Spitzenpreise für Medikamente in Deutschland

Cornelia Yzer, die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), meint die deutschen Arzneimittelpreise lägen im europäischen Mittelfeld. Dabei bedient sie sich der Konkurrenz aus dem Lager der Generikaanbieter, denn die 200 meistverordneten Wirkstoffen, bei denen Deutschland auf gleicher Höhe mit den skandinavischen Ländern – und weit unter Belgien oder Irland - rangieren würde, sind zu einem grossen Teil patentfreie Wirkstoffe. Durch Festpreise und Rabattverträge sind Generika in Deutschland preiswerter als in den meisten anderen europäischen Ländern. Im September 2009 gaben die deutschen Apotheken bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln in 62 von 100 Fällen Generika an Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab.

Bei den patentgeschützten Medikamenten, deren Hersteller der VFA vertritt, ist Deutschland dagegen in Europa Höchstpreisland, das legt auch ein pdf-DateiBericht des britischen Gesundheitsministeriums nahe. Im direkten Vergleich der Herstellerabgabepreise für die 150 meistverordneten Originalpräparate ("branded drugs") hat Deutschland 42% höherer Preise als Grossbritannien. Das ist mit Ausnahme der USA (152%) der höchste Wert aller analysierten Länder.



Bei solchen Betrachtungen ist nur der direkte Vergleich mit einem Referenzland sinnvoll, da nicht alle Wirkstoffe und Dosierungen in allen Ländern auf dem Markt sind. Ein gemeinsamer Vergleich würde die Datenbasis verkleinern und verzerren. Der Kurs des britischen Pfunds war 2008 gegenüber dem Euro schwach - ein Grund für die niedrigen Preise auf der Insel. Jedoch auch in der Betrachtung des mittleren Wechselkurses der letzten 5 Jahre sind in Deutschland die Herstellerabgabepreise um 19% höher als im Vereinigten Königreich - und damit spitzenmässig teuer gegenüber den dortigen Preisen.

Bei solchen Betrachtungen wird gerne auf Länder wie die Schweiz verwiesen, es wird halt immer jemand gesucht, der noch schlimmer ist. Zum einen ist die Schweiz ein erheblich kleinerer Markt und zum anderen ziehen die schweizer Behörden England, Deutschland, Dänemark und die Niederlande als Vergleich heran. Daher ist selbst die Schweiz kein pdf-DateiHochpreisland mehr. Gemäss Angaben des Bundesamt für Gesundheit sind 75% der neuen Arzneimittel in der Schweiz billiger als in den europäischen Vergleichsländern

Deutschland bestimmt zum Teil die Preise in anderen Ländern mit. Das bestätigt Cornelia Yzer:
Richtig ist, dass der deutsche Preis als Referenzpreis für viele andere Länder gilt. Das liegt daran, dass wir nach wie vor ein starker Pharmastandort sind, einen hohen Exportanteil haben und jeder darauf schaut, wie das Produkt im Heimatmarkt positioniert ist.

Des Preisniveaus hierzulande bedienen sich selbstverständlich auch Arzneimittelhersteller, die in Deutschland weder produzieren, noch forschen. Die anderen Länder würden gerne woanders hinschauen. Jedoch wird ihr Blick von den Pharmakonzernen bei Preisverhandlungen mit Krankenkassen und Behörden mit dem Hinweis auf die hohen Preise auf dem weltweit drittgrössten Markt für Arzneimittel zwangsweise auf Deutschland gelenkt.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2009-12-17   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  


share of horst   2009-12-17  
Sehr schöne Arbeit! Die Zahlen sollte mal jemand den neuinstallierten Plünderern der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium um die Ohren hauen.


strappato   2009-12-17  
Mal ein Beispiel:

Remicade® (Wirstoff Infliximab), ein hochpreisiger monoklonaler Antikörper, der zur Therapie von Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Psoriasis oder Morbus Crohn eingesetzt wird.

Herstellerabgabepreis die Durchstechflasche mit 100 mg zur Herstellung einer Infusionslösung:

Deutschland: 741 Euro
UK 404 Euro
Italien 446 Euro
Frankreich 536 Euro
Spanien 535 Euro

Typische Erhaltungs-Therapie: 350 mg alle 8 Wochen (bei 70 kg Körpergewicht). Bei den Jahrestherapiekosten kann der Hersteller Schering-Plough (in Deutschland essex pharma, seit November Teil von Merck & Co, in Deutschland MSD Sharp & Dohme) in Deutschland 2000 Euro mehr verdienen als in den anderen wichtigen EU-Ländern. Wenn man von Herstellungskosten von 70% des Herstellerabgabepreis ausgeht, dann ist das locker eine Verdoppelung des Gewinns an dem Produkt.

Ich habe den Herstellerabgabepreis in der Schweiz nicht zur Hand. Aber der "maximale Publikumspreis" liegt bei umgerechnet rund 737,63 für die Durchstechflasche. Dagegen ist in Deutschland der Apothekenverkaufspreis 1917,65 Euro für 2 Durchstechflaschen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Umsatzsteuer (Deutschland 19%, Schweiz 2,9%) sieht des Endverkaufspreis so aus:

Schweiz 716 Euro
Deutschland 805 Euro

--
Übrigens ist/war essex pharma ein Unternehmen, dass in Deutschland weder forscht, noch produziert (ausser Tierarzneimittel).


multiresistent   2009-12-18  
Ist ja schon fast niedlich, wie das Argument "Produktion in Deutschland/Export" eingesetzt wird. Was wird denn heutzutage wirklich noch nennenswert von Originatoren in Deutschland gefertigt? "Apotheke der Welt" gilt ja schon lange nicht mehr.

Erinnert fast schon an das Hilflosargument: "Ja wir sind teurer mit dem gleichen Produkt, aber..."

a) "...die Qualität!"
b) "...der Service!"
c) "...ähm...tja...öh...DIE QUALITÄT!!!"

Die richtige Antwort auf die Frage, warum die patentgeschützten Originale in Deutschland so hohe Preise haben, ist: "Weil wir die (noch) so festlegen können!"

"(...und wenn wir den IQWIQ-Mann Sawicki ausgetauscht bekommen, bleibt das auch so...)"








Stationäre Aufnahme












Letzte Beiträge und Kommentare /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  OH!!!  (kelef)  /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  Subjektive Wahrnehmung  (casadelmar)  /  Sehr interessante Sichtweise,...  (akademischer ghostwriter)  
Zum Kommentieren bitte einloggen

Metainfos über das blog. Kontakt: strappato.

search noeszett Add to Technorati Favorites rss