Wüstenwunder Umckaloabo

Bei der Recherche für den Echinacea-Artikel, ist mir ein anderes Wundermittel aus der Natur wieder über den Weg gelaufen. Umckaloabo - in diesem blog auch schon ein Thema. Den damals verlinkte FTD-Artikel sollte man immer wieder einmal in die Hand nehmen. In seltener Deutlichkeit wird der Einfluss des Pharmamarketings thematisiert.

Es ein Schnelldreher in den Apotheken mit einem Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro und das eines der erfolgreichsten rezeptfreien Präparate in Deutschland. Der Hersteller Spitzner Arzneimittel und Vertriebschef Traugott Ulrich haben von Anfang an voll auf Marketing gesetzt. Jedoch nicht traditionelle Formate, sondern ausnahmslos auf Advertorials und Schleichwerbung, sogenannte Sonderwerbeformen. Dafür gibt das Unternehmen jährlich mindestens 8 Millionen Euro aus, nach der pdf-Dateigroben Statistik von Nielsen.
Auch Traugott Ullrich textet Advertorials selbst und schert sich nicht um gängige Regeln.
pdf-DateiZitat aus: werben & verkaufen Nr. 50 2004, S. 58-60.

Traugott Ulrich hatte vor zwei Jahren noch die Kooperation mit Sat 1 dementiert, es langte dennoch zu einer Rüge des Deutsche Rats für Public Relations gegen die vermittelnde PR-Agentur Connect-TV. Übrigens zusammen mit dem ebenfalls durch unerlaubte Werbeformen auffällig gewordenen Klosterfrau Melissengeist.

Zum Nutzen des Mittels stellte das arzneimittel-telegramm 2003 fest:
Ein Nutzen des Pelargonium-Extrakts UMCKALOABO, der als "pflanzliches Antibiotikum" insbesondere bei Atemwegsinfektionen angeboten und beworben wird, ist nicht nachgewiesen.
...
Wir raten von der Anwendung des unzureichend dokumentierten Produktes ab. Ob die noch ausstehende Nachzulassung dem Mittel ein Ende bereitet?
2005 hat das Medikament vom BfArM die Nachzulassung erhalten, jedoch nur für die Indikation "akute Bronchitis". Es wird aber immer noch in den Medien allgemein für Erkältungen und Schnupfen empfohlen. Auch ein Erfolg des aggressiven Marketings.

Der Pflichttext "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" entfällt bei Advertorials und ist quasi überflüssig, da im Internet ein separater Bereich mit speziellen Informationen für Fachkreise bei umckaloabo.de fehlt. Obwohl vor 3 Jahren angekündigt. Der Arzt oder Apotheker weiss im Zweifelsfall nicht mehr als der Patient, oder kennt nur die Erfolgsmeldungen aus der Ärzte Zeitung.

Noch ein paar Highlights aus dem Umckaloabo-Marketing:
  • Ein kürzlich erschienenes Supplement der Zeitschrift "Phytomedicine", das ausschliesslich Umckaloabo behandelt. Supplements werden dem Verlag vom Hersteller bezahlt.
  • Der Hubert Burda Health Lunch im Jahr 2005 zur "Antibiotika Resistenz" mit Traugott Ulrich. Antibiotika Resistenz ist ein immer wiederkehrendes Thema für das Umckaloabo-Marketing und Ulrichs Arbeitgeber Spitzner ein guter Anzeigenkunde von Burda. Etwa in Fit For Fun (Bild 4) oder bei Focus.
  • Ein Film über die "Heilkraft aus der Wüste", der 2005 erstmals von 3sat ausgestrahlt worden ist und in dem Umckaloabo eine herausragende Rolle einnimmt.
Mit verantwortlich für den Erfolg des umstrittenen Präparats ist, dass das Marketing bewusst mit unseriösen Argumenten spielt, mit denen sonst nur Quacksalber ihre Wunderheilmittel anpreisen, inklusive der Erfolgsberichte in der Yellow-Press:
  • Keine Nebenwirkungen
  • Erfolgsgarantie
  • Vielseitig wirksam
  • Exotische Herkunft
  • Besser als die Schulmedizin
  • Seit Jahrzehnten bewährt
  • In Indikationen wirksam, für die es keine Zulassung/Studien gibt

 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-08-08   Link   (9 KommentareIhr Kommentar  


siyani   2007-08-08  
dazu muss es immer zwei volldubel geben, um auf den umsatz zu kommen:

1. eine zulassungsbehörde (wieso ist das nicht zb "bloss" ein nahrungsergänzungsmittel?)

2. patienten, die glauben, dass man gegen erkältung was machen kann.


strappato   2007-08-09  
Zu 1.
Wolfgang Becker-Brüser vom arzneitelegramm interpretiert die Zulassung als good-will-Entscheidung des Amtes.

Nahrungsergänzungsmittel ginge nach dem Arzneimittelgesetz nicht. Dazu kann ich aber morgen noch was näheres scheiben, ich habe die notwendigen Unterlagen nicht hier.

Zu 2.
Für die Erwartungshaltung, dass die Pharmaindustrie gegen jede Unpässlichkeit auch was im Medikamentenschrank hat, sind zum geringsten Teil die Patienten verantwortlich.


siyani   2007-08-09  
bekanntlich verlässt ein patient aber eine arztpraxis ungern ohne einer verschreibung bzw. einer diagnose. zugegeben, dass es überhaupt so weit kam, verdanken wir natürlich dem guten ernst theodor amandus litfaß.


hockeystick   2007-08-09  
Lesenswert ist auch ein Artikel im arznei-telegramm aus dem vergangenen Jahr:

UMCKALOABO, DIE LEBER UND SPITZNER

Den Bericht über Verdacht auf Leberschädlichkeit des Pelargonium-Pflanzenextraktes UMCKALOABO in a-t 2006; 37: 41-2 interpretiert die Firma Spitzner als Diskreditierung ihres Produktes. In Anschreiben "an alle Apotheken und Ärzte" behauptet sie, ein Zusammenhang mit der Einnahme sei "unwahrscheinlich", weil der beschriebene Patient "über lange Jahre zusätzlich ein Präparat mit bekanntermaßen leberschädigendem Potenzial (Ibuprofen) eingenommen hat" und weil die klinische Dokumentation "keinen Hinweis auf mögliche pathologische Leberveränderungen" ergebe.1 Spitzner wolle "alle rechtlichen Optionen" prüfen, um gegen die "diffamierende Darstellung vorzugehen".

[...]

Der Vorgang offenbart einen erschreckenden Umgang des Phytopharmakaherstellers mit Verdachtsberichten über Nebenwirkungen. Der Verweis auf eine langjährige potenziell hepatotoxische Komedikation soll vom eigenen Präparat ablenken, ist aber nicht schlüssig, wenn eine zeitliche Assoziation mit der Einnahme des aktuell verdächtigten Präparates besteht. Zudem können weder ein Zulassungsbescheid noch klinische Studien "bestätigen", dass leberschädigende Effekte eines Produktes auszuschließen sind. Von den mindestens 78 Meldungen, die dem BfArM in Verbindung mit Pelargonium-Extrakten seit 1990 vorliegen,3 betreffen zwei die Leber und werden in der Kausalität von der Behörde als "mindestens möglich"4 eingestuft. Während die Rote Liste zumindest Magen-Darm-Beschwerden, Überempfindlichkeitsreaktionen sowie Zahnfleisch- oder Nasenbluten als unerwünschte Effekte aufführt, bewirbt Spitzner den Wurzelextrakt als "ohne bekannte Nebenwirkungen", der selbst "Kindern ab dem 1. Lebensjahr bedenkenlos gegeben werden" könne.5

[...]

Die finanzielle Basis der Firma Spitzner erscheint krisenanfällig. Knapp zwei Drittel des Umsatzes über öffentliche Apotheken von 77 Millionen € entfallen auf UMCKALOABO. Kritik am Nutzen des Präparates (a-t 2003; 34: 28-9) und Nebenwirkungsberichte treffen daher den Nerv der Firma. Das a-t selbst hat im Übrigen bis heute kein Gegendarstellungsersuchen erhalten. Verdachtsberichte der Fachkreise zu Nebenwirkungen entziehen sich nach unserer Einschätzung dem Prinzip der Gegendarstellung. Die Firmenbehauptungen nach dem Motto "wahr ist" erachten wir als Desinformation des Firmenmarketings. Ein solches Vorgehen ist nicht geeignet, Vertrauen für Produkt und Firma zu wecken, -Red.



kelef   2007-08-09  
"reine naturprodukte"
und die sache mit den neben- und wechselwirkungen ist sowieso eine merkwürdige welche. einerseits wird jeder sch... in fach- und gebrauchsinformationen aufgenommen, andererseits findet sich im internetz auf anhieb z.b. folgender interesssante eintrag:
http://www.tippscout.de/lakritze-und-bluthochdruck-medikamente-vermeiden_tipp_518.html

und jetzt gehen wir alle und schauen einmal nach, in welchem entsprechenden beipackzetterl wir denn auch nur den allergeringsten hinweis darauf finden.

dafür aber finden wir in den apotheken der-teufel-weiss-wieviele zubereitungen an hustenmitterln mit lakritze. und dann fragen wir einmal - nur so aus jux und tollerei - ob es damit wechselwirkungen geben könntert. sagt so gut wie jeder arzt oder apotheker, lakritze können sie unbedenklich, ist ja ein ganz natürliches produkt, höchstens muss man wegen zucker aufpassen.

kann man aber auch prächtig die erbtant' damit um die ecke bringen, mit ein wenig glück. und das ist dann ein ganz natürlicher tod, quasi, dauert nur ein bisserl.

aber mir sind ja generell die zulassungsmodalitäten für das ganze phyto- und homöo- und sonstige zeugs suspekt, da gehörte wohl vielen herstellern eins über die rübe.


siyani   2007-08-09  
dass sich dieses ganze wurzel-, blumen und knollenzeuch gerne an die leber ranmacht, ist jedem insider aus der pharmakologie bekannt, wobei es - und das muss man natürlich den "präparaten" zugute halten - die dosierung ausmacht. für gefährlicher halte ich daher phytokram, der bei chronischen krankheiten praktisch lebenslang eingenommen wird. zu dem thema fällt mir momordica und die pharma-grosskampfbaustelle zimtzubereitungen gegen diabetes ein (eine studie - ein hype - marktexplosion - so schnell kanns gehen).


gn8   2007-08-09  
Mir bleibt vor allem: die Patienten sind sehr wohl bereit noch viel mehr üfr Gesundheit auszugeben als der Beitrag der Krankenversicherung ausmacht. Erhörungen dort stören also nur die Arbeitgeber und die Hersteller dieser vielen «Mittelchen». Dass viel obskurer Quatsch (meine persönliche Wertung) überhaupt auch noch in die Erstattungspraxis der GKV Eingang gefunden hat liegt eindeutig an den Politikerinnen mit Doppelnamen im Gesundheitsbereich, denen kann man erzählen was man will, die halten ausschließlich ihre eigenen Erkenntnisse für maßgebend. Und insofern bleibt nur ein zynisches: Weiter so!


kelef   2007-08-09  
alles in allem, herrschaften: wir haben vermutlich in die falsche richtung gedacht. die kombination von althergebrachten naturheilmitteln (jetzt im weitesten sinne) und ultramodernen pharmaka führt über neben- und wechselwirkungspotential einfach zu einer niegrigeren höchstaltersgrenze (das wort hab' ich mal wo gelesen und extra für so eine gelegenheit aufgespart).

also eben: weiter so.


hockeystick   2009-11-17  
Aktuell empfiehlt die schleichwerbeerfahrene Fernsehbeilage rtv in ihrer einschlägigen Rubrik "Gesundheit" unter der Überschrift "Schweinegrippe - Was Sie selbst tun können", "ein Spezialextrakt aus der südafrikanischen Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides). Der Extrakt, den es bisher nur in Tropfenform gab, ist jetzt auch als Tablette (Apotheke) erhältlich. Studien belegen ..." usw. usf. Ob da Herr Ullrich wohl wieder selbst die Feder geführt hat? Zufälligerweise gibt es ausgerechnet bei Spitzner eine Umckaloabo-Tablette.








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