Churnalisten


Die Journalisten seien im „professionellen Käfig“ ihrer „Nachrichtenfabriken“ gefangen und zu „Churnalisten“ verkommen (nach „to churn out“: auswerfen).

Die FAZ stellt Flat Earth News vor, ein Buch des Journalisten Nick Davies vor, das mit der britischen Qualitätspresse abrechnet.

"Ich war gezwungen, mir einzugestehen, dass ich in einer korrumpierten Profession arbeite", lautet Davies’ Fazit. Er sehe in der Qualitätspresse – aber auch im Rundfunk – Nachrichten, die vom gleichen Kaliber seien wie die, dass die Erde eine Scheibe sei.

Trifft wohl nicht nur auf die Medien im Vereinigten Königreich zu.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-02-10   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  


fabianfuchs   2008-02-10  
Danke. "Nachrichtenfabriken" trifft es gut. Neulich las ich hier http://gesundheit.blogger.de/stories/1035370/ von dem von dpa zitierten Gynäkologen, der für die Gebärmutterhalskrebs-Impfung sprach. Ich habe im Alltag in meiner Online-Redaktion eigentlich keine Zeit für eine Recherche, wer der Mann überhaupt ist, und übernehme dpa für gewöhnlich. Dazu kommt, dass ich auch nicht wirklich *Gelegenheit* hätte, in einem Büro mit 54 Kollegen mal in Ruhe zu telefonieren. Das tut nämlich dort keiner, weil es die Kollegen stört. Und jetzt holt nicht die Keule raus: Ich weiß, dass das Sch... ist und fühle mich auch so.


hockeystick   2008-02-10  
In solchen Fällen ist die Wahrheit meist nur eine Google-Suchabfrage entfernt. Das schöne daran ist: Sie haben fast alle etwas zu verheimlichen.

Mit ein wenig Übung findet man solche Dinge schneller heraus, als die Redakteure der Ärztezeitung "berichtete Prof. X auf einem von Y geförderten Symposium" tippen können.


strappato   2008-02-11  
Ein Beispiel, das einem Leser des blogs aufgefallen ist: Der Tod des Schauspielers Heath Ledger. Ob das einem Qualitätsmedium mehr als einen kurzen Artikel wert sein sollte, kann man grundsätzlich diskutieren.

FAZ online hat die Todesursache einfach von den Agenturen abgeschrieben, die ihrerseits US-Berichte schlecht übersetzt haben.
Eine Kombination aus Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmitteln habe zu einer „akuten Vergiftung“ geführt, teilte die Behörde in einer Erklärung mit. „Wir kommen zu dem Schluss, dass es sich durch den Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente bei dem Tod um einen Unfall handelt“, hieß es weiter.

Mit einem Blick auf en.wikipedia.org erfährt der Leser und der Journalist, dass das Zitat der Ermittlungsbehörden verkürzt ist und noch dieses enthielt:
Mr. Heath Ledger died as the result of acute intoxication by the combined effects of oxycodone, hydrocodone, diazepam, temazepam, alprazolam and doxylamine.
Eine ziemlich krasse Mischung. Alles Wirkstoffe, die auch von Drogenabhängigen missbraucht werden. Diazepam ist Valium. Oxycodon und Hydrocodon sind opioide Schmerzmittel, in Deutschland nur mit Betäubungsmittelrezept erhältlich (wie auch Temazepam). Dass Schmerzmittel beteiligt waren, wird in FAZ online nicht erwähnt. Dazu: Das Missbrauchspotential von Oxycodon (auch "Hillbilly Heroin" genannt) ist bekannt und das Verschweigen kostete dem Hersteller 643 Millionen Dollar.

Flat Earth.

Vielleicht sollten Journalisten statt im DJV eine Mitgliedschaft in der Flat Earth Society beantragen.


amelia   2008-02-11  
Ich vermute, der Boom der Journalistik-, Publizistik- und Kommunikationswissenschafts-Studiengänge, die zunehmend zum bevorzugten Ausbildungsweg für Journalisten werden, macht das Ganze nicht besser. Denn dort wird zwar viel Wert auf Methoden gelegt, mit denen den Lesern Themen schmackhaft gemacht werden können. Dazu geeignet, die Leidenschaft für ein bestimmtes Wissensgebiet, für genaues Nachfragen und Analysieren zu wecken, sind diese Ausbildungsgänge meines Erachtens eher nicht. Ein guter Journalist braucht aber auch den Drang, die Welt wirklich zu verstehen, bevor der das Herausgefundene an den Leser bringt. Erst der Inhalt, dann die Verpackung - nicht umgekehrt.


giardino   2008-02-10  
Lustig, wie sich die FAZ um jede Aussage über die Verhältnisse hierzulande drückt.








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