Ein Drittel der Antidepressiva-Studien unveröffentlicht

Die Hersteller von Antidepressiva, darunter SSRI-Blockbuster wie wie Prozac® (Fluctin®) oder Paxil® (Seroxat®), haben rund ein Drittel der klinischen Studien, die zur Zulassung eingereicht worden sind, nie veröffentlicht. Diesen Publication-Bias berichteten Wissenshaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "New England Journal of Medicine" (NEJM).

Die Autoren untersuchten die Zulassungsstudien von 12 Wirkstoffen an denen insgesamt 12.564 Patienten teilnehmen und verglichen die Ergebnisse mit den Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Von den Studien mit positiven Ergebnissen wurden 37 veröffentlicht, eine Studie war nicht in der Literatur zu finden. Mit Ausnahme von drei Fällen wurden 22 Studien, die von der FDA als negativ oder fragwürdig bewertet worden waren, nicht der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, bzw. in 11 Fällen war bei der Veröffentlichung nach Meinung der Autoren trotzdem ein positives Ergebnis herausgekitzelt worden.

Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Wahrnehmung. Wenn man die veröffentlichten Ergebnisse betrachtet, scheint es, dass in 94% der Studien positive Wirkungen der Antidepressiva auf die Studienteilnehmer gefunden worden waren. Wenn alle Zulassungsstudien betrachtet werden, brachten nur 51% der Studien ein Vorteil für die Patienten. Eigentlich nicht verwunderlich, da in klinischen Untersuchungen 60% der Patienten eine Besserung ihrer depressiven Symptome nach der medikamentösen Behandlung berichteten, jedoch auch 40% der Patienten, die ein Plazebo erhalten hatten.

Einige Reaktionen auf die Ergebnisse sind in dem Artikel der NY Times zusammengefasst.

Es wird argumentiert, dass die Daten aus der Zeit vor der Verpflichtung zur Einrichtung von Studienregistern stammten. Diese sind jedoch bei der Vielzahl der klinischen Studien, die weltweit durchgeführt werden nicht sehr transparent. Die Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift oder die Präsentation auf einer wissenschaftlichen Tagung lenkt Aufmerksamkeit auf das Produkt und wird strategisch zum Marketing eingesetzt. Eine "Publication Strategy" ist Teil der Entwicklung und der Vermarktung des Wirkstoffes. Die Herausgeber der Fachzeitschriften haben ihren Anteil dran, dass Pharmakonzerne unerwünschte Studienresultate verdrängen können.

Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R. Selective Publication of Antidepressant Trials and Its Influence on Apparent Efficacy. NEJM 2008;358:252-260.
 
[Klinische Studien]
Autor: strappato   2008-01-17   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  


mager   2008-01-21  
Mehr Manipulitits
http://pharmagossip.blogspot.com/2008/01/and-while-were-on-subject-of-spinning.html


hockeystick   2008-01-21  
Frage an den Fachmann: Wie kommt das Ärzteblatt dazu, ENHANCE als eine Endpunktstudie zu bezeichnen? Für mich ist die Messung der IMT in der Halsschlagader ein reinrassiger Surrogatparameter.


gosso   2008-01-21  
Sehe ich genau so. Wohl eher der Surrogatparameter eines Surrogatparameters. Habe aber mal irgendwo gelernt, dass man eine Kombination verschiedener Surrogatparameter als harten Enpunkt definieren kann. Bei Ultraschallverfahren erscheint mir das eher-naja-"challenging"...?!


hockeystick   2008-01-21  
LDL ist noch eine Stufe "surrogatiger". Etwa so wie bei einem Reifen. Die Hypothese ist, gezacktere Profile (niedrigeres LDL) führen zu einem kürzeren Bremsweg (weniger Ablagerungen) und damit zu weniger Auffahrunfällen (Herzinfarkten) und damit zu weniger Auffahrunfalltoten (Herzinfarktmortalität) und damit zu weniger Unfalltoten (Gesamtmortalität). Ein neuer Reifen mit noch gezackterem Profil führt aber zu einem eher längeren Bremsweg. Und jetzt sagt der Hersteller: Wartet erst mal ab, vielleicht gibt es ja trotzdem weniger Auffahrunfälle, schließlich hat mein Reifen mehr Zacken.








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