Praxen-Eintrittsgebühr für Pharmaberater

Dem Pharmaaussendienst geht es schlecht. Stellenabbau, Leiharbeit, Gehaltsreduzierungen. Was zwei Unternehmensgründer nicht von Versuchen abhält, ihren Euro beim Vertrieb der Pharmaunternehmen zu kassieren. Der Schlüssel soll ein Terminportal im Internet sein. Ärzte können Gesprächszeiten für Pharmaberater festlegen, die dann vom Aussendienst gebucht werden.

Bei Pharm2Med bezahlt der Pharmaberater bzw. dessen Arbeitgeber für jeden über das Portal gebuchten Besuch 6 Euro (7,50 Euro pro Klinikarzt). Für den Arzt ist das kostenlos. Der Andrang ist überschaubar. Bisher nutzen laut der Internetseite 238 Ärzte den Dienst. Unter ihnen sicher auch Gruppenpraxen oder Praxisgemeinschaften, was die effektive Anzahl der Praxen, die eine Buchung über diesen Dienst von den Pharmaberatern verlangen, weiter reduziert.

Dabei steht das Business-Modell auf ethisch wackeligen Füssen. Der Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie legt im Punkt 7 des § 18 fest:
(5) Den Vertragspartnern oder Dritten darf kein Entgelt dafür gewährt werden, dass sie bereit sind, Pharmaberater zu empfangen oder von anderen Unternehmensangehörigen Informationen entgegen zu nehmen.

Damit würde sich der Arzt schon einmal vom Besuch der Pharmaberater der 68 Mitgliedunternehmen, die sich dem Kodex verpflichtet haben, entledigen.

Während die Dienstleistung von Pharm2Med schon ethisch bedenklich ist, scheint der andere Anbieter in Deutschland diese Grenze überschritten zu haben. Bei Causalo soll der vermittelte Besuch sogar 25 Euro kosten. Das würde die Kosten des Aussendienstes für die Pharmauntermehmen um 30% erhöhen. Vom Arzt verlangt das Unternehmen nochmal 120 Euro pro Jahr. Jedoch rein formal, denn der Arzt erhält jeweils 15 Euro von Causalo für die "Dokumentation von Pharmagesprächen zur Qualitätssicherung". Er verdient also an jedem Besuch. Praktisch ein Kick-Back, der mit der, bisher unbezahlten, Zeit grechtfertigt wird, die der Arzt dem Pharmaaussendienst widmet. Der Causalo-Gründer verweist in einem Artikel im Kassenarzt auf 157 Millionen Euro, mit denen jährlich Ärzte die Pharmaindustrie derzeit durch ihre Zeit mit dem Pharmareferenten subventionieren würden.

Bei 20-30 Pharmaberatern jeden Monat ein interessantes Zubrot für den Arzt.
Den wirtschaftlichen Nutzen der Ärzte berechnet Causalo in einem Beispiel: Wenn der Arzt wöchentlich zwei Stunden Zeit für Gespräche mit Pharmareferenten vorsieht und diese Gespräche dokumentiert, kann er dadurch 4 920 Euro jährlich verdienen und seine Praxisnutzung optimieren.

Kein Wunder, dass 55% der von Causalo befragten Ärzte an einer honorierten Besuchsdokumentation interessiert sind.

Mit 15 Euro wird die Erinnerung an bessere Zeiten wach, in denen es für die forschenden Pharmaunternehmen noch keine Grenze von 5 Euro gab, die im Kodex nun für Werbegaben im Rahmen einer produktbezogenen Werbung vorgeschrieben ist.
 
[Pharmaaussendienst]
Autor: strappato   2010-02-10   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  


kandreas   2010-02-10  
Mal abgesehen ...
... vom ethischen Aspekt, der als Grund zum Einstampfen reichen würde: Ich kenne ähnliche Modelle aus der Wirtschat, wo "Entscheider" an schöne Orte verfrachtet werden, tolle Hotels und was sonst noch genießen. Im Gegenzug müssen sie sich ein paar Stunden lang das Vertriebsgesäusel von (dafür zahlenden) Anbieterfimen anhören.

Knackpunkt ist hier wie dort die Motivation: Auf lange Sicht dürfte klar werde, dass der Arzt nur an der Kohle interessiert ist und nicht am Angebot. Kosten und Nutzen stehen langfristig in keinem Verhältnis.








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