Eingeschränkter Kampf gegen Keime

Journalismus in Deutschland: Kampf gegen Keime titelte gestern die Kölnische Rundschau und kündet von den Taten des NRW-Gesundheitsministers Laumann bei der Prävention von multiresistenten Erregern (MRSA) im Krankenhaus:
In einem Erlass hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Kliniken dazu verpflichtet, die strenge Hygiene-Richtlinie des Robert-Koch-Instituts gegen multiresistente Keime (MRSA) einzuhalten. Dazu gehört auch ein wenige Euro teurer Test aller neu eingelieferten Patienten per Nasenvorhof-Abstrich.

An dieser Kernaussage des Artikels stimmt nichts. Was sich hier im blog schon Mitte März andeutete. Das Dokument liegt mir seit einigen Tagen nun vor.
  • Die Aktualität: Der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) ging am 20 März, also vor fast 2 Monaten raus.
  • Der Empfänger: Der Erlass richtet sich an die untere Gesundheitsbehörden, also die Gesundheitsämter - nicht die Kliniken.
  • Die Massnahmen: Das Robert-Koch-Instituts (RKI) empfiehlt, Personen mit besonderem Risiko (beispielweise mit bekannter MRSA-Anamnese) zu testen, und nicht alle neu aufgenommenen Patienten. Eine möglicherweise angemessene, aber im Vergleich zu anderen Ländern nicht besonders "strenge" Richtlinie.
  • Die Kosten: Der Preis ist von der Art des Tests und des Vertrags mit dem Anbieter inkl. Geräte und Wartung abhängig. Aber mit "wenigen Euro" wird man nicht auskommen. Kulturbasierte Schnelltests sind unter 10 Euro nicht zu machen, als molekularbiologischer MRSA-Direktnachweis über PCR kann man locker das doppelte und mehr ansetzen.
Das RKI in der der pdf-Dateiaktuellen Stellungnahme von 2005 zum Management des MRSA-Screenings:
Das RKI hat kürzlich gemeinsam mit der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die Empfehlungen für das MRSA-Screening hinsichtlich der bei der stationären Aufnahme einzubeziehenden Patientengruppen konkretisiert. Danach sind besonders Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese, Patienten, die aus Regionen bzw. inrichtungen mit bekannt hoher MRSA-Prävalenz verlegt werden, Kontaktpatienten von MRSA-Trägern, aber auch Patienten mit chronischer Pflegebedürftigkeit, liegenden Kathetern, Dialysepflichtigkeit, Hautläsionen chronischen Wunden und Brandverletzungen als Risikopatienten anzusehen.

Nach dem Erlass sollen die Gesundheitsämter gezielt darauf hinwirken, dass die Krankenhäuser in NRW konsequent ihr Präventions-Management fortführen beziehungsweise intensivieren.
Insbesondere ist sicherzustellen, dass bei der inhaltlichen Umsetzung der o.g. Empfehlungen folgende grundlegenden Strategien zur Prävention der Weiterverbreitung von MRSA beachtet bzw. umgesetzt werden:
- Identifizierung, Erfassung und Bewertung von MRSA (Surveillance nach § 23 Abs. 1 IfSG) und Untersuchung von Risikopatienten auf MRSA bei der Aufnahme ins Krankenhaus,
- strikte Umsetzung geeigneter Hygienemaßnahmen,
- Sanierung von MRSA-Trägern (auch bei medizinischem Personal),
- kontrollierter Einsatz von Antibiotika zur Vermeidung eines die Verbreitung von MRSA fördernden Selektionsdrucks und
- Sicherstellung eines angemessenen Verlegungs- und Entlassmanagements.

Keine Testung aller Patienten, keine direkte Anweisung an die Kliniken und keine Empfehlungen, die über die des RKI hinausgehen. Meilenweit von der vollmundigen Ankündigung im Januar entfernt.

Eines muss man Minister Laumann lassen. Eine gute Presse hat er in seinem Bundesland. "Der Westen" hat die Meldung auch übernommen, die Westfälischen Nachrichten in ähnlicher Weise.

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Anmerkung:
Dem Erlass ist ein Anhang mit der Auswertung einer Befragung von Kliniken in NRW beigefügt. Danach gaben die Kliniken im Mittel 1,9 MRSA-Fälle pro 1000 Patiententage an. Fast die Hälfte der antwortenden Krankenhäuser (46%) machte zu Nasenabstrichen auf 1000 Aufnahmen keine Angaben. 38% gaben zwischen 1 und 45 Nasenabstriche auf 1000 Aufnahmen an. Der Mittelwert lag bei 62,3 pro 1000 Aufnahmen - weil es einige Kliniken gab, die relativ viele Tests durchführten. In einer Region in NRW läuft das MRSA-net EUREGIO-Projekt, das von den teilnehmenden Kliniken ein intensives Screening fordert. In Düsseldorf gibt es ebenfalls Krankenhäuser, die jeden Patienten testen. In der Analyse des Ministeriums wird die Einschätzung der Gesundheitsämter, dass 57% der Krankenhäuser die RKI-Richtlinie umsetzen kritisch hinterfragt, weil von einer kompletten Umsetzung aller Empfehlungen nicht auszugehen sei, vor allem bestünden Lücken bei kostenintensiven Massnahmen wie Screening und Isolierung.

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Die Westdeutsche Zeitung hat das mit den Risikopatienten verstanden, aber der Erlass richtet sich für die Journalistin wieder an die Kliniken.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-05-15   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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