Projekt "Hippokrates" bringt IQWiG-Leiter zu Fall

Die Ablösung des Leiters des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki, war eine lang geplante Aktion. Das legt der Journalist Markus Grill in einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegels nahe. Darin wird unter dem Titel "Operation Hippokrates" geschildert, wie der "mächtigste Pharmakritiker des Landes entsorgt" worden ist.

Demnach beginnt dies staatstragend Anfang 2009 mit dem Versuch des US-Pharmaverbandes PhRMA bei der US-Regierung, Deutschland auf die Liste der Schurkenstaaten zu setzen, weil das IQWiG innovative pharmazeutische Produkte verhindere, und endet provinziell im Dezember 2010 mit fragwürdigen Vorwürfen wegen Spesenbetrug. Dazwischen bekannte Informationen, wie die Konferenz der Landeswirtschaftsminister im Juni 2009, die im IQWiG eine Bedrohung der "Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der heimischen pharmazeutischen Unternehmen" sah, und neue Details, etwa dass schon zwei Tage nach Röslers Ernennung am 30. Oktober die Spesenbeschuldigungslawine rollt - mit Erfolg:
Am 25. November trifft sich der Stiftungsrat wie geplant. Statt die „Wiederbestellung des Institutsleiters“ vorzubereiten, erfährt das Gremium von dem am Abend zuvor bei Hackenberg eingegangenen „Statusbericht“ der Wirtschaftsprüfer. Daraufhin spricht sich der Stiftungsrat nicht wie vorgesehen für Sawicki aus, sondern beauftragt den Vorstand mit weiteren Untersuchungen. Am folgenden Tag findet in Berlin im Bundestagsrestaurant Käfer der Parlamentarische Abend des Gemeinsamen Bundesausschusses statt. Ab 20.30 Uhr zeigen sich die Gäste, darunter auch Gesundheitsstaatssekretär Bahr (FDP) und Staatssekretärin Widmann-Mauz (CDU). Eines der Plauderthemen ist die geplante Ablösung Sawickis. In derselben Woche trifft Sawicki auf einer Veranstaltung einen Repräsentanten des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, der Lobbygruppe der großen Pharmakonzerne, der bereits weiß, dass sein Vertrag wohl nicht verlängert werde. Dabei ist zu dieser Zeit noch in keiner Zeitung eine Notiz erschienen, dass es überhaupt eine Untersuchung gebe.

Das Angebot der Prüfgesellschaft BDO fungierte unter der Bezeichnung "Projekt Hippokrates" und wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, obwohl die beim IQWiG gültige Verfahrensordnung vorsieht, dass alle Aufträge ab einem Nettowert von 12.500 Euro ausgeschrieben werden müssen.

Besonders im Fokus des Spiegel-Artikels: Das Gesundheitskleeblatt, das Gesundheitsminister Philipp Rösler (Dr. med.), die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Daniel Bahr (MBA) und Annette Widmann-Mauz (ohne Abschluss) und der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn (B.A.) bilden. Während die drei Herren aus ihrer Ablehnung des IQWiG und dessen Leiter keinen Hehl gemacht haben, schweigt die CDU-Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.
... will sich nicht dazu äußern, ob auch sie damals hinter den Forderungen nach einer Ablösung Sawickis stand. Neben dem neuen Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) und Spahn, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU, gilt sie als eine der Strippenzieherinnen. Fragen um Fall Sawicki beantwortet sie nicht. In der Vergangenheit ist die schwäbische CDU-Abgeordnete vor allem durch ihre Nähe zu den privaten Krankenversicherungen aufgefallen. So sitzt sie in Gremien der Halleschen Krankenversicherung, der Gothaer Versicherungsbank und der privaten Paracelsus-Kliniken.

Wie immer man zu dem IQWiG oder seinem Noch-Leiter stehen mag. Seine Ablösung war reine Machtpolitik, ohne Rücksicht auf das in den vergangenen fünf Jahren erarbeitete internationale Ansehen des Instituts. Der Nachfolger wird gegen das Vorurteil zu kämpfen haben, eine Marionette der Gesundheitspolitik zu sein. Wenn sich denn ein respektabler Kandidat findet, der diesen aussichtslosen Kampf überhaupt aufnehmen will.

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Update

Nun online: Operation Hippokrates.
 
[IQWiG]
Autor: strappato   2010-03-15   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Vorteils-Maximierung

Dienstwagenaffäre belastet Arzneimittelprüfer. Da hat man das Gefühl, das Ziel aller Beteiligen im Gesundheitssystem sei einzig das Maximieren der eigenen Vorteile und Gewinne.

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Update:

Die Süddeutschen Zeitung meldet, dass Sawicki seinen Posten räumen muss.
 
[IQWiG]
Autor: strappato   2010-01-17   Link   (16 KommentareIhr Kommentar  



 

Spiegel findet IQWiG-Skandal

Das IQWiG wird weiter unter Beschuss genommen. Der Spiegel hat gemerkt, dass der Vorsitzende des internationalen IQWiG Expertengremiums, Jaime Caro, ein Pharmaberatungunternehmen hatte - Caro Research, das im September von einem internationalem Schwergewicht im Beratungsgeschäft für Pharmakonzerne, United BioSource Corporation (UBC) gekauft worden ist. Caro fungiert nun als "Senior Vice President".

Das Gremium ist sicherlich schon seit einem Jahr an der Arbeit. Manche Journalisten brauchen länger. Vielleicht sollte sich der Spiegel mal die anderen Mitglieder ansehen. Ohne Pharmaaufträge geht es bei der Kosten-Nutzen-Bewertung nicht. Den harschen Reaktionen de Pharmaindustrie zu urteilen, hat das Expertengremium seine Arbeit nicht schlecht gemacht. Pharmafreundlichkeit kann man dem Methodenpapier nicht nachsagen. Was zu kritisieren ist: In allen IQWiG-Veröffentlichungen und dem Vorwort zum Methodenvorschlag wird als Institution "Caro Research Institute" genannt - kein Hinweis auf UBC.

Pikant an der Sache ist nicht Caro, sondern die Kritik des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA), dessen Mitglieder sich gerne von UBC bei Fragen der Erstattungsstrategie beraten lassen. Sie werden weiterhin an UBC Aufträge vergeben und nutzen die Aufregung, um dem ungeliebten IQWiG eine Breitseite zu verpassen.

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Update
Ich habe nun den Print-Artikel bekommen. Darin werden die Beratungsleistungen von UBC, die das Unternehmen speziell in Hinblick auf die deutsche Situation anbietet (wie etwas Seminare oder Telekonferenzen) in Frage gestellt. Wissensvorprung durch Caro, und sogar die Vermutung, das Expertengremium unter dem Vorsitz von Caro könne die Bewertungsverfahren für Arzneimittel extra kompliziert gestalten, um an der Beratung zu verdienen. Klar hat UBC einen Vorteil durch Caro, sonst hätten die Caro Research nicht gekauft. Die Methodik ist offen und transparent. An der Beratung verdient nicht nur UBC. Alle internationalen Consulting-Unternehmen, die pharmakoökonimische Analysen und Beratung anbieten, haben deutsche Firmen übernommen oder Filialen eröffent bzw. verstärkt. Sowas nennt man wohl "grosser Beratungsbedarf".
 
[IQWiG]
Autor: strappato   2008-06-02   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

"Ein komischer Kauz"

Nachdem das Handelsblatt bereits am 13.2. irreführend über die Ergebnisse des IQWiG-Prüfberichts berichtet hatte, hat die BILD-Zeitung einen Monat verspätet noch einmal auf gleichem Niveau nachgelegt.

Ähnlich wie Handelsblatt-Autor Peter Thelen, der stets über die Meinungsbildungsprozesse im Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) auf dem Laufenden ist, dürfte es auch dem BILD-Autoren Hanno Kautz dabei nicht an Detailkenntnissen fehlen. Das Bundesgesundheitsministerium merkt in einer Stellungnahme an, dass Kautz "als früherer Redakteur der Ärztezeitung durchaus Detailkenntnisse im Gesundheitswesen" aufweisen müsste.

Offensichtlich ist das nicht das einzige, was Kautz bei der Ärzte Zeitung gelernt hat.

Das Bildblog hat sich der Sache angenommen.
 
[IQWiG]
Autor: hockeystick   2008-03-18   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

IQWiG - formale Fehler aber keine Vetternwirtschaft

Viel Aufregung, wenig Substantielles - dieses Fazit kann aus den Untersuchungen zum Verdacht der Vetternwirtschaft gegen das IQWiG und seinen Leiter Peter Sawicki gezogen werden.

Von den 71 Vergaben seit 2004 sind sechs von den Prüfern als kritisch bewertet worden. Drei davon gingen über den Umweg der Universität Graz an das Deutsche Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM), an dem Sawickis Ehefrau beteiligt ist.

Was das Handelsblatt nicht von der Diagnose "Ein Herzstück der rot-grünen Gesundheitsreform droht im Korruptionssumpf zu versinken" abhält. Peter Thelen sieht in seinem Artikel den "Klüngel-Verdacht im Kern bestätigt", muss im zweiten Teil einräumen, dass die BDO-Prüfer in keinem der beanstandeten Fälle Anzeichen dafür, dass Sawicki oder seine Frau von der Auftragvergabe Vorteile hatten oder auf Forschungsergebnisse Einfluss genommen wurde, fanden. Auch seien keine anderen Bewerber benachteiligt worden. In der Hoffnung, dass die meisten Leser nicht so weit kommen.

Der Fall hat ein wichtigen Aspekt in die Öffentlichkeit gebracht. Alle neutralen Bewertungen fussen darauf, dass es fachlich qualifizierte und wirtschaftlich unabhängige Gutachter gibt. Angesichts des vielfältigen Einflusses der Pharmaindustrie darf man daran zweifeln. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, stellte fest, dass unterm Strich sechs bis acht Einrichtungen blieben, die man mit neutralen Expertisen beauftragen könne.
Wir sehen, dass das IQWIG zunehmend Probleme hat, im deutschsprachigen Raum geeignete Auftragnehmer zu finden, auch weil sich viele am finanziellen Tropf der dem IQWIG feindlich gegenüber stehenden Industrie hängende Forschungseinrichtungen aus Furcht Geld zu verlieren, verweigern.

 
[IQWiG]
Autor: strappato   2008-02-13   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Sawicki im Interview

Im November 2007 waren in einem Newsletter zur Gesundheitspolitik Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen IQWiG-Chef Peter Sawicki aufgetaucht. Im Dezember war das auch ein Thema hier im Blog.

Nicht auszuschließen ist, dass die aufgetauchten Vorwürfe mit dem Inhalt der "belastenden Unterlagen" zu tun haben, die "Pharmaagent" A. M. im April 2006 dem Stern-Journalisten Markus Grill angeboten hat, mutmaßlich um das IQWiG im Zusammenhang mit der damals anstehenden Entscheidung zu den Insulinanaloga zu schwächen. Die Vorwürfe selbst beziehen sich nämlich im Kern auf Vorgänge im Jahr 2005.

Markus Grill war es nun auch, der Sawicki (schon im Dezember) zu den Vorwürfen befragt hat.
 
[IQWiG]
Autor: hockeystick   2008-01-04   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Verdacht auf Vetternwirtschaft im IQWiG

Vetternwirtschaft und Intransparenz beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das eigentlich Durchblick im Gesundheitssystem bringen sollte. Der Leiter des IQWiG, Peter Sawicki soll unter Umgehung gültiger Richtlinien Aufträge an ein Unternehmen vergeben haben, an dem Sawickis Frau beteiligt ist. Ein externer Gutachter soll alle Vergabeverfahren seit April 2006 überprüfen.

Sawicki hat die Vorwürfe zurückgewiesen und erwartet vom externen Gutachten eine Bestätigung der regelgerechten Tätigkeit und Vergabe von Aufträgen.

Erstmals aufgetaucht sind die Informationen in einem Newsletter zur Gesundheitspolitik vor 4 Wochen. Man wundert sich, dass die Presse so langsam reagiert. Darin werden detailliert die Beziehungen des IQWiG-Leiters und die Geschäftspraxis des im Fokus stehenden von Sawicki geründeten "DIeM – Deutsches Institut für Evidenz-basierte Medizin GmbH" dargelegt. Was in dem Presseartikel nicht stand: Sawickis Netzwerk soll auch innerhalb des IQWiG und im Kuratorium des Instituts aktiv sein.

Die Vorwürfe wiegen so schwer, dass der Vorstand im November nicht nur die Einschaltung eines externen Gutachters beschlossen hat, sondern dass künftige Vergabeverfahren notariell begleitet werden und der Notar in regelmässigen Abständen unmittelbar dem Vorstand berichtet. Ausserdem: Wenn das IQWiG künftig externe Gutachter und Auftragnehmer beschäftigt, dürfen diese nur mit IQWiG-Genehmigung eine "Unterauftragsvergabe" erteilen. Unteraufträge, die externe Gutachter und Auftragnehmer an das DIeM-Institut vergeben möchten, bedürfen der Zustimmung des Vorstandes.
 
[IQWiG]
Autor: strappato   2007-12-15   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 



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