Mehrwert-Nummern zur Krankenhausfinanzierung

Telefonieren wird immer preiswerter. Flatrates, call-by-call, VoIP führten dazu, dass man selbst bei der Telekom ohne besonderen Zusatzoption für Inlandsferngespräche deutlich unter 5 Cent/Minute zahlt. Nur ein Bereich hat sich diesem Trend erfolgreich widersetzt: Die Mehrwertnummern mit 0180 als Vorwahl. Seit 1999 kosten Gespräche zu der Vorwahl 01805 12 Cent/Minute (bzw. 0,24 DM) und es konnte bei der Bundesnetzagentur sogar eine Erhöhung auf 14 Cent/Minute durchgesetzt werden. Anrufer aus dem Handynetzen zahlen noch erheblich mehr, da die Vermittlung und Preisfestsetzung von Servicenummern dem Netzbetreiber des Teilnehmers vorbehalten ist. Wo gibt es am Telefonmarkt sonst noch Preiserhöhungen? Die Argumentation der Telekom klingt da wie eine Ohrfeige: Mit der Preisanpassung in der Rufnummerngasse 0180-5 wird der Wert des Telefonservices für den Anrufer hervorgehoben.

Die Telekom meint wohl eher den Wert für den Betreiber und Anbieter der Nummern. Diese Mehrwertnummern haben sich zu einer Goldgrube entwickelt. Am Anfang waren sie als "shared cost" gedacht: Anrufer und Angerufener teilen sich die Kosten. Mittlerweile wird vornehmlich das 01805-Modell gewählt, das die Kosten vollständig auf den Anrufer abwälzt.

Die Bundesnetzagentur verbietet aufgrund der Vorschriften den Telefonfirmen, Einkünfte aus den Shared-Cost-Diensten an den Anbieter dieser Nummern auszuschütten. Das hindert die Telefonunternehmen aber nicht daran, Unternehmen mit Zahlungen und Geschenken zum Umstieg auf die 01805-Rufnummern zu bewegen. Die Ausschüttungen werden als "Sachleistungen" und "Werbekostenzuschüsse" getarnt.

Auch die Krankenhäuser werden pdf-Dateiumworben. Viele Kliniken, so beispielsweise die privaten Asklepios Kliniken, die Uniklinik Mainz oder die Bavaria Kliniken haben die Patiententelefone auf 01805-Nummern umgestellt.

In einer pdf-DateiPräsentation der IN-telegence GmbH für das Angebot careTEL ist statt verschämt von "Werbekostenzuschuss" ganz offen von "Finanzierungsbeitrag", "Auszahlung" und "Verdienst" die Rede. Eigentlich ein Fall für die Bundesnetzagentur. (Einschub: pdf ist erstmal als Beweis gesichert).

Nach dieser Beispielrechnung beträgt dieser Verdienst 5400 Euro im Monat für ein 300-Betten Krankenhaus. Mit einem Routenschutz wird sichergestellt, dass nur noch auf der 01805-Rufnummer angerufen werden kann. Und für ausgehende Gespräche berechnet IN-telegence 3 Cent/Minute, während die Klinik meist mindestens 10 Cent dem Patienten abnimmt und eine zusätzliche tägliche Bereitstellungsgebühr. Das Unternehmen wirbt auch mit einem Voicebox-System. Nach einer definierter Zeitspanne nimmt der Anrufbeantworter Gespräche entgegen, der Patient kann per Telefon Aufsprachen abhören und, wie es die Präsentation hervorhebt: Rückrufe durch Patienten bedeuten Zusatzerlös!

Kein Wunder, dass die Krankenhäuser eine Handy-freie Zone sind, obwohl es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund dafür gibt. (update: auch hier)

Ethisch könnte man dies als Missbrauch und Ausnutzung einer Notlage werten. Denn diese Nummern sind als Service-Hotline gedacht, mit denen die Unternehmen einen Mehrwert anbieten, indem sie beispielsweise den Kunden beraten. Die telefonische Erreichbarkeit des Patienten im Krankenhaus für die Angehörigen stellt sicher in der heutigen Zeit kein Mehrwert dar - sondern ist auch für die psychische Verfassung des Patienten notwendig.

Eine Art der verdeckten Patientenzuzahlung, zum Wohl der Investoren der privaten Klinikbetreiber und zum Schaden der Patienten. Asklepios, auch Eigner der ehemals kommunalen Hamburger Krankenhäuser, konnte 2006 seinen Umsatz um 55% auf 1,12 Milliarden Euro, den Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) um 75% auf 104 Millionen Euro, den Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) um 82% Prozent auf 69 Millionen Euro und den Gewinn vor Steuern um 206% auf 96 Millionen Euro steigern (Quelle: kma 01/2007, S. 36). Ziel: Börsengang.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2007-01-21   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Kartellrecht und Kliniken

Der deutsche Krankenhausbereich ist im Umbruch. Es gibt Studien, wie die von McKinsey, die - trotz aller Bemühungen die der Kliniken die Wirtschaftlichkeit zu verbessern - für ein Drittel der Kliniken wirtschaftliche Probleme prognostizieren. Die Internetseite kliniksterben.de dokumentiert den Umbau der deutschen Krankenhauslandschaft.

Vor diesem Hintergrund muss man die Meldung in der heutigen FTD sehen: Kartellamt durchsucht Asklepios-Tochter.

Immer mehr Kliniken setzen auf Verbundstrukturen um die Verhandlungsposition bei Vertragsverhandlungen zu stärken. Verbünde und Kooperationen sind gut, aber die privaten Klinikkonzerne drängen auf Übernahmen, um die Bilanz und den Aktienkurs zu verbessern. Fraglich ist, ob das Kartellrecht geeignet ist, die Krankenhausversorgung im Sinne des Bürgers zu beeinflussen. Für die Patienten bedeutet die Untersagung einer Übernahme das Ende der wohnortnahen Krankenhaushausversorgung.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-11-09   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Motivationshilfen

Anruf vom Chef. Was wollte er? Er hätte gehört, dass in einem bestimmten Krankenhaus demnächst ein spezielles Labor eröffnet werden würde und er hätte noch 1.000 Euro dafür rausschlagen können. Das würde ja bei der Listung eventuell helfen können. Ob ich die Euro nicht für eine Veranstaltung in dem Krankenhaus nutzen wolle...
Notizen eines Pharmaberaters.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-11-06   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Klassen-Medizin

Mit den DRG-Fallpauschalen ist kein Geld zu verdienen. Das Hamburger Uni-Klinikum hat schon letztes Jahr eine Klinik für Privatpatienten eröffnet. Nun werden in 2 Kliniken in Hannover Luxustationen für Privatpatienten eingerichtet.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-10-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

DRG Lerneifer

Anzahl der DRGs
Das Fallpauschalen-System (DRG), nach dem stationäre Leistungen bezahlt werden, wird ab 2007 nun 1082 Fallpauschalen, 128 mehr als in diesem Jahr, enthalten. Ausserdem wurden 105 Zusatzentgelte vereinbart, 23 mehr als im Vorjahr.

Damit wird die Codierung noch komplexer und anfälliger für Fehler. Schon jetzt ist es uns kaum noch möglich die Kosten von stationären Aufenthalten in gesundheitsökonomischen Modellen valide abzubilden.

Das deutsche G-DRG-System ist als lernendes System angelegt. Zu Beginn 2003 waren erst 661 Fallpauschalen im DRG-Katalog. 2004 schon 824. Das lernende System verschlingt langsam seine Erzeuger.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-10-04   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

PR-Essen

Was unterscheidet eine Privatklinik von der kommunalen oder freigemeinnützigen Konkurrenz? Beispielsweise dass die Chefköche der Klinik zu einer kulinarischen Reise durch Deutschland einladen - eine Aktionswoche mit Gewinnspiel. An jedem Tag werden verschiedene bundeslandtypische Gerichte angeboten.

Oder liegt der Unterschied darin, dass eine Privatklinik sowas ganz gross als PR-Massnahme verbreitet, während andere Kliniken dies einfach nur machen und es mit gesunder und qualitativ hochwertiger Ernährung verbinden?
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-09-12   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Praxistest

Was hat denn der Marburger Bund erreicht? Erfahrungen in einer Uniklinik:
a) 10 Stellen gestrichen werden, da ja nun 42 Wochenstunden gearbeitet werden, statt, wie bisher, 38,5 und
b) Ärzte, die an einer anderen als einer Uni-Klinik angefangen haben, zurückgestuft werden. Das heißt, wenn man zwar schon vier Jahre als Assistenzarzt tätig war, davon aber die ersten drei an einer anderen als einer Uni-Klink, ist man, da man ja erst ein Jahr an der Uni-Klinik ist, im ersten Ausbildungsjahr zum Facharzt. Und somit ist man dann billiger.
c) sind stellvertretende Oberärzte keine Oberärzte und bekommen somit auch kein Oberarztgehalt.
Daß die 3,5 Stunden Mehrarbeit laut Tarif vollkommener Unsinn sind, weil z.B. ein Anästhesist deswegen nicht eine OP mehr am Tag mitmachen wird, ist egal. Daß die 38,5 Wochenstunden sowieso nie wirklich eingehalten wurden, ist auch egal. Und stellvertretende Oberärzte, die de facto die Arbeit eines Oberarztes machen, auch für diese Arbeit entsprechend zu entlohnen? Nein, das geht nun wirklich nicht.

Aus einem Kommentar bei boocompany.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-08-21   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Stillstand

Durch den neuen Ärztetarif ist hier nichts gewonnen. Weder ermöglicht er den Kliniken mehr Flexibilität in der Entlohnung, noch leistet er einen Beitrag, die internen Strukturen zu verändern. Allerdings können sich die Sozialpartner nur in dem Rahmen bewegen, den die Politik den Krankenhäusern setzt. Solange wechselnde Regierungskoalitionen bloß neue Milliarden in ein ineffizientes System pumpen, statt dessen Strukturen grundlegend zu verändern und es auf Kostentransparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb auszurichten, wird sich an dem für das deutsche Gesundheitswesen symptomatischen Nebeneinander von Mangelwirtschaft und Doppeluntersuchungen nichts ändern.

Den besten Kommentar zur Tarifeinigung der Kommunen mit dem Marburger Bund hat die FAZ.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-08-18   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Krankenhaus-Ticket


Ist das die Zukunft? Tickets für elektive Eingriffe im Krankenhaus? Angesichts des Bettenabbaus und der finanziellen Situation der Kliniken wäre das ein Tipp für Ulla Schmidt.

[via]
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-08-07   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Leistung zahlt sich aus

Erfolgsabhängige Vergütung ist im Trend. Nachdem eine Gruppe niedergelassener Ärzte einen Versorgungsvertrag vereinbart hat, bei dem sich die Bezahlung am Erfolg misst, werden nun erstmalig die Leistungen im stationären Bereich von den Kassen erfolgsabhängig honoriert.

Eine Vereinbarung der TK und der Gmünder Ersatzkasse mit der Karlsruher Klinik für Herzchirurgie und der Reha-Klinik Falkenburg in Bad Herrenalb sieht einen Erfolgsbonus vor, wenn der Anteil der Patienten, bei denen die Sonde des eingebauten Herzschrittmachers verrutscht, die sich bei der Operation eine Infektion im Brustkorb zuziehen oder die nach der Herz-Operation im Krankenhaus sterben, unter dem bundesweiten Durchschnitt in der Herzchirurgie liegt.
 
[Klinik]
Autor: strappato   2006-02-20   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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