Vom Blogger zum Chef der FDA? Wird ein kritischer Pharma-Blogger demnächst über die Zulassung von Arzneimitteln in den USA wachen? Darüber spekulieren zur Zeit einige US-Pharmablogs, seitdem bekannt geworden ist, dass der zukünftige Stabschef im Weissen Haus, Rahm Emanuel, den Ex-Pfizer-Manager und Blogger Peter Rost sehr schätzt und auch sonst kein ausgewiesener Freund der Pharmaindustrie ist. Die Arzneimittelaufsichtsbehörde U.S. Food and Drug Administration (FDA) verfügt über einen einzigartigen Aufgabenbereich. Sie ist unter anderem, zuständig für Arzneimittel, Nahrungsmittel, Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel. Mit 9300 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 2,1 Milliarden Dollar wacht sie über Produkte im Wert von 1 Billion Dollar. Bei 25% der jährlichen Ausgaben von US-Konsumenten gibt die FDA indirekt ihr Plazet. Da vieles davon aus anderen Ländern stammt, macht dies über ein Drittel der US-Importe aus. Zudem ist die FDA eine Referenz, an deren Entscheidungen sich die Aufsichtsbehörden in anderen Ländern orientieren. Eine solche Mammtbehörde ist eine ewige Baustelle. Seit langem werden bei der FDA ein Mangel an regulatorischen Befugnissen, eine chronische Unterfinanzierung, organisatorische Probleme und damit eine eingeschränkte Möglichkeit attestiert, die Risiken und Vorteile von neuen Medikamenten nach ihrer Zulassung zu prüfen. Aktuell wird kitisiert, dass die FDA Hersteller von Medikamenten, Lebensmittel und chemische Vorprodukten in China, die nach Amerika liefern, nicht genügend kontrolliert. Dies wird als Ursache für eine Reihe von Lebens- und Arzneimittelskandalen in den letzten Monaten angesehen Obama hat schon Verbesserungen angekündigt. Die FDA wird Büros in China, Indien und Europa eröffnen. In der Regel ist der FDA-Chef ein Arzt, was Peter Rost schon mal qualifiziert. Die bisherigen Amtsinhaber waren vorher Wissenschaftler oder dienten in der Politik und Verwaltung. Die Ernennung von Peter Rost wäre eine Zäsur. Rost hat seine Karriere in der Pharmaindustrie gemacht, was ihn bis zum Vize-Präsidenten für Marketing bei Pharmacia und Pfizer brachte. Und er ist unbequem. Als Whistleblower zeigte er das illegale Marketing des Wachstumhormons Genotropin und Unregelmässigkeiten in der Bilanzierung bei Pharmacia an. Bei der Übernahme von Pharmacia hatte Pfizer ihn als unsicheren Kantonisten kalt gestellt. Trotz Pfizers Grossaufgebot an renomierter Anwaltskanzleien hat Rost die meisten Klagen gegen seinen früheren Arbeitgeber gewonnen. Die Erlebnisse und Erfahrungen schrieb er in einem Sachbuch und einen Thriller nieder. Der Pharmakritiker ist heute tätig als Autor, Redner, Gutachter, Experte - und Blogger. Hier ist Peter Rost in Aktion zu sehen: Mit Peter Rost als Chef der einflussreichen Behörde würde Barack Obama ein Zeichen setzen und der Pharmaindustrie die Richtung vorgeben. Der Pharmamarketing-Blogger John Mack lässt über den Posten seine Leser abstimmen, um Obama auf die Sprünge zu helfen. Ob Peter Rost den Job überhaupt will? Vielleicht würde er lieber Gesundheitsminister werden? In jedem Fall hat Obamas Entscheidung für Rahm Emanuel für die Pharmaindustrie die schlimmsten Träume wahr werden lassen. Die Spekulationen sprechen für sich. [Ausland]
Time Mag kürt 23andme Der Gen-Selbsttest "23andme" ist vom Time Magazine als Best Invention 2008 gekürt worden. Wäre nicht das erste mal, dass Time Mag daneben liegt. Erinnert sei an den Sieger 2002. Das Verhütungspflaster Ortho Evra. -- Update Das Blog MedGadget sieht die Auszeichnung kritisch. You see, whether you take 23andme's Anne Wojcicki and her husband Sergei Brin (co-founder of a website Google.com, an advertising agency with no customer service), or 23andme's investor movie mogul Harvey Weinstein, or Navigenic's venture capitalist John Doerr, they feel that they are changing the world. But really, considering the hype, aren't they more interested in making money and elevating themselves to the level of revolutionaries, than furthering medicine and its technology? Doing a genetic test is not like listening to an iPod, or watching Pulp Fiction. Has Weinstein ever heard of false positive medical results? How about that every test always has such results? And what about cost-benefit analysis, so important in medicine? Do you really believe that Wojcicki can explain why we do mammograms every year, but not chest X-rays? After all both can detect cancer...
In den Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass Linda Avey und Anne Wojcicki, zwei Gründerinnen von 23andme, beispielsweise bei einem exklusiven von Time Inc. gesponserten Seminar aufgetreten sind. .. but it never hurts to be friends with the CEO of the magazine who ranks you number one.[Ausland]
Hollywood-Promis beim Lobbying für die Pharmaindustrie Politlobbying der Pharmaindustrie in den USA. Dieser Werbespot der Initiative Partnership to Fight Chronic Disease (PFCD) soll die US-Präsidentschaftskandidaten auf die Prävention und Versorgung chronischer Erkrankungen Aufmerksam machen. Unter den Frauen im Video sind Hollywood-Promis wie Mary-Louise Parker, Lauren Bacall, Katey Sagal and Phylicia Rashad. In dem Spot wird gesagt, dass chronische Erkrankungen für 75% der Gesundheitsausgaben verantwortlich seien. Notwendige Reformen und Kosteneinsparungen im US-Gesundheitssystem werden an Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, usw. nicht vorbeikommen. Daher wundert es nicht, dass sich unter den Sponsoren, die diese 1 Million Dollar teure Kampagne bezahlt haben auch der Pharmaindustrieverband "PhRMA" findet. Im Advisory Board der Initiative sitzt unter anderem PhRMA-Präsident Billy Tauzin und der Direktor von "America’s Agenda, einer Lobbyinitative, die von PhRMA mit 13 Millionen Dollar für Kampagnen während des Wahlkampfes ausgestattet worden ist. Am 4. November wird nicht nur der US-Präsident gewählt, sondern alle 435 Mitglieder des Repräsenantenhauses werden neu bestimmt und 35 Senatoren. Zusätzlich noch die Gouverneure in 11 Bundesstaaten. Wenn im Video aufgefordert wird, zu fragen, wie der Präsidentschaftskandidat zum Thema chronische Erkrankungen steht, zielt das indirekt auf die Abgeordneten, die zur Wahl stehen und die für eine pharmafreundliche Politik in den nächsten 4 Jahren sorgen sollen. [Ausland]
Krankenversicherung für "Joe, the plumber" Der Durchschittsdeutsche wird Otto Normalverbraucher genannt. Otto ist mittlerweile nach meinem Eindruck von "Max Mustermann" abgelöst worden. In den USA war dies bisher "John Doe". Die TV-Debatte zwischen McCain und Obama in der letzten Nacht hat einen neuen Star geboren: "Joe, the Plumber" ("Sepp, der Klempner") hat von John das Amt übernommen und musste in mehr als 20 Erwähnungen von McCain als Beispiel dafür herhalten, welche Gemeinheiten Obamas Wahlprogramm für die hart arbeitenden Amerikaner bereithält. Darunter auch bei der Krankenversicherung.
Dabei ist "Joe, the Plumber" eine Art Künstlername. Joe Wuzelbacher, ein Handwerker aus Ohio, hatte bei der Wahlkampftour Barack Obama angesprochen und über seinen Traum erzählt, das Geschäft seines Arbeitgebers zu kaufen. Ganz der potentielle Existenzgründer äusserte Wurzelberger seine Angst vor Obamas Steuererhöhungen für Wohlhabende und kündigte an, sein Vorhaben abzublasen. So ist Joe Wurzelbacher innerhalb einer Stunde zu einer Berühmtheit aufgestiegen, obwohl er weder ein lizensierter Klempner ist, noch sein Einkommen nicht im Entferntesten an die Sonderabgabe für Reiche heranreicht, wie die Washington Post feststellt.
Matt Damon: Palin is like a "really bad Disney movie" Um beim Thema dieses Blogs zu bleiben. Die Gesundheitspolitik, für die Sarah Palin in Alaska als Governor verantwortlich ist, sollte beim Gedanken an eine Vizepräsidentin Palin - oder gar potentielle Präsidentin - Anlass zur Sorge geben. Palin setzt auf den freien Markt und die Entscheidung des "Verbrauchers". Kein Wort von gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Bei der Qualität und des Zugangs der ärmeren Patienten liegt Alaska unter den US-Staaten am Ende, wie auch bei der Versorgung von Kindern. Bei den Kosten dagegen errreicht Alaska Spitzenplätze. In einem Editorial der "Anchorage Daily News" verteidigt Palin die Entscheidung in Alaska die Planung, wo und welche Krankenhäuser und Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung gebraucht werden, dem Markt zu überlassen. -- Sarah Palin hat bekanntlich einen Bachelor-Abschluss in Journalismus. Kaum thematisiert wurde, dass es kein so gradliniges Studium gewesen ist - 5 Jahre und 6 verschiedene Colleges waren nötig. Klassisch der Grund, warum sich Palin für irgendwas mit Medien entschied: Palin explained in a profile in the alumni magazine that her curiosity and love of writing drew her to journalism. In dem Artikel wird kolportiert, dass sie es mit der Politikwissenschaft, dem Nebenfach, nicht so gehabt hätte. [Ausland]
Italien wird pharmafreundlich Im Skandal bei der italienischen Arzneimittelbehörde (AIFA) muss der Chef, Nello Martini, endgültig seinen Platz räumen. Er wird durch einen Unterstützer der Regierung Berlusconi ersetzt. Die Anzeichen, dass die Regierung den Skandal zum Auswechseln des unbequemen AIFA-Direktors genutzt hat, haben sich verdichtet. Einige Experten und Wissenschaftler, darunter auch Pharmakritiker, hatten sich hinter Martini gestellt und die Rücknahme der Beurlaubung gefordert. Ein weiterer Schachzug: Die italienischen Regierung will die Zuständigkeiten des AIFA wieder auf die technischen Aspekte der Zulassung reduzieren. Fragen der Erstattung und des Preises sollen vom Ministerium für Gesundheit entschieden werden. Das Gesundheitsministerium wird als traditionell Pharmaindustrie freundlich beschrieben. So ist die Frau des Ministers Maurizio Sacconi als Generaldirektorin des Verbandes der Pharmaindustrie "Farmindustria" tätig. Da haben es die Lobbyisten, die durch Schmiergelder den Skandal ausgelöst haben, nicht mehr so weit. Italienische Verhältnisse. Ob das Korruption verhütet? Auch in anderen Bereichen liefert Berlusconi den Staat an die Industrie aus. Laut dem Editorial der Fachzeitschrift Nature soll einige Wochen nach Martinis Entlassung die italienische Weltraumagentur in die Hände eines Kommissars gegeben worden sein, der die Raumfahrtsparte des Luftfahrtkonzerns Finmeccanica leitet. [Ausland]
Interessenskonflikte bei Impfempfehlungen in den USA Journalisten von CBS haben sich die Beziehungen der Hersteller von Vakzinen zur American Academy of Pediatrics (Fachgesellschaft der Kinderärzte), zur Impfinitiative Every Child By Two, deren Mitgründerin und Präsidenten die ehemalige First Lady Rosalynn Carter ist, und zu Paul Offit, einem Professor für Kinderheilkunde und viel beachteten Experten bei Fragen der Impfsicherheit, angesehen. "Conflict if interest" ist milde ausgedrückt. Leider waren nach dem CBS-Bericht die genannten Institutionen und Prof. Offit zu keiner Stellungnahme bereit. Auch in Deutschland haben Impfexperten potentielle Interessenskonflikte. [Ausland]
Stühlerücken in Italiens Arzneimittelbehörde In Italien musste der Direktor der Arzneimittelbehörde (AIFA), Nello Martini, seinen Stuhl räumen und mit ihm der Leiter der Zulassungsabteilung. Konsequenzen aus dem Korruptionsskandal in der Behörde. Im Mai war bekannt geworden, dass gegen Geld mit gefälschten Studiendaten die Zulassung von Medikamenten erkauft worden war. Wie so oft in Italien ist das Interessensgeflecht undurchsichtig. Martini war an der Bestechung nicht beteiligt. Ihm wird schlechte Amtsführung vorgeworfen. Pharmaindustrie-Kritiker mutmassen, dass der Skandal von der Mitte-Rechts-Regierung unter Berlusconi genutzt wird, einen unliebigen Beamten abzuservieren. [Ausland]
Millionär durch Qui tam In den USA hat sich der Apothekenkonzern Walgreen zur Zahlung von 35 Millionen Dollar bereit erklärt. Vorher hatten schon zwei andere Apothekenketten ähnliche Vergleiche in Prozessen mit US-Bundesstaaten geschlossen. Die Apotheken hatten Patienten, bei denen die Medikamente über das staatliche Medicaid-Programm finanziert werden, die jeweils teurere Darreichungsform eines Arzneimittels verkauft, z.b. Kapseln statt Tabletten. Interessant ist, dass der Apotheker, der als Whistleblower die Behörden auf den Betrug aufmerksam gemacht hat, 5 Millionen Dollar von der Summe erhält. Nennt man Qui tam, eine Kurzform von "Qui tam pro domino rege quam pro se ipso in hac parte sequitur", was etwa bedeutet "wer in dieser Sache für den König klagt, wie für sich selbst" und ist ein Prinzip, dass im Mittelalter in England entwickelt worden ist. In den USA darf jemand, der einen vermutlich illegalen Vorgang nicht aus Geldgier oder Rachsucht, sondern in gutem Glauben öffentlich macht, unter Umständen sogar, wenn er von Staats wegen zu einer Aussage unter Eid verpflichtet wird, vom Staat in der anschliessenden Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber nicht alleine gelassen werden. Whistleblower können durch so genannte Qui-tam-Verfahren im Namen des Staates Schadenersatz einklagen. Ob diese Regelung in Europa möglicherweise erfolgreich in die Rechtsordnung integriert werden kann und so die Korruptionsbekämpfung erleichtert, ist unter Experten strittig. [Ausland]
J&J verliert Rechtsstreit gegen Rotes Kreuz in den USA Ein Gericht hat bei dem vom Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) in den USA angestrengten Rechtstreit für die Rechte des American Red Cross (ARC) am Symbol des Roten Kreuzes auf weissem Grund entschieden. J&J hatte mit dem amerikanischen Roten Kreuz 1895 die Nutzung des Symbols als Warenzeichen für jegliche pharmazeutischen oder medizinischen Produkte vereinbart. Die gemeinnützige Organisation hatte jedoch selber Lizenzen vergeben, die mit den Produkten von J&J konkurrieren. Die Juristen des Unternehmens waren der Ansicht, dass die Hilfsorganisation unzulässigerweise das Recht an andere Firmen, das rote Kreuz als Markenzeichen zu verwenden, vergeben würde, und dagegen geklagt. In den USA hatte das Vorgehen von J&J einiges Aufsehen erregt und war der Reputation des Unternehmens bei Kunden und Patienten nicht gerade dienlich. Die Entscheidung erlaubt es dem Unternehmen die Klage gegen das ARC wegen der Lizenzvergabe an zwei der vier Unternehmen fortzuführen, ebenso wird die Gegenklage der betroffenen vier Unternehmen weiter ermöglicht. In den US-Medien wird dies als umfangreiche Niederlage von J&J interpretiert. [Ausland]
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