Skeptischer Medizinjournalismus leicht gemacht

Nicht nur in Deutschland ist die Qualität des Medizinjournalismus überwiegend unterirdisch.

Ein Editorial im "Journal of the National Cancer Institute" zeigt anhand konkreter Fallbeispiele aus den USA auf, was schief läuft. Aber es bleibt nicht bei Kritik: Mit einer Reihe von sehr konkreten Tipps werden Medizinjournalisten von den Autoren an die Hand genommen, um ihnen zu zeigen, wie man es besser machen könnte.

EIn drastisches Beispiel aus dem Artikel ist ein Krebsmedikament, das im US-Fernsehen als der "wichtigste Durchbruch des Jahrzehnts" in der Krebsmedizin gefeiert worden war. Grundlage für die Euphorie war eine an den Regividerm-Skandal gemahnende Phase-I-Studie mit 60 Patienten ohne Kontrollgruppe, in der sich in einer Subgruppe von 19 Patienten eine Wirkung anzudeuten schien.

Die Autoren des Editorials sehen die Schuld an der Misere zum Teil schon bei den Fachzeitschriften. Zum einen ist es so, dass schon in den Fachartikeln die Effekte medizinscher Behandlungen übertrieben dargestellt werden. Noch stärker ausgeprägt ist dieser Effekt in Presseerklärungen der Fachzeitschriften. Aus diesen aufgehübschten PR-Darstellungen bereits geschönter Fachpublikationen werden dann für ein Laienpublikum noch weit übertriebenere Berichte destilliert.

Die Autoren des Artikels geben den Medizinjournalisten eine Reihe von konkreten Tipps an die Hand. Die Hinweise zielen keineswegs nur auf die Berichterstattung über Krebserkrankungen.

pdf-DateiQuestions to Guide Reporting

pdf-DateiStatistics Glossary

pdf-DateiNumbers Glossary

pdf-DateiHow to Highlight Study Cautions
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2009-12-02   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  


strappato   2009-12-02  
Alles wichtige Punkte. Dazu kommt es gar nicht: Wäre schon ein Fortschritt, wenn sich Medizinjournalisten das komplette Paper ansehen würden und nicht nur das Abstract. Dazu fehlt meist die Zeit und der Zugang zu den Originalartikeln. Den grössten Teil des Medizinjournalismus zumindest hierzulande halte ich für ein Feld in dem Dilettanten im Nebel rumstochern.

Bei den Fusionen und Umstrukturierungen in der Pharmaindustrie, die mit Entlassungen im Management einhergehen, dürfen wir uns auf eine Reihe neuer "Medizinjournalisten" und "Medizin-PR-Berater" freuen.


hockeystick   2009-12-02  
Und noch einen Schritt vorher dürfte die Berichterstattung nicht gekauft sein. Es wäre in der Tat ein weiter Weg.


plazebo   2009-12-02  
der Medizinjournalismus in US im TV muss schon ziemlich grottig sein, healthnewsreview.org hat nach drei Jahren aufgegeben TV-Gesundheitsnews zu begutachten. Es sei einfach zu schlecht.

http://www.boingboing.net/2009/10/15/why-healthnewsreview.html

Ein Besuch der Seite lohnt sich:
http://www.healthnewsreview.org


strappato   2009-12-02  
Zum Beitrag der Fachzeitschriften zu der Misere empfehle ich auch ein Interview mit Richard Smith, einem ehemaligen Editor des BMJ:

http://www.cbc.ca/mansbridge/2007/11/richard_smith.html


hockeystick   2009-12-03  
Wenn man nach "Skeptischer Medizinjournalismus" googelt, findet man nicht viel. Außer diesem Artikelchen hier gibt es noch genau zwei ältere Fundstellen, aber die sind recht interessant: Eine Vorlesung und eine Präsentation (.ppt) von Klaus Koch.








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