Alzheimer-Hype um Enbrel®


Klingt wie ein Märchen. Ein Rheuma-Medikament soll Alzheimer-Patienten wieder ins Leben zurückholen. Google news zeigt noch keine deutschen Quellen über die unglaublichen Behandlungserfolge des Tumornekrosefaktor-Antagonisten Etanercept (Handelsname Enbrel®) bei Alzheimer, aber PR-Welle wird auch nach Deutschland schwappen. Im Telegraph kann man die Story um das Wunder lesen.

Es wäre wirklich ein Fortschritt. Aber bis jetzt bleibt nur die Hoffnung. Die Berichte über die Wirkung von Enbrel® beruhen auf Fallbeschreibungen eines Forschers, veröffentlicht in einem Artikel der Zeitschrift Journal of Neuroinflammation. Es gibt keine systematische Beobachtung oder gar qualitativ hochwertige klinische Studien. Was jedoch auffällt ist der Medien-Hype. Der Autor Edward L Tobinick arbeitet am privaten Institute for Neurological Research in Kalifornien und hat sich die Behandlung als "Tobinick Alzheimer Method™" markenrechtlich schützen lassen. Acht von ihm beantragte Patente warten auf die Eintragung. Was sicher unabhängige klinische Studien nicht erleichtern wird. Schon jetzt bietet das Institut Kurse an, in denen Ärzte die nicht zugelassene (off-label) und kaum untersuchte Behandlung erlernen können.

Tobinick ist auch sonst nicht interessenslos. Er gibt an, Aktien des Etanercept-Herstellers Amgen zu besitzen - die ihm durch den Kursverlust von 25% in den letzten 6 Monaten und zeitweise fast einer Halbierung des Wertes seit dem Höchststand Anfang 2007 wenig Freude bereiten dürften. Seiner Veröffentlichungsliste kann man entnehmen, dass er darüber hinaus mit Amgen andere klinische Studien durchgeführt hat.

Es wäre ethisch höchst problematisch, wenn eine möglicherweise vielversprechende Therapie für Patienten mit Alzheimer unter die Räder von finanziellen Interessen eines Arztes kommen würde. Ob das die Revolution ist, die der Intel-Gründer Andy Groove auf der Tagung der Society for Neuroscience im November 2007 beschworen hat? Medizinforschung im Internettempo. Zumindest wird von der Herausgeberin des Journal of Neuroinflammation in einem Kommentar zu dem Tobinick-Artikel dies als Antwort auf die Forderung von Andy Grove gesehen.

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Nachtrag
Enbrel® wird in den Alzheimer-Medienberichten bezüglich der Nebenwirkungen als langjährig untersucht dargestellt. Vor vier Wochen mussten Amgen und Wyeth eine Warnung vor erhöhten Risiko für Tuberkolose und andere Infektionen in die Patienteninformationen aufnehmen.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2008-04-14   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  


hockeystick   2008-04-14  
Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll.

Es gibt noch die verwandten (und ähnlich teuren) Me-too-Präparate Remicade® (Centocor/Schering-Plough) und Humira® (Abbott), dort dürfte ebenfalls Hoffnung aufkeimen.

Man sollte bei allen diesen Medikamenten neben einem erhöhten Infektionsrisiko auch von einem erhöhten Krebsrisiko ausgehen, was man aber bei einem spürbaren Erfolg in der Alzheimer-Behandlung sicher in Kauf nehmen könnte.


hockeystick   2008-04-14  
Etwaige Patentansprüche auf das Verfahren durchzusetzen, stelle ich mir schwierig vor. Enbrel® gibt's sogar auch als Fertigspritze zum selber spritzen. Wer will denn überprüfen, wohin der Neurologe meines Vertrauens das spritzt?


strappato   2008-04-14  
Bis im Zweifel die Gerichte endgültig über die Patente entschieden haben, kann dies aber die klinische Erforschung erschweren.


hockeystick   2008-04-15  
Hier kann man die 2 Jahre alte Pilotstudie nachlesen. Bei allen ihren Schwächen (sehr kleine Fallzahl, fehlende Kontrollgruppe) macht sie einen recht überzeugenden Eindruck. Wunder bewirkt Enbrel aber ganz sicher nicht.








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