Ethikregeln machen keinen Spass Wie schwer es ist, den Sumpf aus Interessen und Zuwendungen der Pharmaindustrie trocken zu legen, muss derzeit das amerikanische National Institute of Health (NIH) erfahren. Nach einigen Skandalen wegen Nebeneinkünften hatte das NIH im August 2005 neue Ethik-Richtlinien beschlossen, die z.B. die Annahme von Zuwendungen von Pharmakonzernen für Vorträge oder Beraterverträge faktisch ausschliessen. Damit sollen potentielle conflicts of interest gar nicht erst auftreten. Nach einem Jahr wurde nun mit einer Umfrage die Zufriedenheit mit den neuen Regeln evaluiert. Das Ergebnis ist deprimierend. Trotz der Skandale, die auch in der amerikanischen Öffentlichkeit das Image der NIH-Forscher beschädigt haben, waren nur zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass es notwendig war, die Regeln zur Veröffenlichung der conflict of interest zu verschärfen. Von den wissenschaftlichen Angestellten waren sogar fast 60% der Meinung, dass die Ethikregeln zu restriktiv sind. Ein Viertel von ihnen fühlt sich persönlich negativ betroffen. Am meisten besorgt sind die Mitarbeiter, dass sie nicht mehr im Spiel mit Big Pharma mitspielen können: Bei den "outside activities" wird am häufigsten eine negative Wirkung gesehen. Immerhin 17,8% sehen negative Auswirkungen auf ihre finanzielle Situation. Die entsprechenden Zahlen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter werden in der Präsentation gar nicht erst erwähnt. Fast 40% der Wissenschaftler suchen einen neuen Job. Das könnte die Arbeitsfähigkeit der Behörde und damit sogar die Gesundheit der US-Amerikaner beeinrächtigen. Arthur Caplan, Lehrstuhlinhaber für Medizinethik an der University of Pennsylvania plädiert daher für eine Lockerung: The leaders of the NIH and in Congress have to think a bit harder about giving a tiny bit of breathing room so that NIH scientists are not sent into a monastery from which they can't ever come out in the name of scientific integrity. Als nächstes sollen in einem Telefoninterview Mitarbeiter, die das NIH verlassen haben, über ihre Beweggründe und die Rolle der neuen Ethikregeln befragt werden. Ausserdem potentielle neue Mitarbeiter, ob durch die Regeln das NIH als Arbeitgeber an Attraktivität verloren hat. [Ethik & Monetik]
hockeystick 2006-11-05
Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, sich anders zu verhalten, wie alle, mit denen man Kontakt hat. Hat wirklich was von "monastery". Die "conflict of interest" waren ja auch dazu da, dass der Forscher Kontakte zur Industrie bekommt und den Absprung in eine gut bezahlte Tätigkeit für die Pharmaindustrie schafft.
Hier in Deutschland hat ja das IQWiG eine ähnlich hohen Anspruch an die Unabhängigkeit. Die Folge soll sein, dass das IQWiG Probleme hat, Gutachter zu finden. Die "erste Garde" ist schon von der Pharmaindustrie eingekauft. Wenn die "zweite Garde" für das IQWiG gutachterlich tätig wird und unerwünschte Empfehlungen gibt, dann kann der Wissenschaftler die Aussicht auf eine Professur begraben und auch seine weitere Karriere. Die Fachgesellschaften und akademischen Seilschaften achten genau darauf, wer in ihrem Interesse handelt - was zu oft auch das Interesse der Pharmaindustrie ist. Ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel.
Die profiliertesten Kritiker der Pharma-Lügengebäude sind nicht zufällig überwiegend emeritierte Professoren - so auch Peter Schönhofer, Frank P. Meyer und andere. Leute, die keine Verantwortung mehr für ihre Mitarbeiter tragen, die keine Drittmittel mehr einwerben müssen, die persönlich finanziell unabhängig sind. Traurige Branche.
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