Kopfgeld bei Mammograpie-Screening Das Nachrichtenmagazin "Focus" hat in seiner Ausgabe vom 26. März 2007 das Mammographie-Programm zur Brustkrebs-Früherkennung kritisiert. Das Magazin zitiert den Präsidenten der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), Maximilian Reiser, der dem Screening-Programm gravierende Mängel unterstellt. Die grossen Zentren seien von der Früherkennung und Therapie bösartiger Karzinome in der weiblichen Brust ausgeschlossen. Mit viel Aufwand und hohen Kosten sei eine „diagnostische Parallelwelt“ bei niedergelassenen Ärzten etabliert worden, die wichtige Methoden wie die Stanz-Biopsie erst neu erlernen mussten. Besonders brisant ist der Vorwurf, dass bei der Überweisung von Patientinnen in eine Klinik Schmiergelder fliessen. Focus beruft sich auf nicht namentlich genannte Chefärzte und Brustkrebs-Spezialisten, dass manche Screening-Ärzte die Patientinnen deshalb nicht unbedingt in das beste Zentrum schicken würden, sondern in eines, das Kopfgelder zahle. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat reagiert und in einem offenen Brief erklärt: Die Kooperationsgemeinschaft Mammographie, die in der Trägerschaft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkasse die Einführung des deutschen Mammographie-Screening-Programms koordiniert, teilte hierzu am 27. März 2007 mit, dass ihr solche Machenschaften nicht bekannt sind. Wer hätte erwartet, dass dies der KBV bekannt ist? [Ambulante Versorgung]
Ärztliches Prekäriat pepa beschreibt den Kampf ums ärztliche Einkommen. In letzter Zeit drängen sich mir manchmal Gedanke auf wie: "Wenn dich jetzt der Schlag trifft, dann können sich deine Kinder wenigstens eine Zeit lang von deiner Lebensversicherung ernähren". Wie knapp manche niedergelassenen Ärzte bei Kasse sind, erleben wir gerade bei einer Studie. Es überrascht, dass etliche Ärzte sehr zügig und massiv das vereinbarte Studienhonorar fordern. Und wenn man mit den Ärzten am Telefon spricht, dann merkt man, nicht aus Raffgier. [Ambulante Versorgung]
Glaskugel Die Deutschen gehen im Schnitt 16x im Jahr zum Arzt. Das war ein Thema in den Medien der vergangenen Tage. Ein scharfer Kontrast zu anderen Schlagzeilen aus den letzten Wochen:
Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Die Datenlage ist schlecht. Über die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen sind harte Fakten die Ausnahme. So wurden die Zahlen der EVaS-Studie von 1981/1982 noch bis Ende der 90er Jahre zitiert. Daher erregt eine solche Untersuchung, wie die vor ein paar Tagen veröffentlichte, auch ein so grosses Interesse. Vereinfacht: Wir geben für unser Gesundheitssystem gemessen im Bruttoinlandsprodukt weltweit am zweitmeisten aus, wissen aber mit am schlechtesten, was in dem System eigentlich passiert. Da könnte man fast eine Glaskugel nehmen. Sehr wahrscheinlich ist wohl beides richtig. Es gibt Überversorgung aber gleichzeitig auch Unterversorgung und Fehlversorgung. Das hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen schon in seinem Gutachten 2000/2001 festgestellt. Die Deutschen sind bei Arztbesuchen also Weltmeister. Beim Röntgen müssen wir uns aber noch anstrengen: Röntgen: Deutsche Ärzte sind Vize-Weltmeister. -- Wer sich selber informieren will. Hier gibt es die ganze Studie. [Ambulante Versorgung]
Kit-Pack - Kick-Back Eigentlich wollte ich mal wieder über was anderes berichten, als über die unsauberen Methoden der Pharma- und Medizingeräteindustrie. Aber es ist was dazwischen gekommen. Der aktuelle Fall: Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat gegen sieben Mitarbeiter des Unternehmens Lohmann & Rauscher ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In den Fall sollen bundesweit 527 Ärzte verstrickt sein, die falsch deklarierte Lieferungen mit medizinischem Material bezogen haben sollen. Gegen sie ermitteln ebenfalls die Staatsanwaltschaften. Der Schaden soll nach Schätzung der Staatsanwaltschaft knapp 15 Millionen Euro betragen. Wenn die Vorwürfe zutreffen, haben Ärzte und Unternehmen eine Besonderheit beim "Verbrauchsmaterial" der Praxen sich zunutze gemacht. Bei den Vertragsärzten wird zwischen Sprechstundenbedarf und Praxisbedarf unterschieden. Während der Sprechstundenbedarf, wie z.B. Verbände, von den Krankenkassen bezahlt wird, muss der Praxisbedarf, (beispielsweise Abdecktücher, aber auch Büromaterialien oder Instrumente) von den Ärzten aus ihren Praxiseinnahmen bezahlt werden. In dem Betrugsfall soll der Praxisbedarf verbilligt abgegeben und über den Sprechstundenbedarf zu Lasten der Krankenkassen subventioniert worden sein, indem alles in "Kit-Packs" zusammen gepackt und abgerechnet wurde. Durchaus mit einiger kriminelle Energie. Nicht nur, dass bei der Abrechnung mit der Krankenkasse nicht darauf hingewiesen wurde, dass es sich überhaupt um ein Kit-Pack handelte und somit auch nicht, dass der Praxisbedarf zu einem verbilligten Preis abgegeben wurde. Sondern die Kit-Packs sollen mit Verbandsmaterial aus nichtsterilen Grosspackungen bestückt worden und das Kit-Pack anschließend im Ganzen sterilisiert worden sein. Gegenüber der Krankenkasse soll dann jedoch nicht die billigere, nichtsterile Verbandsform, sondern die sterile einzeln verpackte Form abgerechnet worden sein. Das nennt man dann wohl "systematischer Betrug". Zur Vollständigkeit hier die Stellungnahme des Unternehmens, in der alle Vorwürfe zurückgewiesen werden. In einem früheren Projekt habe ich schon gemerkt, dass mit dem Sprechstundenbedarf nicht alles so transparent läuft. Wir sind vom Headquarter eines Unternehmens beauftragt worden und sollten eigentlich Empfehlungen für das pricing eines neuen Produktes geben. Bei der Kalkulation mit den Ärzten wollte sich die deutsche Niederlassung nicht in die Karten schauen lassen. Was den Projekterfolg nachhaltig erschwerte. [Ambulante Versorgung]
Unternehmertum Niedergelassene Ärzte verweisen gerne auf ihre Freiberuflichkeit und die damit verbundenen Risiken, um mehr Honorar zu rechtfertigen. Wenn das GKV-WSG in der vorliegenden Form in Kraft tritt, dann können die Ärzte mal zeigen, was unternehmerisch in ihnen steckt. Das Gesetz wird den Ärzten grössere Freiheiten geben, mit den Krankenkassen Einzelverträge abzuschliessen. Die Ärzte Zeitung weist auf die Kehrseite hin: Wenn sich Krankenkassen künftig im Wettbewerb untereinander auch durch Einzelverträge profilieren können, dann kann man andere Kassen für die Folgen nicht mehr haftbar machen. Die Gesundheitsreform hat mit der Beseitigung der Verbandshaftung ungewohnte Konsequenzen: Wird in Zukunft eine Krankenkasse zahlungsunfähig, müssen die Gläubiger ihre Ansprüche nach den Regelungen des Fünften Teils der Insolvenzordnung schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden. Gläubiger können außer Versicherten und Arbeitgebern auch Ärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringer sowie deren Organisationen sein. Was von den Gläubigern beim Insolvenzverwalter als Forderungen angemeldet wird, ist dann Grundlage für die Verteilung der Konkursmasse. Krankenkassen, die Pleite gehen? Was bisher eher spekulativ anmutet, soll ab 2008 Realität werden. Für alle Kassen soll ab 2008 das Insolvenzrecht gelten. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass ein Paragraf der Insolvenzordnung, der es bisher den Landesregierungen erlaubte, Kassen als Einrichtung des öffentlichen Rechts vor dem Insolvenzverfahren zu retten, keine Anwendung mehr findet. Die kasseninternen Haftungsverbünde auf Bundesebene sollen dann künftig nur noch für Altschulden, die vor dem 1. Januar 2008 aufgelaufen sind möglich sein. Durch den Gesundheitsfonds und die Begrenzung der Zusatzprämie auf 1% des Einkommens sind Krankenkasseninsolvenzen wahrscheinlich, wenn eine Kasse mit dem Geld nicht hinkommt. Der Arzt kann noch nicht einmal die Behandlung eines Patienten einer von der Insolvenz bedrohten Krankenkasse verweigern, da in der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherte Anspruch auf Behandlung nach dem Sachleistungsprinzip hat und sich der Zahlungsanspruch des Arztes gegen die Kasse richtet. Ulla Schmidt will mit aller Macht die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen reduzieren. Da sind fast alle Mittel recht - auch wenn es die Ärzte trifft. [Ambulante Versorgung]
Einfluss von Pharmareferenten Ich schreibe gerade ein Paper, das sich mit Kriterien für die Bewertung der Effizienz von Medikamentenverschreibungen beschäftigt. Da ist mir ein bemerkenswerter Artikel in die Hände gefallen. Eine Studie aus den Niederlanden hat gezeigt, dass die Anzahl der Besuche von Pharmareferenten in Einzelpraxen negativ mit der Qualität der Medikamentenverschreibung korrelieren. Fam Pract 2005;22:624-630 Ein Argument für Ulla Schmidt, die die Besuche des Pharmaaussendienstes bei niedergelassenen Ärzten beschränken will. [Ambulante Versorgung]
Von der Wiege bis zur Bahre... ... Formulare. Den Formularirrsinn in einer Hausarztpraxis hat ein Allgemeinmediziner der Ärzte Zeitung an drei Beispielen erläutert: Dr. Bodendiecks Baustellen der täglichen Bürokratie. [Ambulante Versorgung]
Ulla Keineahnung Das wird hier langsam ein "Ulla Schmidt Bashing Blog". Möchte ich gar nicht, weil es wichtigere Themen im Gesundheitswesen gibt. Aber die Dame macht es einem auch leicht. So wieder heute: Ulla Schmidt hat den Berliner Ärzten mit rechtlichen Konsequenzen wegen der für kommende Woche geplanten Protestaktionen gedroht. In dem Interview mit der Berliner Zeitung bewies sie erneut ihre Unkenntnis. Alle niedergelassenen Ärzte müssten wegen des gesetzlich verankerten Sicherstellungsauftrags Patienten behandeln und die medizinisch notwendigen Medikamente verordnen. Sie meint natürlich alle Vertragsärzte ("Kassenärzte"), denn die niedergelassenen Ärzte, die nur Privatpatienten behandeln, sind für den Sicherstellungsauftrag nicht verantwortlich. Wer als Kassenarzt notwendige Medikamente verweigert, um damit zu zeigen, wie sich eine angebliche Rationierung auswirkt, der handelt im Sinne seines Auftrags unethisch und im allgemeinen Bewusstsein unmoralisch. Ehrenhaft, aber ich denke sehr viele Patienten haben schon erlebt, dass Ärzte aus Sorge um die Überschreitung ihrer Richtgrössen Medikamente oder Therapien verweigert haben. Das allgemeine Bewusstsein - ein Begriff, den das Arztrecht und das Sozialgesetzbuch als rechtliche oder moralische Instanz nicht kennt - weiss, dass die Zwei-Klassen-Medizin schon Realität ist. Ärztekammer und Krankenkassen müssen bei jedem Vertragsbruch handeln. Die Ärztekammern sind nicht zuständig, wenn es um die vertragsärztliche Versorgung geht. Zuständig ist die Kassenärztliche Vereinigung. Wie gehandelt wird, ist im § 72a SGB V festgelegt. Mein Ministerium hat zudem die zuständige Berliner Aufsichtsbehörde gebeten, diese Fälle zu prüfen und umgehend abzustellen. Ich wette, sie kann auf Anhieb nicht sagen, wer diese zuständige Berliner Behörde ist. Es ist der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz. Solche Amtshilfe würde ich mir als Gesundheitssenator/in verbitten - impliziert es doch, dass die Berliner Verwaltung schläft. Aber die Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner beweisst ähnlich viel Expertise. Sie wandte sich gegen die angebliche Absicht der Kinderärzte, aus Protest gegen das von der Bundesregierung geplante Arzneimittelspargesetz keinen Hustensaft mehr zu verordnen. Hustensaft ist lediglich apothekenpflichtig und nicht rezeptpflichtig. Die Versorgung mit diesem lebenswichtigen Medikament ist also gesichert. Müssig zu erwähnen, dass der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte erklärte, es gebe keinen Beschluss, Kindern Arzneimittel irgendeiner Art vorzuenthalten. Die Kassenärztliche Vereinigung versicherte, dass trotz der Proteste ist die Versorgung der Patienten vollständig gesichert ist. Insbesondere die Notfallversorgung sei sichergestellt. Alles in allem spürt man förmlich die Hilfslosigkeit der Ministerin angesichts der nicht endenden Proteste gegen ihre Politik. Falls es irgendwo einen Buchmacher gibt, der Wetten auf den ersten Ministerrücktritt in der grossen Koalition annimmt: Ulla Schmidts Quote sinkt täglich. [Ambulante Versorgung]
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