Interessenskonflikte durch Journalistenpreise

In einem Kommentar wurde ja schon darauf hingewiesen: Nachdem in den letzten Monaten in den englischsprachigen Medien die Ärzte und ihr intransparenter Umgang mit Interessenskonflikten Thema waren, haben Wissenschaftler des Dartmouth Institute for Health Policy and Clinical Practice zurückgeschlagen. In der aktuellen Ausgabe des British Medical Journal (BMJ) betonen Lisa Schwartz, Steven Woloshin, und Ray Moynihan, dass Ärzte sich den zunehmenden Verwicklungen von Medizinjournalisten mit der Pharmaindustrie bewusst sein sollen.

"The media play a role as society's watchdogs. Good medical journalism can expose links between doctors and rewards from pharmaceutical companies. But who's looking to see whether the journalists are being influenced?"
Man könnte meinen, Steven Woloshin sieht die Unfehlbarkeit der Ärzte durch die Bestimmtheit journalistischer Enthüllungen ersetzt.

Besonders die von der Pharmaindustrie ausgelobten Journalistenpreise und -reisen sind für die Autoren ein Einfallstor für gekaufte Meinung. Zu den zitierten Beispielen gehört ein Embrace Award für Reportagen über Inkontinenz, der mit Reisen nach Washington und Paris verbunden war und der von Eli Lilly and Boehringer Ingelheim ausgelobt worden ist. Im pdf-DateiGewinnerartikel aus Deutschland im Jahr 2006 hatte sich der Wissenschaftjournalist einfach als Arzt selber befragt. Ein Fall von besonders enger Beziehung zwischen Journalist und Arzt.

The authors were surprised by the widespread business of pharmaceutical and other healthcare businesses offering cash prizes and travel benefits to journalists.
Die hätten mal Markus Grill lesen sollen, der vor über einem Jahr in seinem Buch das "Preisbusiness" kritisch gewürdigt hat.
Das Problem bei den Journalistenpreisen besteht nicht darin, dass gute Artikel ausgezeichnet werden, sondern dass Pharmaunternehmen mit Medienpreisen gezielt Aufmerksamkeit für Krankheiten schaffen und damit eine Nachfrage nach medikamentöser Behandlung wecken.

Ein Blick auf einschlägige Aufstellungen mit Ausschreibungen umfasst allein in Deutschland Ehrungen wie den "Medtronic Medienpreis", den "Publizistikpreis der GlaxoSmithkline Stiftung", den "Wyeth - Journalistenpreis für Biotechnologie" oder den "proDente Journalistenpreis".

Len Bruzzese, Direktor des US-Verbandes der Medizinjournalisten, sieht es trotz allem positiv:
For the most part, he said, “journalists are good solid people who will avoid these conflicts, or they wouldn’t have entered journalism to begin with.

Das wüde ich für Medizinjournalisten in Deutschland nicht unterschreiben.

--
Was nicht erwähnt wird, sind beispielsweise Moderatorentätigkeiten bei Industrie-Symposien. Die Möglichkeiten, wie sich Medizinjournalisten von Pharmakonzernen abhängig machen können, sind vielfältig.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-11-24   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  


wolodja   2008-11-25  
Es ist bei manchen Journalist(inn)en...
schon mal von ganz interessant zu sehen von welchen Lobbyorganisationen und Verbänden sie "Journalistenpreise" für lobbykonforme Berichterstattung erhalten haben, nicht nur im Medizinjournalismus.

Die Moderatoren oder auch Referententätigkeiten diverser Experten lassen meistens auch seht schnell aufhorchen (wer Herrn Rürups Tätigkeiten bisher verfolgt hat, war vom Wechsel zu AWD wohl auch nicht im geringsten Überrascht).


dirk.kropp   2008-11-26  
Ein Blick verrät die Richtung aber nicht den Blickwinkel
Ihr Artikel beschreibt einen ärgerlichen Missstand der PR. Den inflationären Gebrauch von Preisen für Journalisten. Und auch die Schlussfolgerung, dass derartige Aktivitäten "ein Einfallstor für gekaufte Meinung" seien, teile ich.

Dennoch lege ich für den von proDente ins Leben gerufenen Journalistenreis "Abdruck" ein Veto ein. proDente zählt nicht zur Pharmaindustrie. Wir sind ein Verein, der von Zahnärzten, Zahntechnikern, Dentalindustrie und Dentalhandel getragen wird.

Und: Wir sind mit unserem Preis bestrebt, genau die ärgerlichen Auswüchse, die Sie beschreiben, nicht zu wiederholen. proDente hat schon Publikationen der AOK ausgezeichnet, obwohl die Krankenkassen und die Zahnärzte in Fragen der Gesundheitspolitik sicher nicht in einem Boot sitzen. 2008 wurde eine Artikelserie zum Thema Auslandszahnersatz gewürdigt, in dem differenziert verschiedene Sichtweisen geschildert wurden. Ein Thema, dass angesichts der wirtschaftlichen Situation der deutschen Zahntechniker, vielfach kein Entzücken in der Branche hervorruft.

Zudem wechseln wir jährlich unsere Jury, die sich immer auch aus Fachjournalisten und Hochschulprofessoren zusammensetzt.

Kurzum: Wir grenzen uns von halbseidenen Preisen ab. Von daher halte ich Ihre Aufzählung zumindest in unserem Fall für fahrlässig. Sie sollten auch weiterhin der Blick über den Tellerrand richten, aber häufiger den Blickwinkel ändern.

Mit freundlichen Gruß

Dirk Kropp, proDente e.V.








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