Patientenverbände und Pharmaindustrie

DIE ZEIT berichtet mal wieder über die Zusammenarbeit von Patientenverbänden und Pharmaindustrie.

Der Bericht zeigt nichts Neues und bleibt an der Oberfläche. Damit entspricht er dem Niveau auf dem auch die Beteiligten auf der Patientenseite diese Förderung durch die Pharmaindustrie bewerten:
Nicht immer, wenn Geld fliesst, ist eine Abhängigkeit gegeben.
Klaus Heß, Referent für Selbsthilfe beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Das hat das Zeug für einen Baron der Woche bei boocompany.com.

Hier die im Artikel angesprochene Internetseite, auf der Roche die Unternehmensleitlinien für die Kooperation mit Patientenorganisationen und die aktuelle Liste mit der jeweiligen finanziellen Unterstützung veröffentlicht.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-12-16   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  


gn8   2006-12-17  
Es handelt sich um einen Artikel zur Veranstaltung der KKH in Hannover am 29.11.06. In einer dreistündigen Veranstaltung stellte ein von der KKH aus für die Selbsthilfe gesetzlich bestimmten Geld bezahlter Professor (Gerd Glaeske,
Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen) ein oberflächlich erstelltes Gefälligkeitsgutachten vor, mit dem der GKV Munition in die Hand gegeben werden soll gegen die Selbsthilfeverbände und deren Forderung, dass die GKV die Verteilung der Gelder transparent machen solle.

Das Gutachten hat richtige Sätze, die Zusammenhänge sind bestenfalls fragwürdig zusammen gebastelt, eine große Organisation bei einem Finanzanteil von offen dargelegten Pharmageldern in Höhe von 1% des Umsatzes als "gekauft" zu nennen halte ich für gewagt (alles andere führt ja nur zu Abmahnungen). Untersucht wurden nur 5 Verbände.

Mit "Beteiligten auf Patientenseite" dürfte wohl die Selbsthilfe gemeint sein. Für die spricht aber nicht der Angestellte eines großen Wohlfahrtsverbands (Klaus Heß, DPWV), die sprechen für sich selber. Ich spreche in dem Zusammenhang vom "Wohlfahrtsindustriellen Komplex".

Die Veranstaltung war die Fahrtkosten dahin nicht wert, von der Zeit ganz zu schweigen.


strappato   2006-12-17  
Über dieses Gutachten hatte ich ja schon geschrieben:

http://gesundheit.blogger.de/stories/621807/

Ich stimme Ihnen zu, dass das Gutachten das Papier nicht wert ist. Nur ist das für mich kein "Gefälligkeitsgutachten", sondern ich sehe, dass die Autoren, wahrscheinlich insbesondere die Autorin, mit dem Thema überfordert waren. Dafür lassen sich auch Stellen im Text finden.

"Gekauft" ist ja auch eine unzulässige Verallgemeinerung, die den Aktivisten in der Selbsthilfe, die mit grossen Engagement und oft freiwilliger Tätigkeit ans Werk gehen, nicht gerecht wird. Man kann es aber nicht am Anteil der Sponsorengelder festmachen. Jede Zuwendung und Zusammenarbeit der Pharmaindustrie ist mit einem Ziel verbunden. Die Qualität der Kooperation ergibt sich erst aus der konkreten Sache. Ein Beispiel? Die Zusammenarbeit von Patientenverbänden und Pharmaindustrie bei klinischen Studien. Durch den Verband über geplante Klinische Studien informiert zu werden ist vielen chronisch Erkrankten wichtig, da sie durch die Einbeziehung in Studien eine Besserung erhoffen. Für die Pharmakonzerne gehört das zum "Premarketing" für ein neues Produkt. Das ist monitär nicht fassbar, aber hat ein hohes Abhängigkeitspotential, da durch diese Informationen und Aufruf zur Beteiligung an klinischen Studien das Image des Verbandes (wirklich nah an dem Thema dran zu sein und über Informationen zu verfügen, die nicht ohne weiteres im Internet so schnell verfügbar sind) erheblich gesteigert wird.

Anders Beispiel: Ohne die Kontakte zur Pharmaindustrie würde kaum ein Verband einen namhaften wissenschaftlichen Beirat bekommen. Mir ist bekannt, dass einige Ärzte ihre Tätigkeit als Beiräte in den Selbsthilfeverbänden durch die Pharmaindustrie indirekt honorieren lassen. Auch hier eine hohe Abhängigkeit durch kleine Zuwedungen.

Wenn man die Summen betrachtet: Welches Prozent? Das am Jahresbudget? Wie geht man mit Zuwendungen um, die persönlich vergeben werden, beispielsweise Einladungen zu Fachkongressen oder honorierte Vorträge auf Veranstaltungen. Diese persönlichen Zuwendungen und Annehmlichkeiten erzeugen eine viel stärkere Abhängigkeit als die reine Spende für eine Kampagne.

Tatsache ist, dass die meisten Patientenverbände von Transparenz nicht allzuviel halten und dies von ihnen auch personell gar nicht leistbar ist. Insoweit spricht Klaus Heß etwas aus, was im Sinne der Verbände ist. Immerhin ist er als Selbsthilfebauftragter doch nah an der Basis dran.


gn8   2006-12-17  
Dass es "gekaufte" Selbsthilfeverbände gibt wollte ich nicht bestreiten, sie zu finden ist mit der Studie jedoch nicht möglich. Und da ich den Auftraggeber kenne und weiß, was ich ihm unterstellen kann (wenn nach § 20 SGB V nicht ausgezahlte Gelder wieder in den allgemeinen Haushalt der KV fließen), bleibt für mich nur festzustellen: die Summen unterscheiden sich, die Methoden weniger (Pharmaindustrie und GKV) beim Kampf um die Patienten.

Kann man z.B. viel mehr tun als das? Ich glaube spätestens seit den SIEMENS Prüfern 400 Mio. "entgangen" sind nicht mehr an Wirtschaftsprüfer usw.

Klaus Heß spricht für die Verbände, die wenig von Transparenz halten und traditionell große Nähe zu Pharma pflegen. Er spricht aber keinesfalls für die Mehrheit der Verbände, eher für ein paar ganz Große. Und da treffen sie sich dann wieder: die Mitglieder des wohlfahrtsindustriellen Komplexes. Wer dem Staat mehr schadet (im Sinne der Arbeit von Transparency) ist nicht so einfach festzustellen. Aus meiner Sicht: Pharma holt auf gegen die führenden Wohlfis (die mehr abgreifen als der Sektor Gesundheit insgesamt ausmacht).

Richtige Aufregung lohnt Dr. Schuberts Werk jedenfalls nicht, es war mehr der Sprecher Heß, der mich zum Kommentar anregte. Schönes Restwochenende noch.








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