Problem der Interessenskonflikte bei Leitlinen-Autoren Die Vergesslichkeit eines Experten bei der Angabe möglicher Interessenskonflikte in Therapieleitlinien, sind kein Einzelfall. Es wird geschätzt, dass sich in der Mehrzahl der S2- und einem grossen Teil der S3-Leitlinien keinerlei Angaben zu Interessenkonflikten der Autoren finden lassen. Individelle und direkt einsehbare Angaben zu Interessenskonflikten der Autoren sind die Ausnahme. Das Problem ist bekannt und beschäftigte im Dezember die Leitlinien-Beauftragten der AWMF-Mitgliedsgesellschaften in ihrer Konferenz. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ist der Dachverband von 154 medizinischen Fachgesellschaften und koordiniert seit 1995 die Entwicklung von medizinischen Leitlininien in Deutschland. Die Betroffenen, Fachgesellschaften wie Leitlinienautoren, können sich nicht mit neuen Anforderungen und einer wachsenden Sensibilisierung in Sachen Interessenskonflikte herausreden. AWMF und das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), eine gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, haben 2005 ein "Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung" (DELBI) herausgegeben, das die Bewertung der Qualität medizinischer Leitlinien ermöglichen soll. In Domäne 6 wird in der Frage 23 die Transparenz bei der Angabe von Interessenskonflikten zur Bewertung herangezogen. Jedes Mitglied einer Leitlinien-Entwicklungsgruppe hat verschiedenste berufliche und private Interessen und Verbindungen und kann deswegen in Interessenkonflikte kommen (z. B. wenn in einer Leitlinie von eigenen Forschungsergebnissen abweichende Positionen empfohlen werden). Dies trifft beispielsweise auch zu, wenn ein Autor auf dem von der Leitlinie betroffenen Gebiet wissenschaftlich arbeitet und dabei von einer pharmazeutischen Firma finanziell unterstützt wird. Bereits die Empfehlung des Europarats aus dem Jahr 2001 zur "Entwicklung einer Methodik für die Ausarbeitung von Leitlinien für optimale medizinische Praxis", auf der das DELBI aufbaut, sieht die Offenlegung von Interessenkonflikten von Mitgliedern der Leitlinienentwicklungsgruppe als Kriterium vor. Trotzdem ist es immer noch möglich, dass im "Deutschen Ärzteblatt" ein Autor einer aktualisierte S3-Leitlinie sich als frei von Interessenkonflikten bezeichnet, obwohl er augenscheinlich finanzielle Beziehungen zu Pharmakonzernen hatte, die Medikamente für die Therapie der Erkrankung anbieten. [Ethik & Monetik]
drgeldgier 2010-01-08 "Pharma-Nutten"
Dieses Problem ist leider nicht unerheblich. Auch und vor allem auf Kongressen ertappt man sich immer wieder dabei, dass ein und derselbe Referent in verschiedenen Vorträgen konträre Meinungen vertritt, je nachdem, wer das Essen bezahlt.Und am schlimmsten sind sogenannte Satellitensymposien. Da kommt man sich vor, als würde man einer Prostituierten bei der Arbeit zusehen. Deshalb nenn ich diese Profs dann auch gern Pharma-Nutte. Die Damen des entsprechenden Berufs mögen es mir nachsehen.
Eine ähnliche Terminologie wird ja dem Vernehmen nach hin und wieder sogar von den Ehefrauen solcher Experten verwendet.
Das war mir so noch nicht untergekommen. Sollte doch wieder mehr angloamerikanische Literatur lesen. ;-)
>> Kommentieren strappato 2010-01-08
- Keine finanzielle Beteiligung der Industrie an der Erstellung dieser Leitlinie und bei der Ausrichtung der Konsensus-Konferenzen. - Kein Stimmrecht der beiden Industrievertreter bei allen Beschlüssen der Konsensus-Konferenzen. - Keine Beteiligung der Industrie an der Literaturrecherche, an der Vorbereitung der Konsensus-Konferenzen und an der redaktionellen Arbeit. - Teilnahme von zwei im Wettbewerb stehenden Firmen.
Leitlinien kämpfen ohnehin schon mit Akzeptanzproblemen. Wenn die häufig umfangreichen Interessenkonflikte der Autoren offen benannt würden, käme in vielen Fällen kaum noch jemand auf die Idee, diese überhaupt noch ernst zu nehmen. Nicht selten stehen Leitlinien ja auch in diametralem Gegensatz zu den Einschätzungen unabhängiger Experten.
Die Konsequenz einiger Leitlinienautoren ist, dass gemauert und gelogen wird, was das Zeug hält. Ob diese Strategie langfristig die Akzeptanz von Leitlinien verbessert, darf bezweifelt werden. mager 2010-01-16 >> Kommentieren |
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