Gedoptes Doping

In den letzten Tagen war ja in vielen Medien von 200.000 Hobbyathleten zu lesen, die Dopingmittel nehmen. Woher stammt diese Zahl? Sie wird in Artikeln veröffentlicht und wurde sogar von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts zitiert.

Grundlage der Daten ist eine 7 Jahre alte Studie eines Orthopäden an der Universität Lübeck. Nach den im Internet verfügbaren dünnen Informationen hat der Wissenschaftler Carsten Boos über zwei Jahre insgesamt 454 Frauen und Männer in 58 kommerziellen Sportstudios quer durch Deutschland zu Dopingmitteln befragt. Danach gaben 22% der Männer und 8% der Frauen gaben an, anabol wirkende Substanzen zu nehmen. Bei einer Anhörung des Bundestags-Sportausschuss schätzte Boos die Geamtzahl auf 200.000. Seitdem wird sie immer wieder von den Medien genannt.

Die Repräsentativität der Ergebnisse von 58 von über 6000 Studios und von durchschnittlich 8 Befragten pro Sportstudio sollte man hinterfragen. Jedoch hat eine neuere Befragung in einem baden-württembergischen Fitnesscenter ergeben, dass 19,2% der Männer und 3,2% den Gebrauch von Dopingmittel zugaben. Wobei hier die Art der Substanz nicht eindeutig ist. Eine EU-Studie von 2002 ergab einen Anteil von 5,7% aller Sportlerinnen und Sportler in kommerziellen Fitness-Studios, die zur Verbesserung ihrer Leistungen zu Medikamenten greifen - eine noch dünnere Definition von Doping. Darüber hinaus ist die Wahl der Methodik bei der sozialwissenschaftlichen Untersuchung von devianten Verhalten sowieso ein Thema für sich. Wenn man es nicht richtig anstellt, bekommt man alles raus, nur keine validen Zahlen.

Selbst wenn wir diese wackeligen Daten als Grundlage nehmen, hängt alles von der Anzahl der "Hobbyathleten" in Deutschland ab. Boos war damals noch von 3,5 Millionen Fitness-Studiobesuchern ausgegangen. Mittlerweile gibt es Studien, die 7 Millionen Deutsche in Fitnesscentern sehen. Anzahl, Intensität, Geschlechterverteilung, Altersverteilung - alles was eine Schätzung erst möglich machen würde, ist unbestimmt.

War Doping vor 7 Jahren noch hauptsächlich auf Bodybuilder und Anabolika beschränkt, kann der ehrgeizige Amateur mittlerweile für viele Sportarten unterstützende Substanzen über das Internet beziehen. Epo, Testosteron, Amphetamine, Wachstumshormone. Eine Beschränkung der Sicht auf Sportstudios erscheint heute nicht mehr angemessen.

Fazit: Die Zahl der Hobbydoper hätte man auch auswürfeln können.
 
[heile Welt]
Autor: strappato   2007-06-16   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Im Test: Rachenleuchte

Heute soll hier einmal etwas anderes als Pharmakugelschreiber getestet werden. Die Pharmaindustrie hält noch andere nützliche Produkte für den Arzt bereit. Zum Beispiel eine "klassische MagLite Rachenleuchte", wie es die Antwortkarte verspricht. Die kann ein Arzt in Österreich von Sanofi-Aventis bekommen, wenn er in den "Klassiker-Club" beitritt und regelmässig über alle Vorteile und Serviceangebote für seine Ordination informiert werden will.


Natürlich hat die Firma MagLite keine Rachenleuchten im Programm. Nach dem Medizinproduktegesetz müsste die Taschenlampe für die Diagnostik beim Menschen beim Register für Medizinprodukte eingetragen sein. Ist leider nicht online verfügbar. Aber das ist auch eher nebensächlich.

Betrachten wir die Taschenlampe mal genauer und vergleichen sie mit den Klassikern von MagLite:


Sieht aus, als wäre die "Rachenleuchte" auf der Karte eine ausgewachsene 4D-Cell Lampe mit 37 cm Länge. Ich habe hier im Haus eine 3D-Cell und konnte niemanden finden, der sich von mir damit freiwillig den Rachen inspizieren lassen wollte. Ist eher was für Tierärzte, die damit die Mandelentzündung von Elefantenbullen diagnostizieren.

Der Verdacht liegt nahe, dass Sanofi-Aventis mit dieser Elefantenrachenleuchte das Arzneimittelgesetz umgehen will:
§55a
(1) Im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel bei den zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen ist es verboten, diesen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, diese sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang.

Das untere Bild basiert auf dem Bild Maglite.jpg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Tam.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-06-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Kdolsky im Ostblock

Bei den Wahlen zur Ärztekammer Anfang März hat Österreichs Gesundheitsministerin Kdolsky noch betont, das sie sich auf eine konstruktive Zusammenarbeit freue.

Wenn man dem Ärztekammerpräsidenten glauben mag, dann kennt man diese Art der Zusammenarbeit aus den Zeiten des kalten Krieges: Kdolsky agiert wie im Ostblock. Andrea Kdolsky verweigert Gespräche mit den Vertretern der Ärztekammer, die Kdolsky zwar täglich in den Medien sehen, aber nicht am gemeinsamen Beratungstisch.

Eigentlich hat die Andrea Kdolsky nur den Politikstil ihrer deutschen Amtskollegin Ulla Schmidt übernommen. Mal wieder ist Deutschland Vorbild. Während der Debatten über die Gesundheitsreform setzte die deutsche Gesundheitsminsiterin auf die Medien und nicht auf den Fachverstand der Ärztekammer und Verbände. Sie scheute auch nicht davor zurück, kritische Journalisten auf Linie zu bringen.

Da wird sich das Konsens gewöhnte Österreich noch umgucken.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-06-15   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Pharmakugelscheiber-Test (V)


Das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) wird den wenigsten bekannt sein. Es ist ein Virus, das zu Atemwegserkrankungen führt. In unserer Umgebung ist es relativ häufig anzutreffen und sehr stabil. RSV ist der häufigste Erreger der Bronchiolitis und einer der häufigsten Erreger der Pneumonie bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von 24 Monaten. Dem Virus kann praktisch kein Kind in den 24 Lebensmonaten entgehen. Wobei die Folgen meist undramatisch sind. Eine Impfung gibt es nicht, und da kommen wir zu dem Kugelschreiber.

Zur passiven Immunisierung ist seit einigen Jahren der monoklonale Antikörper Palivizumab (Synagis®) von Abbot auf dem Markt. Die Gleichung Antikörper=Biological=teuer gilt auch hier. Drei Monate vor der Infektionssaison und während der Hauptrisikozeit von Oktober bis März muss das Medikament einmal im Monat injiziert werden. Je nach Körpergewicht des Kindes kostet das jeweils 750-1500 Euro. Daher ist die Indikation auf Kleinkinder mit besonderen Risiko beschränkt. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie empfiehlt eine Prophylaxe bislang nur für Frühgeborene mit chronischer Lungenerkrankung als Folge einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bis zum Alter von 24 Monaten, wenn sie in den letzten 6 Monaten behandlungsbedürftig waren (Steroide, Sauerstoff, Diuretika). Bei Frühgeborenen ohne BPD mit einem Gestationsalter zwischen 32 und 35 Wochen soll individuell über die Prophylaxe entschieden werden, falls zusätzliche Risikofaktoren vorliegen.

Die verfügbaren gesundheitsökonomischen Studien aus USA, UK und Spanien legen nahe, dass nur eine strenge Indikationsstellung ökonomisch sinnvoll ist. Auch in Deutschland gibt es Anzeichen, dass eine sehr zurückhaltend und strikt indikationgesteuerte Gabe keine Nachteile hat.

Schlecht für den Hersteller, der den Aussendienst mit einem ungemein schönen Kugelschreiber auf die Reise schickt. Grün-orange, auffallend aber nicht schrill, mit Metallspitze und abrutschsicherer Fingermulde. Der stabile Metallklip hält auch den harten Arbeitstag eines Pädiaters stand, die ja oft den Kittel hängen lassen und dann keine sichere Kitteltasche zum Aufbewahren ihres Schreibgeräts haben.
 
[Pharmakugelschreiber]
Autor: strappato   2007-06-15   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Acomplia-Nachwirkungen

Die Entscheidung des FDA-Beratergremiums, die Diät-Pille Acomplia® (Rimonabant) in den USA nicht zur Zulassung zu empfehlen, hat Nachwirkungen. Gestern erklärte die europäische Zulassungsbehörde die Studiendaten nochmals zu prüfen. Eine Rücknahme der Zulassung ist nicht ausgeschlossen.

Finanzanalysten zeigen sich irritiert, weil Sanofi-Aventis vor der FDA-Sitzung Optimismus verbreitet hat und dann 14:0 abgestraft worden ist. Das lässt Zweifel an der Integrität der Kommunikation von Sanofi-Aventis mit den Investoren aufkommen. Die Aktie büsste dieses Jahr schon 10% ein. Eine gewisse Nervosität ist da verständlich.

Dieser Rückschlag hat auch den Gerüchten über eine Fusion von Sanofi-Aventis mit Bristol- Myers Squibb (BMS) wieder Nahrung gegeben. Mit Acomplia® würde Sanofi-Aventis erwartete Umsätze von $ 3 Milliarden jährlich verlieren. Das war eigentlich als Ausgleich für den auslaufenden Patentschutz des Blockbusters Plavix® gedacht, den Sanofi-Aventis gemeinsam mit BMS vermarktet.

Des einen Leid, des anderen Freud. Das Interesse an der freiverkäuflichen Diät-Pille Alli® von GlaxoSmithKline, die heute auf den Markt kommt, ist überwältigend. Mal sehen ob das anhält, wenn die ersten Patienten ihre Erfahrungen mit den treatment effects in Form von dünnen, öligen Stühlen sammeln. Ich würde kurzfristig Sanofi-Aventis auf "sell" setzen und in Betreiber von öffentlichen Toiletten und Waschmittelhersteller investieren.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-06-15   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Auge um Auge

Schönes Beispiel, wie in England Rationierung funktioniert.

Seit einigen Monaten ist in Europa der monoklonale Antikörper Lucentis® (Ranibizumab) von Novartis zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) auf den Markt. Zu einem horrenden Preis: Apothekenverkaufspreis in Deutschland liegt bei über 1500 Euro. In den ersten 3 Monaten der Behandlung wird es monatlich intravitreal (in den Glaskörper des Auges) gespritzt und nach einer Erhaltungsphase gegebenfalls wiederholt.

Bisher gab es noch keine wirkliche Therapie gegen die chronisch fortschreitende AMD, trotz bis zu 1 Million Betroffener allein Deutschland. Nicht nur in England fürchten die Verantwortlichen in Politik und Krankenkassen, dass Lucentis® die Budgets sprengen könnte.

In England hat das NICE daher empfohlen, 20% der Patienten mit Lucentis® zu behandeln - aber nur Patienten, die das Augenlicht auf einem Auge schon eingebüsst haben. Die Verwendung des Konkurrenzpräparats von Pfizer (Macugen®) wurde explizit ausgeschlossen. Die endgültige Entscheidung wird für September erwartet.

Das deutsche IQWiG soll sich ja bei seinen Kosten-Nutzen-Bewertungen auf internationale Standards stützen. Ein Auge langt für die Wirtschaftlichkeit. So stellt sich Ulla Schmidt sicher nicht die internationalen Standards vor.
 
[Avastin - Lucentis]
Autor: strappato   2007-06-14   Link   (7 KommentareIhr Kommentar  



 

Laut, lauter, Lauterkeit

Besonders wichtig sind Lauterkeit und Transparenz im Umgang mit der Ärzteschaft. Das ist inzwischen gut geregelt mit einem Kodex, einer Schiedsstelle und Selbstverpflichtungen.
Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller in einen FAZ-Interview.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-06-14   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Hände weg

Hände weg vor allen Fälschungen - die sind viel zu gefährlich.
Friedemann Bachleitner-Hofmann, Landespräsident Apothekerkammer Salzburg in der "Krone" am 29.5.2007.

Jetzt fehlt nur noch die Forderung, dass gefälschte Arzneimittel - Packungen und Tabletten - mit einem Stempel "FÄLSCHUNG" versehen sein müssen. Sehr nett auch, dass der Apotheker-Präsi auf dem Bild zum Artikel mit der Apotheker-Krone in der Hand posiert.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-06-14   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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