Praktische Ethik

Es ist ja nicht so, dass es keine rechtlichen bzw. standesrechtlichen Regelungen oder andere kodifizierte Verhaltensempfehlungen für die Beziehungen der am Gesundheitswesen Beteiligten - z.B. Ärzte, Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, andere Dienstleister - gibt. Ein paar Beispiele: Es stellt sich die Frage, ob diese umfangreiche Sammlung die Bedeutung der ethischen Handelns in der Medizin bekundet, oder nur Folge der häufigen Verstösse gegen allgemein anerkannte Verhaltensregeln ist. Das letztere ist wohl leider richtig, wie Untersuchungen und Skandale belegen. Und es ist anzunehmen, dass es trotz der Verhaltensregeln, unethische oder nicht vom Gesetz gedeckte Praktiken gibt, deren Aufdeckung weitere Kodizes und Gesetze nach sich ziehen.

Am Ende dreht sich alles um das Wohl des Patienten. Dabei haben die meisten Beteiligten nur indirekt Kontakt zum Patienten. Mittler ist oft der Arzt. Es lohnt daher, das ethische Konzept des Arztes in die eigenen Handlungen mit einzubeziehen.

Allgemein anerkannt sind vier ethische Grundsätze einer professionellen ärztlichen Arbeit, die nicht durch Beziehungen zur Industrie verletzt werden dürfen:
  1. Ärzte müssen im besten Interesse der Patienten handeln (Benefiz).
  2. Ärzte müssen Patienten vor Schaden bewahren (Nonmalefiz).
  3. Ärzte müssen Patienten und deren Willen respektieren und einen aufgeklärten Konsens anstreben (Autonomie).
  4. Ärzte müssen die dem Gesundheitssystem zur Verfügung stehenden Mittel problembezogen auf alle Patienten verteilen (Gerechtigkeit).
Speziell der vierte Punkt wird zukünftig an Bedeutung gewinnen. Nicht von ungefähr befasst sich der Nationale Ethikrat in seiner Jahrestagung mit dem Thema: Gesundheit für alle - wie lange noch? Rationierung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen.

Wenn man sich diese 4 Grundsätze vor Augen hält, dann sind viele Marketing-Praktiken, besonders im Pharmaaussendienst, unethisch. Zuwendungen für Ärzte, die Patienten auf neue Präparate umgestellt haben (oft in Form von Honoraren für Anwendungsbeobachtungen), stossen auf die Frage der Interesssen des Patienten und des aufgeklärten Konsenes. Ebenso bedeutet das aggresive Vermarkten eines teuren Medikaments - ohne spezielle Indikation - unter den Bedingungen der Arzneimittelrichtgrössen, dass der Arzt andere Patienten aus Kostengründen nicht die benötigten Medikamente verschreiben kann.

Noch ein paar praxisnahe Literaturtipps für diejenigen, die sich mit dem Thema befassen wollen - oder beruflich befasst sind:

Schabbeck J, Graf V. Drittmittel im klinischen Alltag - Über den richtigen Umgang mit Förderungen aus der Wirtschaft. f&w 2004;21:298-303.

Fenger H, Göben H (Hrsg). Sponsoring im Gesundheitswesen - Zulässige Formen der Kooperation zwischen medizinischen Einrichtungen und der Industrie. München: Verlag C.H. Beck 2004.

Karsten K. Sponsoring oder Bestechung - Die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen der pharmazeutischen Industrie und leitenden Krankenhausmitarbeitern. f&w 2003;20:612-619.

Wager E. How to dance with porcupines: rules and guidelines on doctors' relations with drug companies. BMJ 2003;326:1196-1198.

Coyle SL. Physician–Industry Relations. Part 1: Individual Physicians. Ann Intern Med 2002;136:396-402.

Coyle SL. Physician–Industry Relations. Part 2: Organizational Issues. Ann Intern Med 2002;136:403-406.

Snyder L, Leffler C, for the Ethics and Human Rights Committee, American College of Physicians. Ethics Manual
Fifth Edition. Ann Intern Med 2005;142:560-582.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-10-25   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Vorbildliches System

Stellen Sie sich also vor, Ihr Haus-, Frauen-, Kinder- und wahrscheinlich auch Tierarzt ist eine Person. Medizinische Grundversorgung hin oder her. Wenn es ernst wird, wollen Sie eine anständige Behandlung, auch mal einen Spezialisten. Wer also mehr als nur ein Rezept verschrieben haben möchte, reist nach Deutschland und lässt sich dort behandeln. Zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach stellen Arztpraxen mittlerweile holländische Krankenschwestern ein, um für die vielen Patienten aus dem Westen besser gewappnet zu sein. So kann man seine Gesundheitsversorgung auch retten: die kostspieligen Behandlungen einfach auslagern.
Michael Streck erläutert in der TAZ die Wahrheit über die Niederlande.

Das Gesundheitsssystem in den Niederlanden wird ja gerne als Vorbild für die deutsche Reform dargestellt: Abgeordnete loben niederländisches Gesundheitssystem.
 
[Ausland]
Autor: strappato   2006-10-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Markt und Moral

Corporate Social Responsibility (CSR), die Unternehmensethik, wird im Wettbewerb immer wichtiger. Konsumenten achten zunehmend auf die Art und Weise, wie Unternehmen produzieren, mit Geschäftspartnern und Mitarbeitern umgehen, den Umweltschutz beachten und nicht zuletzt ob Ziele und Werte mit dem Handeln übereinstimmen und dies transparent kommuniziert wird. Blogs spielen als Wächter eine nicht zu unterschätzende Rolle, was man an den aktuellen Fällen mit Edelmann und Germanblogs erleben kann.

Man mag einwenden, dass in der Praxis das Konsumentenverhalten nicht immer mit den ethischen Forderungen übereinstimmt. Laut des vom OECD in einem Entwurf vorgelegten Papiers zum Thema "Informing Consumers of CSR in International Trade" ist die Informationslücke zwischen dem Unternehmen und dem Konsumenten in Sachen CSR ein möglicher Grund dafür.

Ethisches Handeln hat im Gesundheitswesen traditionell einen hohen Stellenwert. Consumers International, eine Art Weltverband der Verbraucherorganisationen hat in einer Studie CSR in Europa bei den 20 grössten Pharmaunternehmen untersucht und beim Marketing gravierende Verstösse gefunden.
Big Pharma love to tell anyone who'll listen just how socially responsible they are. Yet when it comes to access to information about their marketing policies, the door slams shut.

Die in den Unternehmensprofilen aufgeführten Beispiele gleichen einer Anleitung, wie man es nicht machen soll. Zusammenfassend:
  • Pharmaceutical companies show limited transparency in reporting key CSR information.
  • New marketing tactics do not favour rational drug use by consumers.
  • Breaches of regulations and CSR codes occur with regular frequency showing weak industry self-regulation.
  • Pharmaceutical companies blur links with health researchers.
Um auf den Fall der PR-Agenturen zurückzukommen: Pharmakonzerne handeln nicht eigenständig, sondern beauftragen Dienstleister wie etwa PR-Agenturen, um Marketing-Kampagnen zu erarbeiten und im Markt umzusetzen. Diese tragen zu unethischem Verhalten bei und verstossen oft genug gegen eigene Codizes, nicht immer mit Unterstützung der Mitarbeiter.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-10-23   Link   (27 KommentareIhr Kommentar  



 

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Autor: strappato   2006-10-23   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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