Eine Zahl macht Karriere: 10%

10% - das soll der Anteil der Arzneimittelfälschungen sein. Ob vfa, ABDA, Spiegel, usw. Eine Zahl, die sich gut verkauft und für die Durchsetzung von eigenen Interessen benutzen lässt. Den Pharmakonzernen geht es darum, der Konkurrenz von Generika und Parallelhandel das Leben schwer zu machen, die die Preise drücken, die Apotheker wollen den Versandhandel diskreditieren, und Journalisten sind eh immer auf der Suche nach der Sensation.

Dabei kennt niemand den Anteil von gefälschten Medikamenten. Für die 10% wird gerne die WHO als Quelle genannt. Obwohl die FDA und die WHO schon seit langem zurückrudern. Beide Organisationen bestreiten mittelrweile diesen hohen Prozentsatz und schätzen, dass Fälschungen 1% oder weniger an den verkauften Medikamenten in den entwickelten Ländern ausmachen, in denen auch der weitaus grösste Anteil der Arzneimittel verkauft wird.

Der Journalist Carl Bialik ist im Wallstreet Journal der Zahl nachgegangen.

Die 10% tauchten zum ersten Mal 2002 in einem Editorial des BMJ auf. Sie beziehen sich auf eine auf eine Studie, die 1999 iun Vietnam und Myanmar durchgefüht worden war. Für die Untersuchung wurden von Wissenschaftlern der WHO 500 Stichproben von Medikamenten untersucht, die im Verdacht standen, ein besonderes Ziel von Medikamentenfälschern zu sein.

Obwohl die WHO diese Zahl als Schätzung für den weltweiten Anteil schon 2006 bezweifelte, hatte der runde schöne Prozentsatz schon Karriere in den Medien und bei den Interessensgruppen gemacht.

Arzneimittelfäschungen sind ein ernstes Thema. Zu wichtig, um mit fragwürdigen Statistiken PR zu machen.
 
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Autor: strappato   2010-09-14   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Interessen der Pharmaindustrie beim Thema Arzneimittelfälschungen

Der scheidende EU-Industriekommissar Günter Verheugen erweist der Pharmaindustrie einen letzten Dienst und entfacht einen Mediensturm zum Thema Arzneimittelfälschungen.

Gefälschte Arzneimittel sind ein ernstes, aber auch komplexes Thema. Im Wind der Ängste segelt die Pharmaindustrie, mit dem Ziel die Vertriebswege und damit auch Preise unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ein Arbeitsgebiet für Lobbyisten. Komplex und emotional - da sind die Medien ein gefundes Fressen für die Interessensvertreter. Ein Extrembeispiel war vor einigen Wochen ein Beitrag des Bayerische Rundfunk im ARD-Magazin Plusminus. Zwei Pfizer-Mitarbeiter durften die Relevanz des Probems aufzeigen, nicht einmal Experten im Dienst der Arzneimittelhersteller haben die Journalisten gebraucht. Der TV-Beitrag war eine einzige Werbung für den Direktvertrieb und würde sich in jeder Pfizer-Pressemappe gut machen.

Während in Deutschland mit der AMG-Novelle die Grosshändler einen Belieferungsanspruch gegenüber den Pharmaherstellern bekommen haben, ist die Industrie in Grossbritannien weiter. Dort vertreibenPfizer und 16 andere Hersteller ihre Präparate exklusiv an die Apotheken (Direct to pharmacy, DTP) oder haben den Vertrieb eingeschränkt. Das sichert den Phamaunternehmen Umsätze und Schutz vor Parallelimporten, jedoch verschlechtert die Versorgung mit Arzneimitteln, weil es zu Lieferengpässen kommt.

Als Lösung das Problems der Arzneimittelfälschungen sieht Verheugen, dass der Weg einer Arznei von der Herstellung bis zum Verkauf "minuziös" zurückverfolgt werden könne mittels Sicherheitszeichen wie etwa Barcodes auf den Verpackungen. Das würde das Ende der von der Pharmaindustrie verhassten Parallelimporte bedeuten, da durch Einzelkennzeichnung die Quellen nachverfolgt und trockengelegt werden können. Wie auch beim Direktvertrieb ist das Ziel, die Märkte in den verschiedenen Ländern abzuschotten, die wenigen Hochpreis-Märkte zu schützen und die Position bei Preisverhandlungen mit Regierungen und Krankenversicherungen zu stärken.

Auch in den USA wollen die Pharmaunternehmen mit vergleichbaren Argumenten die weltweit höchsten Arzneimittelpreise halten und Parallelimporte verhindern.

Die eigentliche Gefahr, wie gesundheitsschädigende Stoffe in die offizielle Medikamenten-Distributionskette gelangen können, wird ignoriert. Bei der FDA sind gerade einmal 2 Kontrolleure mit der Vorort-Prüfung von Arzneimittelfabriken in China befasst, aus denen Vorprodukte und Medikamente an die Pharmakonzerne geliefert werden. Die EU inspeziert Arzneimittelfabriken in China nur, wenn es Zwischenfälle gegeben hat. Obwohl für die grossen Pharmakonzerne hunderte Fabriken in China tätig sind, haben EU-Kontrolleure im Jahr 2008 nur 19x Arzneimittelfabriken ausserhalb der EU und der westlichen Industrieländer besucht. Erschreckend, wenn man sich vorstellt, dass Indien und China 70-80% der Wirkstoffe pdf-Dateiherstellen, die in europäischen Generika landen.

Update:

US-Senat streicht Pharma-Importe aus Gesundheitsreform - Sieg für die US-Pharmaindustrie.
 
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Autor: strappato   2009-12-14   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Pharmalobbyisten für Worst EU Lobbying Award nominiert

Die erfolgreiche Lobbyarbeit der Pharmaindustrie zur Einschränkung des Wettbewerbs und freien Warenverkehrs durch die Erzeugung von Panik vor gefälschten Medikamenten wird möglicherweise gebührend geehrt werden. Heisser Anwärter auf den Worst EU Lobbying Award ist diesem Jahr die "European Alliance for Access to Safe Medicine (EAASM)", die nominiert ist, weil sie die Beteiligung grosser Pharmakonzerne in ihren Kampagnen verschweigt. Der Preis für das schlimmste Lobbying in der EU geht an diejenige Lobby-Kampagne, die am meisten auf Täuschung, irreführende Informationen oder andere unsaubere Lobbytaktiken zurückgegriffen hat, um die Entscheidungen innerhalb der EU zu beeinflussen.

Aus dem pdf-DateiNominierungstext:
Als Sekretariat für EAASM fungiert die in London ansässige PR-Agentur Medicom. Die Pressemitteilung zu dem Bericht wurde von Medicom veröffentlicht; Medicom ist im Bericht als einzige Kontaktadresse aufgeführt und von ihr werden auch Anfragen an EAASM beantwortet. Bis Januar 2008 war Martin Ellis, Direktor der Medicom Group, auch gleichzeitig der Direktor der EAASM. Weder Medicom noch EAASM haben sich bisher im freiwilligen Lobby-Register der Europäischen Kommission eingetragen.

Die Online-Abstimmung für die Worst EU Lobbying Awards endet am 30. November. Die Gewinner werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am 9. Dezember in Brüssel verkündet. Also wählen gehen:

worstlobby.eu

--
Update
Der EAASM könnte ein Preisregen drohen: Die EAASM zählt zu den Anwärtern auf den Pharmaceutical Marketing Effectiveness Award (PMEA) für die herausragende Arbeit im Bereich Patientenkommunikation. Einreicher ist Medicom. Die Preisverleihung findet am 2. Dezember statt.
 
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Autor: strappato   2008-10-21   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

EuGH billigt Parallelhandel - zum Teil

Pharmaunternehmen dürfen nur in bestimmten Fällen durch Lieferboykott oder Mengeneinschränkungen Grosshändler benachteiligen. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem gestern veröffentlichten Urteil pdf-Dateifestgestellt. In dem Verfahren ging es um die Bestellungen der griechischen Grosshändler, die von GlaxoSmithKline (GSK) nicht mehr beliefert worden sind, da sie die Medikamente auch in andere Mitgliedstaaten exportieren.

Griechenland gehört zu den Ländern der EU mit den niedrigsten Arzneimittelpreisen. Mit dem Verweis auf die Knappheit der GSK-Medikamente und einer Änderung des Vertriebssystem sollten Exporte in Ländern mit höheren Preisen, wie Deutschland unterbunden werden. GSK begann, im Jahr 2000 diese Arzneimittel den griechischen Krankenhäusern und Apotheken selbst zu liefern.

Das Gericht verwies auf die Beurteilung der Angemessenheit und der Verhältnismässigkeit der Massnahmen. Nach Auffassung des EuGHs sollte das Kriterium sein, ob die von den Grosshändlern aufgegebenen Bestellungen normal sind - was die nationalen Gerichte entscheiden sollen.

Die Ärzte Zeitung spricht von einem vagem Urteil. Vom europäischen Verband der Parallelimporteure (EAEPC) wird der Beschluss als Sieg für den Wettbewerb wie erwartet gefeiert. Der von der Financiel Times zitierte Lobby-Anwalt der internationalen Kanzlei Covington & Burling sieht einen Vorteil für die Pharmakonzerne, da das Gericht erstmalig den Pharmaunternehmen Einschränkungen des Vertriebs und die Kontrolle der Vertriebswege zubilligte.

Es brauchte 8 Jahre, bis der Streit vom Europäischen Gerichtshof entschieden worden ist. Das Urteil könnte bald schon Makulatur sein, da die Pharmaindustrie auf das Verbot des Parallelhandels dängt. Begründet wird dies mit den Gefahren für die Arzneimittelsicherheit. EU-Kommissar Verheugen will nach einem internen Richtlinien-Entwurf das Umpacken von Arzneimitteln verbieten und ein ArzneimittelIdentifikationssystem einführen. Ungeachtet der Tatsache, dass, wie Dr. Michael Nell vom AOK-Bundesverband in der Ärzte Zeitung sagte, in Deutschland seit der Einführung des Parallelhandels im Jahr 1975 kein Fall bekannt geworden sei, der zu einer Beeinträchtigung der Arzneimittelsicherheit geführt habe.

Alleine in Deutschland beträgt das Einsparvolumen durch den Import preiswerterer Medikamente aus anderen EU-Ländern nach Angaben des AOK-Bundesverbandes 190 Millionen Euro.
 
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Autor: strappato   2008-09-17   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Was sind Arzneimittelfälschungen?

Die österreichische Zeitung "Der Standard" lichtet ein wenig das sprachliche Dickicht, das von Pharmalobbyisten in der Diskussion um Arzneimittelfälschungen gerne genutzt wird.

Wissen: Was sind Arzneimittelfälschungen? Fälschung ist nicht gleich Fälschung - Es gibt mehrere Varianten der illegalen Geschäftemacherei mit Medizinprodukten.
 
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Autor: strappato   2008-08-20   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Erfolgreiche Lobbyarbeit bei Arzneimittelfälschungen

Focus online berichtet, wie andere deutsche Medien, über die Gefahr, dass Patienten im Internet gefährliche Medikamentenfälschungen bei online-Apotheken erwerben. Quelle ist die europäische Patientenorganisation „European Alliance for Access to Safe Medicines“ (EAASM). Nach einer pdf-DateiStudie dieser Organisation waren 62% der so erworbenen Medikamente gefälscht, minderwertig oder nicht zugelassen.

Was ist das EAASM? Da langt ein Blick auf die Sponsoren: Bayer, Lilly, Boehringer, Pfizer, Wyeth, Johnson & Johnson (J&J), Idis (ein internationaler Pharmazie-Dienstleister), Aegate (noch ein Apothekendienstleister), Ahura Scientfic (Anbieter von Analysegeräten zur Identifizierung gefälschter Wirkstoffe). Klingt nicht sehr nach "Patientenorganisation". Der Eindruck verstärkt sich bei dem Vorsitz der EAASM, Jim Thomson. Ein Profi im Astroturfing.

Patientensicherheit ist ein ernstes Thema und darf nicht den Lobbyisten überlassen werden.

Der Erfolg rechtfertigt in diesem Fall wohl die Mittel. Von den Linken bis zur CSU gibt es in allen Parteien Bestrebungen, den Arzneimittelversand einzuschränken. Obwohl die weit überwiegende Anzahl aller Arzneimittelfälschungen den Versand durch kriminelle ausländische Apotheken bzw. illegale ausländische Anbieter betrifft, die auch nach dem Recht ihres Heimatstaates nicht als Apotheke anerkannt sind. Die überdies in vielen Fällen aus Staaten ausserhalb der EU agieren. Gerade diese waren Gegenstand der Studie des Lobbyverbandes, ausgewählt mit keywords wie "‘online pharmacy","cheap medicines", "medicines online", "buy [medicine name] online", sowie zusätzlich aus Spam-Mailings herausgefischt. Was die von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) aufgeschreckten Medien ignorieren und stattdessen sich die ABDA-Forderungen ins Content Management System hacken lassen.
"Deshalb ist es ein Gebot des Verbraucherschutzes, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu verbieten."

 
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Autor: strappato   2008-07-29   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Gefahr durch Arzneifälschungen übertrieben?

Der Arzt und Professor für Medizinrecht, Alexander Ehlers, trägt in der Ärzte Zeitung Fakten zusammen.

In dem Artikel könnte man grossteils "Versandhandel" durch "Parallelimporte" ersetzen, auch ein Ärgernis für die Pharmaindustrie, das sie mit Kampagnen und Lobbyarbeit gegen Arzneimittelfälschungen aus dem Weg schaffen will und bei dem sie mit EU-Pharma-Kommissar Verheugen einen Fürsprecher gefunden hat.

Was fehlt ist die Beantwortung der Frage "Cui bono". Da üben die Ärzte Zeitung und der Medizinrechtler verständlicherweise Zurückhaltung - man will es sich ja nicht mit den Kunden verscherzen. Klar und deutlich: Die Pharmaindustrie will den Vertrieb und damit den Wettbewerb kontrollieren, um höhere Preise durchzusetzen.

Die breit angelegte Untersuchung der EU-Kartellbehörde zeigt, dass Umsatz über dem Patientennutzen steht. Auch wenn Verheugen es nicht sehen will.
 
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Autor: strappato   2008-06-26   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Verheugen will Ende von Parallel-Importen

EU-Pharma-Kommissar Verheugen will Parallel-Importe verbieten. Die Kampagne der Pharmakonzerne zur Gefahr von gefälschten Medikamenten ist erfolgreich gewesen.

In dem Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik hat die Pharmaindustrie einen gewaltigen Fürsprecher. Die geplante Lockerung der Werbeverbote für Medikamente geht auch auf die Initiative von Verheugens Kommissariat zurück.
 
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Autor: strappato   2008-06-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

VfA kocht PR-Süppchen auf Heparinskandal

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) verweist heute in einer Presseerklärung auf den Heparinskandal mit zahlreichen Todesfällen in den USA. Der Leser reibt sich erstaunt die Augen: Will sich der VfA überraschend für eine bessere Kontrolle der fernöstlichen Produktionsstandorte renommierter Pharmaunternehmen einsetzen? Oder gar für einen Rückzug aus China?

Weit gefehlt. Vielmehr darf der vielzitierte BKA-Experte Frank Lippert zum gefühlt 500. Mal medienwirksam auf vermeintliche Gefahren durch Medikamentenfälschungen aufmerksam machen.

Was die beiden Themen miteinander zu tun haben? Eigentlich nichts.
 
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Autor: hockeystick   2008-04-28   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Baxter bezieht Heparin aus unkontrollierter Fabrik

In den USA kam es zu mehreren Todesfällen nach der Behandlung mit Heparin des Pharmaunternehmens Baxter. Das Ausgangsprodukt stammte aus einer Fabrik in China, die von der US-Überwachungsbehörde FDA vor Ort nicht untersucht worden ist.

Es kommt noch schlimmer. Die chinesische Fabrik, deren Produkt als Quelle für die allergischen Reaktionen identifiziert worden ist, wurde auch von den chinesischen Aufsichtsbehörden nicht kontrolliert. Der für die internationalen Programme Verantwortliche bei der FDA sagte, dass die chinesische Aufsichtsbehörde nur Fabriken kontrolliert, die Medikamente für die eigenen Bürger herstellen. Die Provinzbehörden könnten Inpektionen bei Fabriken, die für den Export produzieren anordnen, aber dies sei nicht verpflichtend.

Halten wir fest: Baxter versorgt die Hälfte des US-Marktes mit Heparin, das in einer chinesischen Fabrik hergestellt wird, die weder von der FDA noch von lokalen Aufsichtsbehörden kontrolliert wird. Wie glaubwürdig wirken da die Warnungen der Pharmakonzerne vor gefälschten Medikamenten aus dubiosen Internetapotheken?
 
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Autor: strappato   2008-02-16   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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