Pandemie-PR

Die Vogelgrippe ist wieder da. In Südkorea ist das Virus nachgewiesen worden. Passend dazu hat der Bundesrat beschlossen, dass die gesetzlichen Krankenkassen sich künftig an den erforderlichen Vorhaltekosten antiviraler Arzneimittel zur Bekämpfung einer Influenza-Pandemie beteiligen sollen. Was einen grossen Teil des 2,5 Milliarden Euro starken Zuschusses aufbraucht, den sie im nächsten Jahr aus dem Bundeshaushalt bekommen sollen.

Mit "antiviralen Arzneimitteln" ist eigentlich nur das Präparat Tamiflu® des Herstellers Roche gemeint. Das hatte Roche schon im letzten Jahr einen Umsatz von rund 1 Milliarde Euro beschert, da Regierungen und Unternehmen Vorratslager anlegen, um Bevölkerung und Mitarbeiter nach einem möglichen Ausbruch einer Grippepandemie durch einen mutierten Vogelgrippevirenstamm zu versorgen. Früher erzielte Roche nur kümmerliche Erlöse von etwa 18 Millionen Euro mit seinem Grippemittel.

Der Nutzen des Medikaments ist weiterhin unklar: Es gibt Wissenschaftler, die sogar durch eine zu optimistische Einschätzung der Wirksamkeit von Neuraminidasehemmern (Tamiflu®) ein erhoehtes Risikoverhalten befürchten, was somit sogar zu einer Förderung der Virusausbreitung führen könnte. Resistenzen sind beobachtet worden, genau wie neuropsychiatrische Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen. Das Medikament kann eine Infektion nicht verhindern, sondern nur die Folgen mindern. Alle bisherigen Studien zu Oseltamivir basieren auf den zirkulierenden Influenzavirenstämmen der vergangenen Jahre. Ob und in welchem Ausmaß Oseltamivir gegen ein bislang unbekanntes Pandemievirus wirksam ist, bleibt offen. Es gibt auch derzeit gibt es keine Daten aus randomisierten Studien zum Einfluss von Oseltamivir auf die Sterblichkeit. Ein Spiel mit vielen Unbekannten.

Roche spielt mit. Um die Nachfrage zu befriedigen mussten neue Produktionsanlagen aufgebaut und Lizenzen vergeben werden. Das Medikament hat je nach Darreichungsform eine Haltbarkeit von 2-5 Jahren. Die Ersatzbeschaffung alleine lastet die Anlagen nicht aus, wobei diese auch kein Selbstläufer ist. Also wird weiter die Pandemie-Trommel geschlagen. Genau wie es von der PR-Agentur Fleishman-Hillard empfohlen wurde:
Proactively communicate corporate pandemic planning activities immediately and continually to a wide swath of press.

"Die Presse" meldet: Es vergeht fast keine Woche mehr, in der es nicht irgend wo in Österreich eine Veranstaltung zur Influenza oder Vogelgrippe gibt.

So auch bei einer Veranstaltung des östereichischen Pharmaverbandes für ihre Mitglieder, bei der die Unternehmen ermuntert wurden, mit gutem Beispiel voranzugehen und unternehmensinterne Pandemiepläne zu erarbeiten - was die Bevorratung mit Tamiflu® einschliesst. Mit dabei Roches "Business Managerin Pandemic". Eine Marketing-Dame, die z.B. für die Abnehm-Pille Xenical® und für Tamiflu® als Produktmanagerin tätig ist. Folgerichtig wird in der Präsentation immer wieder die positive Wirkung auf das Unternehmensimage betont.

Als weiterer Referent: Prof. Michael Kunze. Für Roche auch schon bei Xenical im Einsatz und zur Zeit als Vortragsreisender in Sachen "Vogelgrippe - Pandemie, Mysterie oder Gefahr" für Roche unterwegs. Der Sozialmediziner Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze empfiehlt, Tamiflu für alle Familienmitglieder in der Hausapotheke bereitzuhalten, so eine Pharmig-Pressemitteilung. Wen überrascht dies?
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-11-29   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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