Bezahlte Actos®-Experten erhalten Plattform in der "Welt"

Ein kleines, alltägliches Beispiel, wie sich die deutsche Qualitätspresse - und sei es nur aus Naivität - von bezahlten Meinungsbildnern instrumentalisieren lässt, um die Botschaften der Marketingabteilungen von Pharmaunternehmen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die "Welt" berichtete gestern über den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Antidiabetika Actos® (Pioglitazon) und Avandia® (Rosiglitazon) künftig nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen erstatten zu lassen.

Die Autorin des Artikels, Shari Langemak, hat zwei Experten ausfindig gemacht, die die Entscheidung im Fall Actos® für unbegründet halten:
Dennoch raten viele Experten dringend dazu, Glitazon nicht gleich Glitazon zu setzen. Man müsse zwischen den verschiedenen Substanzen dieser Medikamentengruppe trennen können: "Diverse Studien haben ein erhöhtes Herzinfarktrisiko für Rosiglitazon gezeigt, allerdings nicht für Pioglitazon. Beide Medikamente wirken ganz unterschiedlich - das wissen die Fachleute schon lange", sagt Professor Erland Erdmann, Direktor am Herzzentrum der Universität zu Köln.
und
"Ich halte die derzeitige Beschlusslage für unklug. Es gibt genügend Daten, die es rechtfertigen, das Medikament weiterhin als Option zu behalten - nicht mehr und nicht weniger", sagt Professor Diethelm Tschöpe, Direktor des Herz- und Diabeteszentrums NRW in Bad Oeynhausen.

Was die Autorin vergisst zu erwähnen, ist die Tatsache, dass beide Herren schon in der Vergangenheit fest in die Marketingkampagne von Takeda Pharma für Actos® eingebunden waren. Nur eines von vielen Fundstücken: Schon im Jahr 2007 konnte man Erdmann und Tschöpe Seit' an Seit' auf einer Pressekonferenz von Takeda zum gleichen Thema und mit der gleichen Botschaft pdf-Dateiantreffen. Solche Auftritte werden erfahrungsgemäß üppig honoriert.

Transparenz bleibt in der deutschsprachigen Medizinberichterstattung ein Fremdwort.
 
[Medien]
Autor: hockeystick   2010-07-19   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2010-07-19  
http://www.xing.com/profile/Shari_Langemak

Praktikant, Famulant, Hospitant. Reimt sich alles auf Dilettant.

Den gleichen Artikel gibt es auch noch einmal unter einem Titel, der direkt aus dem Takeda-Marketing (oder aus dem Ärzteblatt) stammen könnte: "Wirksame Diabetes-Tabletten unter Generalverdacht"

(www.welt.de/gesundheit/article8509399/Wirksame-Diabetes-Tabletten-unter-Generalverdacht.html)


thesurgeon   2010-07-20  
Ich dachte das Thema wäre längst durch!
Im Arznei-telegramm 11/08 wird bereits eindeutig gegen Glitazone Stellung bezogen.
O-Ton:
Ödeme, Makulaödeme, Steigerung des Körpergewichts, erhöhtes Herzinfarktrisiko, Lebertoxisch.


mager   2010-07-20  
Dem a-t glaubt eh keiner - aber sie hatten mal wieder recht.

Ansonsten ist das Blondchen SL offenbar eine Medizinstudentin, die nach Pfelgepraktika keine Lust mehr hat, sich die Fingerchen dreckig zu machen. Vielleicht bringt man ihr im Mentorship-Programm ja auch was ausser sich gut zu verkaufen bei - Phramakologie bisher jedenfalls nicht.


malamud   2010-07-20  
Lessons from the glitazones
Einer der weitsichtigsten Kommentare zu den Glitazonen stammt von Edwin Gale, Diabetes-Fachmann der Medical School Unit Bristol und stand bereits 2001 im Lancet:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11410214

Am besten gefällt mir Gales Schluss-Satz als Aufruf an seine eigene Branche:

"Wenn alles andere schief geht, könnten wir es ja wieder mal mit Wissenschaft versuchen."

Siehe auch:
http://ehgartner.blogspot.com/2010/06/skandal-um-rosi.html








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