Eli Lilly/Zyprexa® case - Ein Überblick
Die deutschen Medien haben in dem Fall bisher kaum berichtet. Daher halte ich es für sinnvoll, erst einmal das Geschehen zusammenzufassen.
1876 gründete Colonel Eli Lilly in Indianapolis das Unternehmen Eli Lilly. Lilly gehört mit einem Umsatz von $ 14,6 Mrd. (2005) zu den weltweit zehn grössten Pharmaunternehmen. Bekannteste Produkte: Prozak© (Fluoxetin in Deutschland: Fluctin®) und Cialis® (Tadalafil). Indianapolis ist "Lilly-City". Der Konzern ist allgegenwärtig - wie BASF in Ludwigshafen zu seinen besten Zeiten. "Lilly Endowment" eine der weltgrössten gemeinnützigen Stiftungen besitzt 13% der Aktien.
Interessant ist die gute connection zur Bush-Familie: Nachdem George H.W. Bush 1977 als CIA-Direktor abgetreten ist, wurde er Mitglied im Board of Directors bei Eli Lilly. Der Vater seines späteren Vize-Präsidenten Dan Quayle kontrollierte das Unternehmen und die Zeitung Indianapolis Star. Als US Vize-Präsident und später als Präsident war Bush
oberster Lobbyist für Lilly und die Pharmaindustrie. Die Bush-Familie investierte über Jahre in Lilly-Aktien. Auch andere Mitglieder der konservativen US-Regierung waren oder sind mit Lilly verbunden: Der frühere US-Verteidigungsminisiter
Donald Rumsfeld als Ex-Board Mitglied, wie auch der frühere Budget-Direktor im White House,
Mitch Daniels, ein ehemaliger Lilly Vice-President, der seit 2004 Governor von Indiana ist.
Sidney Taurel, CEO von Lilly, war Beiratsmitglied im Heimatschutzministerium (U.S. Department of Homeland Security).
Zyprexa® ist Lillys Hauptprodukt und trägt über 30% zum Umsatz bei. Es ist zugelassen zur Therapie von Bipolaren Störungen, Schizophrenie und akuter Manie. In Deutschland lag Zyprexa® im Jahr 2005 an 119. Stelle der meistverordneten Medikamente mit 853.400 Verordnungen und einem Umsatz von fast 192 Millionen Euro (Quelle: Arzneiverordnungsreport 2006). Damit entfallen über 10% der Auslandsumsätze mit diesem Medikament auf Deutschland.
Die Zyprexa-Umsätze lagen 2006 weltweit bei $ 4,36 Milliarden.
In der Öffentlichkeit tauchten 2002 erste Meldungen von einer mögliche Induktion von Diabeteserkrankungen durch Olanzapin auf. Viele Erkrankungen gingen mit einer Ketoazidose einher, es kam zu nekrotisierenden Pankreatitiden und 23 Patienten starben, darunter ein 15-jähriger Jugendlicher. Seither gab es eine Reihe von Fall-Kontroll-Studien, die den Zusammenhang festigten, jedoch nicht nur für Olanzapin, sondern auch für eine Reihe weiterer Antipsychotika. Weshalb die amerikanische Zulassungsbehörde FDA seit Ende 2003 vor einem Hyperglykämie-Risiko bestimmter Antipsychotika warnt. Vorher stuften die Fachinformationen Diabeteserkrankungen als seltene Komplikation ein.
Zyprexa®/Eli Lilly case
Im Dezember 2006 veröffentlichte der Journalist Alex Berenson in der New York Times einige Artikel, die belegen, dass Lilly schon vor 2002 von dem erhöhten Risiko der Gewichtszunahme, Hyperglykämie und Diabetes bei der Einnahme von Zyprexa® wusste. Lilly hatte dies gegenüber Patienten, Ärzten und der FDA verschwiegen und verharmlost. Berenson hat ausserdem beschrieben, wie Lilly Zyprexa® für nicht zugelassene Indikationen vermarktet, ein sogenannter "off-label use". Eine besondere Brisanz liegt darin, dass Lilly in den letzten Jahren immer wieder mit Klagen konfrontiert war, in denen tausende Patienten auf Entschädigung klagten und die aussergerichtlich durch Zahlungen von $ 1,2 Milliarden
beigelegt worden sind. Lilly hatte es erreicht, dass die Dokumente, die Gegenstand des Verfahrens waren, nicht veröffentlicht werden und hat dies mit Unternehmensgeheimnissen begründet.
Ein paar links zur den NY Times Artikeln:
hier,
hier oder
hier.
Bei seinen Artikeln stützte Berenson sich auf die internen Dokumente von Lilly. Wie kam er daran? Dr. David Egilman, als Gutachter/Experte bei den Prozessen dabei, übergab sie
Jim Gottstein, einem Anwalt aus Alaska, der diese an Alex Berenson weiterreichte. Beide wollten damit die Öffentlichkeit über die Zyprexa®-Risiken warnen und mögliche weitere Schäden für die Patienten verhindern. Primäres Ziel war den Umfang des off-label Marketings offenzulegen, da der nicht zugelassene und nicht durch klinische Studien auf Sicherheit und Wirkung geprüfte Einsatz des Medikaments ein ethisch nicht zu vertretendes Risiko für die Patienten darstellt. Dass die Therapie mit Zyprexa® mit dem Risiko der Gewichtszunahme und Hyperglykämie verbunden ist, war früh diskutiert worden und die meisten Klagen, die jetzt außergerichtlich beglichen wurden, stammen aus der Zeit vor der Änderung der Fachinformation Ende 2003. Neu war das Ausmass der Verharmlosung dieser Risiken und der interne Umgang damit, die durch die Dokumente ans Licht der Öffentlichkeit gelangten.
Die Dokumente stiessen auf grosses Medieninteresse in den USA. Auch als aus den Dokumenten zitiert wurde, leugnete Lilly jegliche Schuld. Am 15. Januar 2007 gaben die Lilly-Anwälte an, dass die Dokumente keine weite Verbreitung haben:
Despite a concerted effort by a small group of individuals to take advantage of Dr. Egilman's and Mr. Gottstein's violation of CMO-3, and to violate the Temporary Mandatory Injunctions, this effort fell flat.
Zu diesem Zeitpunkt konnte sich jedoch jeder die "ZyprexaKills memos", als "ZyprexaKills.tar.gz"
aus dem Internet besorgen.
Informationsfreiheit und Bürgerrechte
Im Dezember hatte der Richter Jack B. Weinstein in Brooklyn, N.Y. verfügt, dass Gottstein die Namen der Empfänger der Zyprexakills memos herausgibt und die Dokumente wieder einsammelt. Wieder ein Beispiel, dass Konzerne die Macht des Internets unterschätzen. Denn die Dokumente waren längst im Netz und eine anonymer Nutzer, im Verfahren "John Doe" genannt, setzte in einem öffentlichen wiki - Zyprexa Kills
http://zyprexa.pbwiki.com - einen link zu diesen Dateien. Ein Lilly-Anwalt verlangte am 29. Dezember eine Löschung des links mit Verweis auf den Gerichtsbeschluss, der aber das wiki nicht speziell mit einschloss. Daraufhin forderte Richter Weinstein am 4. Januar verschiedene Organisationen und Internetnutzer auf, ihre links zu den ZyprexaKills-Dateien zu löschen und die "facilitat[ing] dissemination" zu stoppen.
Doe kam dem nach, ist aber der Überzeugung, dass der Zugang zu den Dateien wichtig und nötig ist, damit die Öffentlichkeit die medizinischen, ethischen und gesundheitlichen Aspekte bezüglich Zyprexa® versteht. Die
EFF hat sich dem Fall
angenommen und scheut sich nicht das Wort "Zensur" zu verwenden:
Eli Lilly's efforts to censor these documents off the Internet are particularly outrageous in light of the information reported by The New York Times, which suggests that doctors and patients who use Zyprexa need to know the information contained in these documents.
Richter Weinstein hat Alex Berenson
eingeladen (nicht vorgeladen!), und hofft, dass er von dem Journalist mehr über die Hintergründe rund um die Weitergabe der Dokumente erfährt. Ein investigativer Top-Journalist soll über seine Methoden und Informanten plaudern. Sehr bizarr und klingt ein wenig hilflos.
Das Gericht hat entschieden, dass die vertraulichen Dokumente über das Marketing von Zyprexa von David Egilman und Gottstein an Lilly
zurückgegeben werden müssen. Der NY Times Journalist, der die Dokumente von den beiden erhalten hat, ist nicht von der Entscheidung betrofffen, genauso wie die Quellen im Internet, wo sie als "ZiprexaKills memos" zu finden sind. In Zukunft könnte damit die Verbreitung solcher als firmenintern klassifizierten Dokumente unterbunden werden.
Damit ist der Fall in den USA auch zu einer Frage der Informationsfreiheit geworden.
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Die ZyprexaKills memos können bei
boocompany.com im pdf- und txt-Format runtergeladen werden.
Alle Artikel zum Zyprexa-Skandal hier im blog:
http://gesundheit.blogger.de/topics/Zyprexa
Conflict of interest
Der Autor war vor einigen Jahren für Eli Lilly an der Erstellung eines Gutachtens zum Thema "Bipolare Störungen" beteiligt.
[Zyprexa]