Gesundheitsreform bringt Mehrausgaben für Selbstständige und Freiberufler

Mit dem 1.1.2009 wird die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung in vollem Ausmass wirksam. Über den Gesundheitsfonds wurde in den Medien ausreichend diskutiert. Unbeachtet blieb bisher eine für Freiberufler und Selbstständige relevante Änderung.

Diese freiwillig Versicherten werden nicht nur durch den hohen Beitragssatz von wahrscheinlich deutlich über 15% belastet, sondern darüber hinaus muss das Krankengeld nun extra versichert werden. Selbstständige konnten bisher über ihre freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse auch eine Krankengeldversicherung abschliessen, was dem normalen Beitragssatz entsprach. Ab 2009 müssen sie sich nach Alternativen umsehen. Notwendig macht dies die Änderung des Paragrafen 44 SGB V: "Keinen Anspruch auf Krankengeld haben hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige."

Die Krankenkassen müssen Wahltarife gegen eine Zusatzprämie anbieten. Damit nicht genug, denn der Versicherte muss sich dann 3 Jahre an die Krankenkasse binden. Kündigung und Sonderkündigungsrecht, wenn die Krankenkasse Zusatzbeiträge fordert, sind in dieser Zeit ausgeschlossen. Natürlich auch der Wechsel in eine private Krankenversicherung.

Wenn man davon ausgeht, dass freiwillig Versicherte zur Zeit eher in einer günstigen gesetzlichen Krankenkasse sind, kommen auf die Versicherten, sofern diese selbstständig sind, Mehrausgaben vermutlich von fast 5%-Punkte für die Sozialversicherung zu.

Eine schwere Wahl für Selbstständige und Freiberufler. Private Versicherungsalternativen, ob Vollversicherung oder private Krankengeldversicherung setzen eine Gesundheitsprüfung voraus und die Familie muss extra versichert werden. Am Ende werden sich viele Freiberufler, besonders die ein geringes Einkommen haben, gegen eine Krankengeldversicherung entscheiden. Und damit bei längerer Krankheit in Hartz IV fallen.

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In den Kommentaren wurde darauf hingewiesen, dass es einen speziellen Beitragssatz für Versicherte ohne Krankengeldanspruch geben wird. Bisher sind es für Freiberufler mit niedrigem Einkommen (z.B. bei der Barmer) rund 15 Euro Unterschied. Es ist trotzdem zu befürchten, dass ein Wahltarif für das Krankengeld teurer kommen wird, als die Einsparung durch den ermässigten Beitrag. Genaues wissen wir am 8. Oktober - dann sollen die Beitragssätze verkündet werden.

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Update 7.10.2008

Wie es ab 1.1.2009 laufen wird, am Beispiel Barmer Ersatzkasse.

Der ermässigte Beitragssatz beträgt im Gesundheitsfonds 14,9%. Dazu kommt bei der Barmer für die Krankengeld-Wahltarife noch 0,2% bis 2,8% des Arbeitseinkommens hinzu. Neben der Tarifklasse (Beginn des Krankengeldanspruchs 15., 22., 43. oder 92. Tag der Arbeitsunfähigkeit) ist das Alter des Versicherten entscheidend. Die Barmer nennt als Beispiel für einen 45-Jährigen mit Absicherung ab dem 15. Erkrankungstag einen Beitragssatz von 1,6%.
 
[Sozialstaat]
Autor: strappato   2008-09-10   Link   (9 KommentareIhr Kommentar  


verhuscht   2008-09-11  
"Mehrausgaben" muss nicht sein
Derzeit zahlt man als Selbständige/r bei seiner Gesetzlichen einen erhöhten Beitragssatz, wenn man mit Krankengeld ab dem 22. Tag versichert ist, den normalen Beitrag, wenn man mit Krankengeld nach 6 Wochen versichert ist und einen ermäßigten Beitrag, wenn man ohne Krankengeld versichert ist. Mit dem Krankengeldanspruch fallen auch die unterschiedlichen Beitragssätze weg und jeder Selbständige zahlt nur noch den ermäßigten Beitragssatz. Dafür kann man sich dann seinen Nettolohnausfall durch einen Krankengeld-Wahltarif absichern. Bei einem Alter von 45 Jahren, Steuerklasse 3, keine Kinder, keine Kirchensteuer, keine Rentenversicherungspflicht zahlt man dann unter dem Strich bei meiner Gesetzlichen (die ich natürlich nicht nenne, ich heiße ja nicht Ba.....er oder St..ve) für den Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag je nach Einkommen zwischen 15 Euro und 45 Euro weniger als bisher. Bei Krankengeld nach 6 Wochen sind es immer noch zwischen 1,50 und 3 Euro weniger. Und das alles ohne Gesundheitsprüfung.


strappato   2008-09-11  
Jeder Selbstständige zahlt dann den Bundes-Einheitstarif, der in den Gesundheitsfonds fliesst. 15,5% werden dies, wird von den Experten prognostiziert. Während für die Angestellten dafür das Krankengeld ab der 7. Woche mit drin ist, müssen Selbstständige das zusätzlich versichern.

Die derzeitige Ermässigung bei Verzicht auf den Krankengeldanspruch entspricht nicht der Kalkulation der neuen Zusatztarife. Mal ein Beispiel: Die Barmer bietet mit der HUK zusammen einen Zusatzkrankengeld-Versicherung an. Für Männer im Alter von 45 Jahren sind dies 0,30 Euro Monatsbeitrag, je 1 Euro Tagegeld (ab der 7. Woche) - Frauen 0,41 Euro. Wenn wir das mal mit 70 Euro rechnen, macht das 21 Euro im Monat zusätzlich, 28,70 Euro für Frauen. Die TK will in Zusammenarbeit mit einem anderen Versicherungskonzern sogar 26,60 Euro für Männer für die gleiche Leistung. Das ist nur ein Anhaltswert.

Bei einem Einkommen von 1500 Euro entspricht das einer zusätzlichen Belastung für die sozial Absichrung von 1,5%-2,0%. Preiswerte Krankenkassen haben derzeit einen Beitragssatz von 13%. Der Gesundheitsfonds kostet 2,5%-Punkte mehr, der Wegfall des Krankengeldes als gesetzliche Leistung noch einmal 2% - macht 4,5% "Beitragserhöhung".

Die "IKK direkt" bietet Selbstständigen z.B. keinen Normaltarif mit Krankengeld an. Weil es sich nicht rechnet.

Mal konkret: Bei der TK (Beitragssatz 13,8%) muss der gesetzlich Versicherte Freiberufler mit bis zu 1863 Euro Monatseinkommen derzeit 273 Euro für die Krankenversicherung zahlen (+ 41 Euro Pflegeversicherung). Ab 1.1.2009 mit dem Gesundheitsfonds und angenommenen 15,5% Beitragssatz wären dies 288 Euro. Dazu noch 26 Euro für das Krankengeld, das ja bisher mit drin war. Ergibt 41 Euro im Monat zusätzlich.

Ich nehme an, dass die derzeitigen Zusatztarife für Zusatzkrankengeld, die im Krankheitsfall die Lücke zwischen dem gesetzlichen Anspruch und dem realen Einkommen schliessen sollen, eher für gute Risiken kalkuliert sind. Eine richtige Krankengeldversicherung als Wahltarif, nur für Freiberufler und Selbstständige, ohne Gesundheitsprüfung, wird anders aussehen. Und immer gilt: Drei Jahre Vetragspflicht.


verhuscht   2008-09-11  
Beitragssätze bleiben unterschiedlich
Nach Auskunft meiner Krankenkasse, die mir nicht weniger glaubwürdig erscheint, fällt zwar mit dem Start des Gesundheitsfonds der erhöhte Beitragssatz weg. Mitglieder ohne Anspruch auf Krankengeld zahlen aber ab 1. Januar 2009 nicht den Bundes-Einheitstarif, sondern den von der Bundesregierung festgelegten ermäßigten Beitragssatz.


strappato   2008-09-11  
Ich muss mich korregieren. Danke. Es wird einen ermässigten Beitragssatz für Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld geben. Zur Zeit beträgt der Unterschied nach einem kurzen Überblick 0.8%-1%. Bei der Barmer sind das z.B. 15 Euro. Für die 15 Euro wird man jedoch keinen Wahltarif bekommen.


verhuscht   2008-09-12  
Beitragsunterschiede
Nach Auskunft einer der bereits genannten Kassen beträgt der Beitragssatz-Unterschied zwischen ermäßigt und normal 1 % und zwischen ermäßigt und erhöht 2,9 %. Das Mindesteinkommen wird mit 1.863,75 Euro angesetzt. Bei 1.500 Euro Einkommen ermäßigt sich der Beitrag nach heutigen Bedingungen um 18, 64 Euro im Normaltarif. Als Wahltarif wird der Nettoverdienst-Ausgleich von dieser Kasse für 15,60 Euro angeboten. Gegenüber dem erhöhten Tarif beträgt die Ermäßigung durch den Krankengeld-Wegfall 54,05 Euro, während diese Kasse den Wahltarif für den Nettoverdienst-Ausgleich für 30,80 Euro anbietet. Ich habe den Eindruck, die derzeitige "Berichterstattung" ist mehr eine Panikmache. Es würde mich nicht wundern, wenn die Privatversicherungen dahinter stecken würden, weil sie wieder eine neue Klientel wittern.


hockeystick   2008-09-12  
Für diese These spräche, dass über das Thema in der Ärzte Zeitung berichtet wurde.


strappato   2008-09-12  
Die Privatversicherungen haben automatisch ab 1.1.2009 diese Klientel. Denn die gesetzlichen Krankenkassen werden die Wahltarife in Zusammenarbeit mit Versicherungskonzernen anbieten. Wie sie schon heute zusätzliche Versicherungsangebote haben.


verhuscht   2008-09-12  
Nicht alle. Die von mir befragte Kasse bietet den Wahltarif Krankengeld in Eigenregie an. Daneben gibt es von der gleichen kasse noch ein Angebot in Zusammenarbeit mit einer Privatversicherung.


strappato   2008-09-12  
Danke für die Information.








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