Experten-Shopping Auf meinem Schreibtisch liegen zwei "Fälle", die sehr schön zeigen, wie die Pharmaindustrie den Wissenschaftsbetrieb für ihre Zwecke instrumentalisiert. Die Studie wird durchgeführt und es werden Experten befragt. 2. Akt Nun steht die Publikation an. Es wird ein zweiter Dienstleister beauftragt, der ein Abstract/Poster für eine wissenschaftliche Tagung einreicht und herstellt. Als Autor fungiert einer der professoralen Experten, der gleich noch ein paar von seinen Mitarbeitern als Co-Autoren mitbringt, die an der Studie nicht beteiligt waren. Das ist dann wohl sowas wie eine Belohnung für treue Versallen. Der Kongress ist am anderen Ende der Welt. Was der Experte mit einem Urlaub verbindet. Noch mal zur Anmerkung: Der Professor hat lediglich sein Wissen und seine Einschätzung eine Stunde bei einem Interview eingebracht. Und seinen Namen. 3. Akt Nun soll das auch noch in einem Journal publiziert werden. Jetzt sind auch die professoralen Experten in den anderen Ländern gefragt. Immerhin haben sie auch 2 Jahre zuvor jeweils eine Stunde ihr Wissen zu dem Werk beigesteuert. Und natürlich ein angemessenes Honorar erhalten. Das von einem weiteren externen Dienstleister erstellte Manuscript wird von ihnen abgesegnet und unter ihrem Namen als Autoren publiziert. Abgang Eine win-win-Situation: Für die Professoren bedeutet dies ein paar verdiente Euro und eine Publikation ohne eigenen Aufwand in ihrer Publikationsliste. Das Pharmaunternehmen hat einen Beweis für den ökonomische Relevanz und den möglichen Nutzen des Produktes und kann dies mit anerkannten Experten schmücken. Weitere gemeinsame Aktivitäten nicht ausgeschlossen. Auch hier muss die Studie erstmal durchgeführt werden. Was aber in diesem Fall komplexer ist, da dies eine Datenerhebung in mehreren Kliniken/Praxen erfordert. Es werden Zentren gesucht, die Erhebungsbögen erstellt und diese an einen dritte externe Dienstleister in den jeweiligen Ländern zur Durchsicht gegeben. Die äussern Bedenken, die jedoch nicht berücksichtigt werden, aber man kann nun guten Gewissens sagen: Es hat eine Validierung stattgefunden. 2. Akt Die Analyse überspringen wir. Die gute Nachricht muss unter die scientific community gebracht werden. Wieder werden externe Dienstleister beauftragt jeweils für das entprechende Land eine Publikation zu erarbeiten. Als Autor fungiert in jedem Land ein professoraler Experte, der gute Kontakte zum Pharmaunternehmen pflegt und zum Abschlussbericht 2-3 Anmerkungen einbrachte. Deutlicher: Der Autor hatte mit der Studie selber nichts zu tun. Seine guten Ratschläge entsprachen denen des ersten Dienstleisters, nur dass sie diesmal so gut es ging in die Analyse im Nachhinein eingestrickt wurden. 3. Akt Der Artikel schafft es durch das peer-review-Verfahren in eine angesehene wissenschaftliche Zeitschrift. Für alle beteiligten Experten und Dienstleister ein wenig überraschend. Aber da fragt man besser nicht nach, wie Pharmakonzerne Verlage und Herausgeber überzeugen können. Abgang Wieder win-win: Die nicht überzeugende Methodik und die schwachen Ergebnisse werden vom Glanz des Expertennamens überstrahlt. Der Autor hat eine Publikation in einem Journal mit anständigen impact-Factor. Was wiederum sehr nützlich für weitere Berufungsverhandlungen und die Verteilung der inneruniversitären Gelder ist. [Wissenschaft]
hockeystick 2006-11-18 eine spur krasser als sie sich vorgestellt haben?
ich darf um ein paar variationen ergänzen, z.b. zum thema wie gelangt ein artikel über behandlungsmethoden, medikamente etc. zur publikation:der professor lässt seine stellungnahme gleich von der pharmafirma schreiben. die pharmafirma kann das nicht, und beauftragt eine pr-agentur. die agentur kann das auch nicht, und beauftragt den ombudsmann/medizinsachverständigen/gesundheitsredakteur einer zeitung. der ombudsmann schreibt, schickt an die agentur, diese schickt an die firma, diese schickt an den professor. letzterer schreibt seinen namen darunter, mit dem verfasser geht er ja bei von der pharmafirma gesponserten meetings ja sowieso immer saufen, und retourniert an die pharmafirma. da es sich um einen redaktionellen beitrag handelt, schickt die pharmafirma den artikel an die agentur, diese diesen an die zeitung, wo die redaktion denselben an den ombudsmann (den kennen wir schon) zur überprüfung auf richtigkeit weiterreicht. ombudsmann findet die sache toll, merkt aber an, er sollte nur gebracht werden wenn die pharmafirma auch ein inserat schaltet. annoncenabteilung kontaktiert pharmafirma, diese leitet an agentur weiter. agentur findet dieses vorgehen selbstverständlich, und macht noch ein wenig kohle (nicht aus dem vorher festgesetzten bugdget, zusätzlich naturellement) locker. artikel erscheint. win-win-win-... sogar für die post, die zur beförderung des artikels in der zwischenzeit eigens einen mann abgestellt hat - zwischendurch muss ja immer von allen korrektur gelesen werden, denn merke, nur wer ein wort im text ersetzt oder wenigstens an eine andere stelle, gerne auch eine völlig unpassende, verschiebt, darf am kuchen mitnaschen. grammatik- und rechtschreibefeheler erhöhen definitiv den eindruck professoraler authentizität, geben einen guten grund für änderungen ab und werden daher teilweise auch absichtlich zu diesem behufe eingefügt. in der zwischenzeit wurde so viel kohle verschissen, dass die pharmafirma sich von einem mitarbeiter trennen muss, wegen kostenreduktion und shareholder values. dem freigesetzte mitarbeiter wird in einem kurs des arbeitsamtes das schreiben gelehrt und er geht zur pr-agentur oder zur zeitung. oder zur post. manche sollen sich auch schon erhängt haben. und selbstverständlich ist das alles frei erfunden, oder was haben sie gedacht. hatte ich noch vergessen:
in manchen fällen soll es sogar schon vorgekommen sein, dass der ombudsmann der zeitung auch noch eine eigene firma hatte, in der er studiendesign / dossiererstellung / zulassung / pharmakoökonomische studien etc. eben der zu beginn erwähnten pharmafirma verkloppt hat.aber das ist nun wirklich bösartige verleumdung. >> Kommentieren |
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