichkeit nicht viel zu tun. Denn die Effizienz einer Arzneimitteltherapie ist nicht nur von Kosten und möglichen Einsparungen durch Analogwirkstoffe und Generika abhängig, sondern auch von Faktoren wie Compliance/Adhärenz, Nebenwirkungen, Darreichungsform und vielen anderen Dingen.

Aktuelles Beispiel: In einer kürzlich erschienen Studie wurde gezeigt, dass ein opioides Schmerzmittel (patentgeschützt) Vorteile gegenüber Morphin hat, da das Risiko für Frakturen beim Patienten erheblich verringert ist. Grund dafür ist, dass es "nicht so dusselig im Kopf macht". Das könnte bedeuten, dass die Mehrkosten durch die Frakturen (bei älteren Patienten oft Oberschenkelhalsbruch mit Hüftendoprothese, Reha und Pflegebedürftigkeit) höher sind, als die Einsparungen durch das preiswertere Morphin. Hier setzt die Pharmakoökonomie an: Bei welchen Patienten? Welche Frakturen? Welche Kosten?

Wenn wir bei der Schmerztherapie sind. Der Arzneimittelreport betont, dass durch die Verschreibung des preiswerteren Morphins gegenüber anderen Opioiden Ausgaben gespart werden können. Was nicht gesagt wird: Bei der Schmerztherapie haben wir in Deutschland eine Unterversorgung. Wenn alle Schmerzpatienten nach den anerkannten Leitlinien und dem WHO-Stufenschema behandelt werden würden, dann hätte das erhebliche Mehrkosten zur Folge. Die möglichen Einsparungen, die von der Politik bei der Vorstellung dieser Berichte hervorgehoben werden, sind reines Wunschdenken.

Was wir brauchen sind mehr Kosten-Nutzen-Bewertungen und kein stupides Zusammenzählen von Krankenkassendaten. Ich hatte heute einen HTA-Bericht über die Kosten-Nutzen-Analyse der Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis in der Hand: 200 Seiten schwere Kost.

Leichter ist es, die verschriebenen Dosen aufzusummieren, mit den Vorjahren zu vergleichen und Einsparpotentiale zu postulieren und sich hinterher von den Gesundheitspolitikern feiern zu lassen.








Stationäre Aufnahme












Letzte Beiträge und Kommentare /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  OH!!!  (kelef)  /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  Subjektive Wahrnehmung  (casadelmar)  /  Sehr interessante Sichtweise,...  (akademischer ghostwriter)  
Zum Kommentieren bitte einloggen

Metainfos über das blog. Kontakt: strappato.

search noeszett Add to Technorati Favorites rss