"Selbstreinigungskräfte der Wissenschaft wirken nicht" Das "Laborjournal" hat ein zehnteiliges Editorial des Biologieprofessors Alexander Lerchl veröffentlicht, in dem dieser sich ausführlich mit dem Fälschungsskandal um die Wiener "Handystrahlen"-Studie und dessen mangelhafter Aufarbeitung auseinandergesetzt. Der Skandal war vor zwei Jahren ein Thema im "Spiegel" und auch hier im Blog. Viele der Details sind haarsträubend. Kostprobe: Doch zunächst schon hier eine Überlegung, die auf den ersten Blick klar gegen eine Datenfälschung spricht. Die Untersuchungen wurden ja „verblindet“ durchgeführt, ein besonderes Qualitätsmerkmal des REFLEX-Projektes. Die Untersucher in Wien wussten daher nicht, welche der Proben exponiert und welche scheinexponiert waren. Ein gezieltes Fälschen hätte aber zur Voraussetzung gehabt, dass die Zuordnung bekannt war. Wie also wäre Fälschung möglich gewesen? Die Lösung dieses Problems, so stellte es sich 2008 heraus, war schockierend simpel. [...] Ein Instrument (Agilent 34970 A Data Aquisition / Switch Unit), welches die Verblindung mittels des angeschlossenen Computers umsetzte, hatte einen Knopf, der, wenn man ihn drehte, das Display des Gerätes auf den Kanal 102 änderte. Die zweite Stelle von rechts (Im Falle der Magnetfeldexperimente) bzw. die dritte Stelle von links (Mobilfunkexperimente) zeigte an, welche der Zellen exponiert waren und welche nicht. Und das ganze Prozedere war im Handbuch der Anlagen beschrieben! Die Aufarbeitung des Skandals erfolgte so, wie man es in Österreich erwarten konnte: Die Medizinische Universität Wien war nicht in der Lage, trotz der Fülle der Belege die Retraktionen der inkriminierten Publikationen zu veranlassen. Stattdessen wurde ein Deal ausgeheckt: eine Arbeit solle zurückgezogen werden (aus „formalen Gründen“), dafür würden die Fälschungsvorwürfe fallengelassen. Im Rat für Wissenschaftsethik saß ein mit dem Hauptverantwortlichen „sehr freundschaftlich verbundener“ Kollege, man ist „per du“. Als Gutachter wurde ein Wiener Kollege gehört, der als „bekannter Mobilfunkkritiker“ wenig an den Studien auszusetzen hatte, mit einem der Autoren publizierte und demzufolge befangen war. Einen derartigen Bankrott würde man in einer Bananenrepublik erwarten, nicht aber in einem Land, das der Wissenschaft seit Jahrhunderten eng verbunden ist. Ein Desaster. Die Artikelserie ist umfangreich, aber ein wahrhaft schauerlicher und desillusionierender Einblick in den (österreichischen) Wissenschaftsbetrieb. Die abschließende Folge 10 findet sich hier. Die ersten neun Folgen der Serie sind von dort aus verlinkt. (via) [Wissenschaft]
British Medical Journal wirbt mit Video um Autoren Auch unter den medizinischen Fachzeitschriften ist die Konkurrenz um die besten Studien, Paper und Autoren gross. Das British Medical Journal (BMJ) versucht es mit einem Video auf YouTube. [Wissenschaft]
Scientific Peer Review, ca. 1945 Das ist wohl der Humor in der Scientific Community in den USA. [Wissenschaft]
Quit Playing Games (With my Heart) Das Kinderlied „Nellie the Elephant“ hat sich in einer im British Medical Journal veröffentlichten Studie nur bedingt als mentaler Taktgeber für die Herzdruckmassage bewährt. Es führt es dazu, dass die Ersthelfer zwar wesentlich häufiger mit dem richtigen Tempo (100 Kompressionen/min) reanimieren, dabei aber zu sanft drücken. Das Ärzteblatt macht sich Gedanken über Alternativen:
Die geeignete Begleitmusik für die Reanimation sei deshalb noch nicht gefunden, schreibt Woollard. Eine frühere Studie hatte „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees vorgeschlagen (Ann Emerg Med 2008; 52: S67-8). Ungeprüft sind noch “Another One Bites the Dust” von Queen, “Under Pressure” von Queen mit David Bowie, “Quit Playing Games (With my Heart)” von den Backstreet Boys oder “Achy Breaky Heart” von Billy Ray Cyrus… [Wissenschaft]
Ghostwriting-Fall wird weiter diskutiert Während Deutschland die gekauften Doktorgrade die Medien füllen, wird auf der anderen Seite des Atlantiks das Ghostwriting aufgearbeitet. Zur Erinnerung: Ein Artikel in der NY Times hat in der breiten Öffentlichkeit aufgedeckt, dass der Pharmakonzern Wyeth von 1998 bis 2005 Ghostwriter engagiert hat, 26 medizinische Fachartikel über die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren zu verfassen. Als Autoren der vermeintlichen Fachartikel fanden sich renommierte Mediziner, die nur wenig oder nichts zum Artikel beigetragen hatten. Wyeth-Dokumente online Die auf Anordnung eines US-Bundesgerichst veröffentlichten 1500 Dokumente von Wyeth sind online bei PLOS Medicine zu finden. Sie zeigen detailliert wie von Ghostwritern geschriebene wissenschaftliche Artikel mit Marketing-Aussagen geplant und in Fachzeitschriften platziert worden sind. Aus einem typischen Projektplan vom Dienstleister DesignWrite mit Wyeth: Client provides data report………. TBD DesignWrite prepares outline………. 2 weeks Client internal review………. 2 weeks DesignWrite prepares first draft………. 4-8 weeks Client internal review………. 2 weeks DesignWrite addresses consolidated client comments (second draft)………. 2-3 weeks Second draft reviewed by selected author………. 2 weeks DesignWrite incorporates author comments (third draft)………. 2 weeks DesignWrite assists in journal submission………. 2 weeks Journal provides peer-reviewer comments………. TBD DesignWrite addresses comments; resubmits………. 2 weeks Journal acceptance and publication………. TBD GSK räumt Ghostwriting ein Ghostwriting ist im Pharmabusiness üblich. Es war daher nur die Frage wen es als nächstes trifft und nicht, ob überhaupt. Den schwarzen Peter hat GlaxoSmithKline (GSK) gezogen, als bekannt wurde, dass GSK (als SmithKline Beecham) für das Antidepressivum Paxil® (in Deutschland und Österreich Seroxat®) Ärzten eine umfangreiche Unterstützung bei der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln angeboten hatte. Das Programm, GSK-intern "CASPPER" genannt - wie der freundliche Geist aus der in angelsächsischen Ländern bekannten Kinderliteratur - umfasste die ganze Palette des Ghostwritings, von der Entwicklung eines Themas bis zur Einreichung des Manuskripts beim Verlag. Gemäss der internen Broschüre war das Budget für 50 Artikel im Jahr 2000 bemessen. CASPPER will enable your physicians to add, to the literature supporting the use of PAXIL, strengthen your relationships with key physicians and thought leaders in the psychiatric field, and ultimately, help you meet your sales goals.
Ein Sprecher von GSK betonte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass in den veröffentlichten Artikel die Unterstützung des Autors offengelegt worden sei, und das Programm vor einigen Jahren beendet worden ist. Die von Ghostwrittern geschriebenen Artikel über Paxil® sind zwischen 2000 und 2002 in fünf medizisnischen Fachzeitschriften erschienen. Vor den Gerichten sind Klagen von hunderten von Patienten gegen GSK anhängig, die gesundheitliche Schäden aufgrund der vom Unternehmen heruntergespielten Risiken des Medikaments anführen. Politik interessiert sich für Ghostwriting Kein Gesetz verbietet Ghostwriting. Dennoch ist unstrittig, dass die Autorenschaft bei einem Artikel der von Dritten geschrieben worden ist und zu dem der Wissenschaftler nicht angemessen beigetragen hat, eine unethische Praxis ist, gegen die sich Universitäten und Fachgesellschaften stellen müssen, um die Reputation der Medizinwissenschaft nicht komplett zu verspielen. In den USA haben die Boston University, Tufts University und Harvard Regeln, die ihrem Personal nicht erlaubt, mit ihrem Namen und dem Ansehen der Universität Artikel aufzuwerten, die sie nicht verfasst haben. Vergleichbare Verhaltensregeln fordert der US-Senator Charles E. Grassley für alle Universitäten. Grassley hatte sich schon durch die unnachgiebige Verfolgung von Professoren, die Honorare von Pharmaunternehmen nicht angegeben haben, in der Pharmabranche unbeliebt gemacht. Das National Institute of Health (NIH) trägt mit einem jährlichen Budget von 29 Mrd. Dollar zu fast 30% der gesamten Ausgaben in den USA für biomedizinische Forschung bei. Wer zahlt der führt: Hier sieht Grassley für die US-Bundespolitik einen Ansatz, um Institutionen und Personen, die von der Forschungsförderung des NIH profitieren, zur Beendigung der Ghostwriting-Praxis zu zwingen. Der Senator hat Briefe mit Fragen zum Ghostwriting an das NIH geschickt ähnliche Schreiben gingen an acht führende Fachzeitschriften. Universitäten fürchten um Ruf Schon Transparenz würde helfen. Sind doch die Universitäten um ihren guten akademischen Ruf besorgt. Die vom Wyeth-Skandal betroffen Universitäten müssen sich kritischen Fragen stellen, wie die Columbia Universität, die gleich drei Autoren in ihren Reihen hat, die für von DesignWrite verfasste Hormon-Artikel ihren Namen hergegeben haben. Gleich doppelt hat es die University of Wisconsin erwischt. Nicht nur stand ein Professsor der Hochschule bei fünf der Artikel in der Autorenliste, sondern die Universität hatte zudem kurz nach der Veröffentlichung 2001 ein langjähriges mit 1,5 Millionen Dollar dotiertes Fortbildungsabkommen mit Wyeth geschlossen. Ziel war es, Ärzte und Patienten über die Vorteile der Hormontherapie zu informieren. Der Fall geht bis nach Kanada. Eine Wissenschaftlerin der McGill University in Montreal hat in einem der Paper mit ihrem Namen die Rolle von Estrogen bei der Behandlung von Erinnrungsverlust bei älteren Menschen angepriesen. Die Professorin wollte dazu keine weiteren Erklärungen abgeben, bedauert jedoch ihren "Fehler", die Universität untersucht den Fall. Australien ist offener. Der betroffene Wissenschaftler, John Eden, bedauert ebenfalls sein Verhalten und räumt ein, dass er früher den Beitrag von DesignWrite offenlegen hätte sollen. Er verweist darauf, dass alle Artikel einem Peer-Review-Verfahren unterzogen worden sind und die Herausgeber der Zeitschriften ihren Teil beigetragen hätten, die positiven Reviews zu veröffentlichen. Die Rolle der Journals bzw. Verlage und des Prozesses, wie wissenschaftliche Erkenntnisse generiert und bewertet werden kam bisher in der Diskussion zu kurz. Ein Argument Edens, deutet darauf hin, dass der Publikationsdruck Wissenschaftler aufgeschlossener für derartige unmoralische Angebote macht: We academics are under some pressure to 'publish or perish. Performance evaluation of at least Australian academics includes the number and quality of publications per year. ... und in Deutschland? Hierzulande hat es in den Medien nur für Artikel über den Ursprungsbericht der NY Times gereicht. Kritische Nachfragen bei deutschen Medizinprofessoren? Nicht zu finden. Der illegale Handel mit Doktortiteln bewegt die Öffentlichkeit und Wissenschaft mehr, als Marketingaussagen, die von Pharmaunternehmen unter dem Deckmantel der Wissenschaft lanciert werden und möglicherweise negative Konsequenzen für Patienten haben können. [Wissenschaft]
Wie man aus scheinbaren Korrelationen falsche Schlüsse zieht Scienceblogger Ulrich Berger führt am Beispiel "Astro-Medizin" in die Tücken der Beurteilenden Statistik ein und erläutert die gängigsten Tricks, mit denen sich Medizinjournalisten und andere Unkundige regelmäßig an der Nase herumführen lassen. Eine alpenländische Polit-Posse bildet die Kulisse. Gesundheitsfaktor Sternzeichen: Die Astrologie, der Minister und der Epidemiologe [Wissenschaft]
Die Geister, die ich rief Vor zwei Wochen schaffte es ein Wissenschafts-Pharma-Skandal bis in die deutschen Medien: Der Pharmakonzern Wyeth, bzw. bis 2002 "American Home Products", hatte von 1998 bis 2005 Ghostwriter dafür bezahlt, 26 medizinische Fachartikel über die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren zu verfassen. Als Autoren der vermeintlichen Fachartikel gaben sich renommierte Mediziner aus, die nur wenig zum Artikel beigetragen hatten. Wyeth versichert es gäbe keine Belege, die nahelegen, dass das Untermehmen die Publikation von Artikeln unterstützt hat, von denen es wusste, dass Ergebnisse falsch oder verfälschend interpretiert werden. Die Autoren hätten zu jedem Zeitpunkt volle Kontrolle über die redaktionelle Arbeit gehabt. Sonst an jedem Pharma-Skandal interessiert, hat mich das relativ kalt gelassen. Fast möchte ich sagen: "so what". "Ghostwritring" ist üblich. So berichtet bespielsweise ein Kardiologe einer vom Wyeth-Fall betroffenen Universität, dass er erst in der vergangenen Woche zweimal gefragt worden sei, seinen Namen unter Fortbildungsunterlagen für verschiedenen Pharmaunternehmen zu setzen. Er hat es abgelehnt "because, frankly, it's plagiarism." Das Problem liegt tiefer und ist mit ein paar Aufsehen erregenden Medienberichten nicht zu fassen. Es gibt einen ganzen Berufsstand der Ghostwriter: Medical Writer. Ohne diese geht es nicht in der medizinischen Forschung. Die tausende Seiten Studienberichte, Zulassungsdossiers, und andere Fachinformationen müssen von jemanden geschrieben werden. Da hat sich eine hochprofessionelle und -qualifizierte Dienstleistungsbranche entwickelt. Die Grenze zum Abfassen von wissenschaftlichen Artikeln, bei denen ein Dritter nur noch seinen Namen drüber setzt ist nur schmal. Sie wird umso öfter übersprungen, je mehr die "Publication Strategy" Teil des Marketings ist. Heute mehr noch als früher. Der eigentliche "Skandal" liegt meines Erachtens darin: "The articles did not disclose Wyeth’s role in initiating and paying for the work." Die geschilderten Fälle datieren Ende der 90er bis Anfang der 2000er. Da war die Deklaration des Anteils, den die Autoren zu einem Paper beigesteuert und die Angabe der Sponsoren, die die Sache bezahlt haben noch nicht so zwingend von den Verlagen vorgeschrieben wie heute. Wenn die Artikel "geschönt" waren, müssten die Peer-Reviewer in die Kritik kommen. Anscheinend hatten die keine Einwände, obwohl es bei zu positiv interpretierten Review-Artikeln eigentlich kein Problem sein sollte, das zu erkennen und nachzuhaken. Noch einmal zum Ghostwriting. Wie sieht denn grob die Realität bei der Durchführung klinischer Studien aus? Das Pharmaunternehmen zahlt für eine klinische Studie. In der Regel sind es multizentrische Studien, of international. Ein Zentrum ist Studienleiter, zum Teil pro Land, weil es die gesetzlichen Vorgaben fordern. Wie sollen denn die Ergebnisse veröffentlicht werden? Die Organisation und Auswertung übernehmen Dienstleister. Der Chefarzt an der Uniklinik hat dafür weder Kapazitäten noch Know-How. Wer schreibt die Berichte und Veröffentlichungen? Der Assistenzarzt? Soll der sich noch mit den klinischen Zentren in anderen Ländern absprechen? Wie soll der Sponsor da eine Deadline festklopfen? Immerhin sind klinische Studien und die Veröffentlichung Teil der Produktentwicklung und als Investitionen Teil des Business-Plans. Verzögerungen können Milliarden Umsatz kosten. Daher werden Dienstleister beauftragt, die zusammen mit dem Herstellers und den relevanten leitenden Studienzentren das Manuskript erstellen. Die Frage, in welcher Reihenfolge die Autoren erscheinen und wie der jeweilige Beitrag zum Manuskript angegeben wird (sozusagen die "Schöpfungshöhe"), ist ein Dauerbrenner in der Diskussion um Ethik, Good Publication Practice und Interessenskonflikte. Ich sehe da eine Diskrepanz in der Betrachtung. Auf der einen Seite soll klinische Forschung und Zulassung immer genauer, besser, fehlerfreier, evidenter, qualitätsgesicherter, schneller, usw. werden. Das erfordert professionelle Arbeitsteilung und ein komplexes Zusammenspiel zwischen Unternehmen, spezialisierte Dienstleister, Scientific Community und Zulassungsbehörden. Aber trotzdem wird von der Öffentlichkeit überspitzt das romantische Ideal zum ethischen Massstab genommen: Ein Forscher entwickelt in jahrelanger Laboreinsamkeit einen Wirkstoff. Führt eine Studie durch, aber nur wenn er zu feige für einen heroischen Selbstversuch ist. Schreibt die Ergebnisse zusammen und schickt sie an die renomierteste Fachzeitschrift. Korrespondiert mit seinen Fachkollegen über die Resultate. Verkauft das Medikament an ein Pharmaunternehmen und spendet die Erlöse für die medizinische Versorgung von Kindern in Entwicklungsländern. Fazit: So wie es sich der unbeteiligte Beobachter vorstellt: Forscher macht Studie, schreibt ein Manusript und veröffentlicht es, kann es nicht laufen. Bei Goethe werden die vom Zauberlehrling gerufenen Geister mit knappen Befehlen des Meisters in die Schranken gewiesen. Also alles eine Frage, wie man damit umgeht. Da kann es nur eine knappe Antwort geben: Transparenz. [Wissenschaft]
Nobody-Affäre bringt JAMA-Herausgeber unter Druck Die Herausgeber der renommierten Fachzeitschrift JAMA hatten kürzlich für Aufsehen gesorgt. Sie hatten den Wissenschaftler Jonathan Leo als "Nobody and Nothing" beschimpft und nicht nur ihn, sondern auch seinen Arbeitgeber in beispielloser Weise unter Druck gesetzt. Leo hatte zuvor öffentlich auf inhaltliche Unstimmigkeiten und verschleierte Interessenkonflikte in einem pharmafreundlich ausgefallenen JAMA-Artikel hingewiesen. Die JAMA-Herausgeber sahen sich zunächst gezwungen, in einem Online-Editorial ihr Verhalten wortreich zu rechtfertigen und zu relativieren. In einer pointierten Stellungnahme schildert und bewertet der "Nobody" daraufhin die Vorgänge: The implications of the JAMA's reaction to our letter are significant. [...] In the past, I have criticized direct-to-consumer advertising of psychiatric medications, which is not helpful to Big Pharma. However, I have never been telephoned or threatened by representatives from Big Pharma. In contrast to my experience with JAMA, any exchanges have been civil and appropriate. [...] What began as a short (and potentially obscure) letter about undisclosed COI has now led to questions about the limits of institutional authority in the medical publishing industry, the extent of academic freedom, and even the role of the First Amendment. Am Mittwoch hatte die pharmakritische Alliance for Human Research Protection (AHRP) in einem offenen Brief an die American Medical Association (AMA) als Konsequenz aus den Vorgängen die sofortige Suspendierung der beiden beteiligten Herausgeber und eine Entschuldigung gegenüber Jonathan Leo gefordert. Die AMA kündigte daraufhin am Freitag an, die Vorwürfe formell untersuchen zu wollen:
In accordance with the Editorial Governance Plan for JAMA, this entire matter is being formally referred to the Journal Oversight Committee (JOC). The AMA is requesting that the JOC examine the concerns related to Professor Leo’s inquiry and upon completion present its findings to the AMA Board of Trustees. The AMA Board will give careful consideration to whatever is reported to it by the JOC. [Wissenschaft]
Leitlinien ohne Bedeutung für die Behandlungspraxis "Die Fälschungen haben jedoch keinen Einfluss auf die bestehenden Handlungsempfehlungen", sagt Neugebauer. Die Passagen, in denen Arbeiten von Reuben zitiert werden, würden nun einfach aus dem Text entfernt, "sie sind ohne Bedeutung für die heutige Behandlungspraxis". Soviel zum Thema Behandlungsleitlinien und welchen Stellenwert sie in Deutschland haben. Prof. Neugebauer, Mitautor u.a. der Leitlinie "Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen" in der Süddeutschen Zeitung zu den Konsequenzen aus dem Betrugsfall Reuben. [Wissenschaft]
Naturheilkunde in der Transfusionsmedizin Der Tagesspiegel hat weitere Hintergründe zu dem "Bio-Viagra-Skandal" an der Charité. Danach gibt es personelle Verbindungen zwischen dem Unternehmen, das das neue Potenzmittel auf dem Markt bringen wollte und dem Institut für Transfusionsmedizin, an dem der Medizinstudent seine "Versuche" durchführte. Dort sitzen einige Anhänger von pflanzlichen Präparaten. Es ist nicht das erste Mal, dass Institutsleiter Kiesewetter in den Medien ist. 1999 präsentierte er eine Studie, die zeigen sollte, dass Knoblauchpräparate gegen Gefäßverkalkung helfen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern kritisiert, aber die „Unterstellung vorsätzlicher Datenmanipulation“ wies die Charité nach einer Kontrolle als „abwegig“ zurück. Die Studie zeigte allerdings Fehler in der statistischen Analyse auf, die korrigiert werden mussten. Danach war ein positiver Effekt nur noch bei Frauen nachweisbar. Keine gute Nachricht für die Firma Lichtwer, die die Versuche finanziert hatte und mit Präparaten wie Kwai-Knoblauchpillen ihr Geld verdiente. In einem anderen Fall über den der Tagesspiegel berichtet, geht es um einen Extrakt aus Cistus incanus Pandalis® zur Vorbeugung sowie der begleitenden Behandlung von bakteriellen Infektionen der oberen Atemwege (Tonsillopharyngitis), das Kiesewetter erfolgreich getestet hat - in einer offenen, kontrollierten Studie. Die Ergebnisse wurden in der bedeutenden Zeitschrift Erfahrungsheilkunde veröffentlicht. Für den Hersteller "Dr. Pandalis Urheimische Medizin" war der Institutsleiter nach Angaben des Tagesspiegels als wissenschaftlicher Berater tätig. Wobei er im Januar noch in PR-Meldungen als Experte aufgetreten ist. SPON hat das Präparat vor drei Jahren mit der Schlagzeile: Lutschen gegen die Vogelgrippe begleitet. Auf dem Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie waren die Medien kopflos dem Stichwort gefolgt. Von der Verbindung mit Vogelgrippe hatte sich das Unternehmen später distanzert. Die Ergebnisse einer neuen Studie von Kiesewetter, deren Veröffentlichung in Pressemitteilungen von Dr. Pandalis für 2008 angekündigt wurde, sind noch nicht erschienen. Ein weiteres Beispiel: Schwarzkümmel lindert Allergiebeschwerden. Auch ein Forschungsgegenstand der Transfusionsmediziner der Charité. In Pressemitteilungen firmiert Kiesewetter auch als Leiter eines "Arbeitskreises Immunologie", über den ausser durch Pressemeldungen nichts zu erfahren ist. Die Telefonnummer deutet auf eine Praxis in München. Dessen Empfehlungen werden vom arznei-telegramm als "distanzlose und unwissenschaftliche Werbetätigkeit" mit Schadenspotential gebrandmarkt. Schon im Jahr 2000 wurde in der Zeitschrift "Internistische Praxis" auf das Wirken des Instituts und den Imageschaden für die Charité hingewiesen. ... eine nicht begründete bzw. wissenschaftlich nicht belegte Empfehlung, die vordergründig zunächst dem Hersteller bzw. Verkäufer von Schwarzkümmelöl nützt, nicht aber dem Ansehen der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin" Zu Recht fragen sich endlich einige Verantwortliche in der Charité, was das mit "Transfusionsmedizin" (und mit Wissenschaft) zu tun hat. Der deutsche Hang zum Universalgelehrten ist nicht zu besiegen. -- Update: Der Spiegel hat nach einer Woche ähnliches rausgefunden - der Fall "Cistus incanus Pandalis" ist dem Autor nicht über den Weg gelaufen. [Wissenschaft]
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