Geschäft mit dem Wunschkind (update)


Wellcome Images

Ein ungewöhnlicher Lesetipp. Denn die Wirtschaftswoche ist eher als Verteidigerin der ungebremsten freien Marktwirtschaft bekannt. Bei Medizinthemen geht es in dem Magazin sonst um Innovationen in der Medizintechnik oder Erkenntnisse zur Gesundheit von Managern.

In der aktuellen Ausgabe beschäftigt sich die WiWo als Titelthema mit dem "Geschäft mit dem Wunschkind". Herausgekommen ist eine überaus kritische Analyse des Marktes rund um die künstliche Befruchtung inklusive der Rolle der Pharmaindustrie und die ethische Bewertung der Reproduktionsmedizin.

Es wird auch die Studie des Berlin Instituts angesprochen - 1,4 Millionen Paare, will uns das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung weismachen, sollen hierzulande ungewollt kinderlos sein - leider wird der Auftraggeber verschwiegen. Nach dem Bericht der Wirtschaftswoche soll Serono allein mit dem Blockbuster "Gonal f" 2006 rund $ 533 Millionen umgesetzt haben. Da sind die 80.000 Euro für die von Serono bezahlte Studie Kleingeld.

Abschluss ist ein Interview mit der Wissenschaftheoretikerin Bettina Bock von Wülfingen, in dem die Wissenschaftlerin darlegt, dass die von der Reproduktionsmedizin ins Spiel gebrachten Chancen zu einer Veränderung der Wahrnehmung führen. Genetische Investionen in Kinder werden normal, die Rolle der Erziehung und des sozialen Umfelds werden marginalisiert, der Krankheitsbegriff wird zum Angebot gewandelt - bis hin zur Pathologisierung der genetischen Unachtsamkeit.

Bock von Wülfingen zum Stichwort Anspruch gegen die Gesellschaft:
Zunächst einmal dadurch, dass sie [die Reproduktionsmedizin] sich zum Anwalt aller Kinderwunschpaare machen kann - also auch derjenigen, die sich als unverheiratete, gleichgeschlechtliche und sozial benachteiligte Paare allein gelassen und diskriminiert fühlen. Darüber hinaus erinnert uns die Öffentlichkeit an niedrige Geburtenraten, Kindermangel und demographischen Wandel - und bietet die Reproduktionsmedizin als Problemlösung an. Schliesslich wird eine stille Interessensübereinkunft zwischen pharmazeutischen Unternehmen, Reproduktionsmedizinern und aktiven Patientengruppen aktiviert, die etwa zur Forderung führt, die Behandlung von Infertilität ohne Ansehen von Gründen durchzuführen.

Insgesamt ein sehr informativ, wenn auch eine einen Tick zu sehr wertkonservative Sichtweise.

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Update
Ein Beispiel für die überzogenen Versprechungen der Reproduktionsmedizin zeigt eine Studie aus den Niederlanden. (Bericht in der Südddeutschen Zeitung). Danach verringert ein frühzeitiger Erbgut-Check die Wahrscheinlichkeit, dass ein im Reagenzglas gezeugter Embryo zu einem lebensfähigen Baby heranwächst - zumindest bei Frauen über 35 Jahren.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2007-07-08   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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