Oktoberfestbesucher mussten bluten (Update)

Fast wäre es vergessen worden. Ein Skandal, der in Bayern derzeit Wellen schlägt. Das Oktoberfest ist eine eigene Art von Intensivstation. Trotzdem gelten auch an solchen sozialmedizinischen Brennpunkten Gesetze und Ethik, sollte man meinen.

Report München hatte aufgedeckt, dass Besucher des Oktoberfestes 2004, die aufgrund ihrer alkohol-bedingten Ausfälle auf die Sanitätsstation des Bayerischen Roten Kreuzes gebracht worden waren, als unfreiwillige Testpersonen für obskure Studien dienten. Eine vom Gesetzgeber geforderte informierten Zustimmung war in diesem Zustand kaum ethisch sauber zu erlangen.

Da auch Blut abgenommen und untersucht worden war, möglicherweise ohne dass es eine medizinische Notwendigkeit gegeben hätte, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben des BRK habe der verantwortliche Arzt aus Leipzig erklärt, er habe von allen 405 Untersuchten unterschriebene Erklärungen. Allerdings habe er nur 178 Dokumente vorlegen können, so das BRK. Die Einverständniserklärungen sollen erst beim Verlassen der Sanitätsstation unterschrieben worden sein.

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Update: Es habe nicht nur im Jahr 2004, sondern auch von 2005 bis 2008 Bluttests unter Leitung eines Leipziger Arztes gegeben, wobei die Blutproben in einer Versuchsreihe ausgewertet wurden.
 
[Aerzte]
Autor: strappato   2009-09-07   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  


der landarsch   2009-09-08  
Wenn ich jetzt meine Patientenkartei durchforste, wievielen Patienten mit Hypertonus ich XY® gegeben habe, ist das eine Studie, die ich bei der Ethikkommisssion anmelden muss?

Oder wenn ich mir sage, die nächsten 10 Metoprolol-Patienten bekommen das Generikum von AB-Pharma, anstatt wie bisher RF-Pharm. Wie wird sich wohl der Blutdruck verhalten? Muss ich dafür eine schriftliche Einverständniserklärung abfordern?

Oder wenn ich meine Labordaten des letzten Jahres durchforste um zu sehen, wieviele meiner Patienten erhöhte Transaminasen hatten um einen wissenschaftlichen Artikel über den "Alkoholismus in deutschen Landen" zu verfassen? Verstößt das gegen die informationelle Selbstbestimmung?

Macht es Sinn die Juristen und die Ethiker zu bemühen für Daten, die entweder schon vorhanden sind oder die (neu) aus vorhandenem Material gewonnen werden und die zudem sowieso anonym sind?

Keine Frage, unnötige Blutentnahmen sind Körperverletzung. Aber ich denke, darum gings auf der Wies'n gar nicht. Dass der verantwortliche Kollege allerdings mit der Behauptung aufwartet, er hätte die Zustimmungen bei Bierleichen eingesammelt, die sich im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte befanden, lässt schon fast den Verdacht aufkommen, der ausgeatmete Bierdunst seiner "Probanden" habe ihn selbst etwas benebelt.


strappato   2009-09-08  
Es wird halt ein Unterschied zwischen Beobachtungsstudien bzw. retrospektive oder Registerstudien und interventionellen Studien gemacht. Ethisch ist es immer schwierig, wenn Interventionen erfolgen und beim Studienziel ein direkter Individualnutzen fehlt. In so einem Fall müssen höchste Anforderungen an Ethik, Information und Zustimmung angelegt werden. Was in diesem Fall versäumt worden ist.








Stationäre Aufnahme












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