Mega-Business Magersucht

Brasilien ist ein Paradies für plastische Chirurgen. In kaum einem anderen Land nähern sich Frauen und Männer so bereitwillig durch Operationen an das allgemeine Schönheitsideal an. Und dieses hat sich in den letzten Jahren verändert. Statt ausladender Hüften hat sich die Traumfigur eher zu einer schmalen Silhouette verschoben - obwohl es den meisten Brasilianerinnen physiognomisch nicht entspricht. Eine im November von der brasilianischen Regierung veröffentlichte Studie zeigte, dass der Anteil der Bevölkerung, die Appetitzügler einnimmt sich zwischen 2001 und 2005 verdoppelt hat. Damit ist Brasilien Weltspitze im Konsum von Diätpillen.

Brasilianische Geschmacksikone ist Gisele Bündchen, die mit einem Gewicht von 55 kg und einer Grösse von 178 cm den für Modeschauen diskutierten Mindest-BMI von 18 glatt unterschreitet. Aber nach Meinung von von Gisele Bündchen trifft die Mode-Industrie und ihre globalen Schönheitsvorgaben keine Schuld: Schwache Familien seien schuld an einer Anorexie. Und natürlich werden die guten Gene wieder betont. Die müssen ja auch immer wieder herhalten, wenn alternden Schönheiten darauf angesprochen werden, ob sie ihrem zeitloses Aussehen nicht per Skalpell nachgeholfen haben. Für Noami Campbell ist es Folge einer seelisch bedingten Krankheit.

Was dabei selten thematiert wird: Pharmaindustrie trägt durch Nahrungsergänzungsmittel, Medikamenten gegen Übergewicht, Appetitzüglern und andere Produkten dazu bei, dass ein solches irreales Ideal als erreichbar angesehen wird. Und die Medien feiern diese Produkte dann als "Pille gegen Fettpolster", "bahnbrechendes neues Mittel" oder "neue Wunderpille", wie beispielsweise das Medikament Acomplia, seit letztem Jahr auf dem Markt. Ein Milliardengeschäft, auf Kosten der Gesundheit.

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Update
Die FAZ meldet, dass zum wiederholten Mal ein Model vermutlich an den Folgen von Magersucht gestorben ist.
 
[Public Health]
Autor: strappato   2007-02-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Mama's baby, papa's may be

Der Gesetzgeber muss Vaterschaftstest erleichtern und darf nicht den begründeten Anfangsverdacht zur Voraussetzung machen. Diese Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts wird von allen Seiten begrüsst. Selbst von Justizministerin Zypris, die sich immer gegen eine Erleichterung von Vaterschaftstests ausgesprochen hat. Das Gendiagnostik-Gesetz, ein Lieblingskind der Ministerin, ist endgültig ein Fall für den Reisswolf. Haftstrafen für heimliche Vaterschaftstests sind kaum vermittelbar, wenn die legalen Tests gleichzeitig erleichtert werden sollen.

Das Gericht hat den 31. März 2008 als Datum, bis zu dem eine Regelung in Kraft treten muss, vorgegeben. Könnte als Schub für das Gendiagnostik-Gesetz genutzt werden, das seit 2003 als Entwurf diskutiert wird.

Natürlich sind diese Tests auch ein Riesengeschäft.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-02-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Pfizer verpasst Kommunikations-Chance

Pfizer vereinheitlicht weltweit seine Finanzsysteme. Dieser Tage erhalten die Geschäftspartner eine neue Broschüre "Lieferungen und Dienstleistungen korrekt abwickeln - Ein Leitfaden für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Pfizer in Deutschland".

Wäre eine passende Gelegenheit gewesen, die formulierten Werte des Pharmaunternehmens zu kommunizieren.
Seit 1849 steht der Name Pfizer für Vertrauen und Zuverlässigkeit. Qualität ist die Wurzel unserer Arbeit und Werte. Wir wollen so arbeiten, dass wir die Qualitätsansprüche von Patienten, Kunden, Mitarbeitern, Investoren, Geschäftspartnern und Aufsichtsbehörden übertreffen.

Verpasst.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-02-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

PatientView als Lobbyisten-Traum

Über die Aktivitäten von PatientView habe ich schon berichtet. Hier ein weiteres Beispiel, dass PatientView im Dienste der Pharmaindustrie die Patientenverbände instrumentalisiert.

Das Beratungsunternehmen hat eine Dienstleistung mit dem Titel: "Broadcasting Patients". Ankündigungs-E-mail hier broadcasting_patients (pdf, 39 KB).

Wie das an die Medien vermittelt wird, zeigt die Pressemitteilung.

PatientView will als Anlaufstelle für die Medien dienen und Journalisten bei Anfragen geeignete Patientenverbände vermitteln. HSCNetwork would act as an intermediary and filter these requests. Nach welchen Kriterien wird gefiltert? Wenn man sich die Auftraggeber von PatientView ansieht, dann erscheint das klar.

PatientView stellt es als gemeinnützige gute Tat dar:
This service is provided independently by HSCNetwork and is not funded by any outside means including governments, pharmaceutical or any other industry or organisation.
Jedoch bekommt Patientview seine Aufträge, wie in den vorherigen Artikeln hier im blog gezeigt, von der Pharmaindustrie und neoliberalen Think Tanks. Das HSCNetwork wird von Patientview finanziert und ist eine Art Firmenkapital. "Broadcasting Patients" macht PatientView für die Auftraggeber aus der Pharmalobby noch attraktiver, da man nicht nur durch Informationen die Patientenverbände beeinflusst, sondern auch durch die Auswahl der richtigen Ansprechpartner die Informationen, die von den Patientenverbänden in die Medien gehen, lenken kann. Ein Traum für Lobbyisten.
 
[PatientView]
Autor: strappato   2007-02-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Johnson & Johnson räumt unsaubere Praktiken ein

Nun hat es Johnson & Johnson (J&J) erwischt. Das Unternehmen hat gestern freiwillig erklärt, dass es im Zusammenhang mit dem Verkauf von Medizinprodukten zu unerlaubten Methoden in Auslandmärkten gekommen sei. Der verantwortliche "Worldwide Chairman, Medical Devices & Diagnostics" hat seinen Hut genommen.

J&J war in der Vergangenheit besonders um ethisch einwandfreie Geschäftspraktiken bemüht. Das brachte das Unternehmen in den Vertrauens-Rankings als einziges Pharmaunternehmen regelmässig auf die oberen Plätze. Diese freiwillige Enthüllung kann man auch positiv werten. Wobei bei der Bekanntgabe um 19:00 Uhr US-Ostküstenzeit auffällt, dass man die Wellen möglichst klein halten will.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-02-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Gesundheitstage 2007

Am Samstag war Tag der Kinderhospizarbeit.

Nicht bemerkt? Keine Sorge es gibt 2007 noch weitere Gesundheitstage. Einen Überblick gibt die BZgA in einer Jahresübersicht: pdf-DateiGesundheitstage 2007. Da sind einige Aktionstage dabei, die von der Pharmaindustrie intensiv für das Marketing genutzt werden.

Speziell für "hockeystick": Am 15. Juni ist mal wieder Tag des Cholesterins.
 
[Public Health]
Autor: strappato   2007-02-12   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Pharmaberater mit leeren Händen

Die NY Times berichtet von Initiativen, um in den USA die Beeinflussung des Arztes durch die Pharmaberater zu beenden.

In Deutschland stehen solche Bemühungen noch ganz am Anfang. Was man auch an den schleppenden Beginn von MEZIS sehen kann. Wird noch lange dauern, bis der Pharmaausendienst mit leeren Händen die Ärzte besucht und sich auf die gesetzlich festgelegte Aufgabe der Information beschränkt.
 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-02-12   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Patientenverbände als Ziel neoliberaler Netzwerke

Es geht weiter auf der Entdeckungstour durch die Untiefen der EU-Lobbyisten und Think Tanks. Wir starten wieder bei dem Beratungsunternehmen PatientView, das, wie schon beschrieben, besonders um gute Beziehung zu Patientenverbänden und Patientenvertreter bemüht ist.

Ende 2005 verschickte PatientView eine E-mail mit einer Befragung zum Thema "Healthcare in 2020: a vision of the future". Anschreiben und Fragebogen: survey_health_consumer_powerhouse (pdf, 59 KB). Den Inhalt und Sinn der Befragung übergehen wir mal fürs Erste, da Fragen nach dem Gesundheitssystem im Jahr 2020 eher ein Fall für die Kristallkugel sind.

Als Sponsor wird Baxter World Trade Corporation, eine Tochtergesellschaft des Pharmakonzerns Baxter International Inc. genannt. In Auftrag gegeben hat die Sudie Health Consumer Powerhouse. Auf der Internetseite beschreibt die Organisation ihre Aufgabe so:
Health Consumer Powerhouse is the leading European provider of consumer information on health care. The Powerhouse is dedicating ideas and resources to the development of consumer empowerment action. We analyse health care and compare the outcomes, designing consumer information tools like health care system and Illnesses indexes, consumer press and education.

Klingt gut und nach Verbraucherverband, oder? Health Consumer Powerhouse ist jedoch Teil eines neoliberalen Netzwerks von Lobbygruppen und Think Tanks, die marktradikale Positionen vertreten. Da findet sich auch das Centre for the New Europe (CNE) wieder. Deutsches Mitglied im Stockholm Network ist die Stiftung Marktwirtschaft. Dem Vorstand der Stiftung gehören Prof. Bernd Raffelhüschen und der ehemalige Leiter des Bundestagsbüros von Friedrich Merz, Michael Eilfort, an. Bernd Raffelhüschen und zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung sind auch „Botschafter“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Der ehemalige Vorstand Lüder Gerken ist heute Vorstand der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung, auch und wie Eilfort INSM-Botschafter. Auch die Professoren Eekhoff und Donges aus dem Kronberger Kreis, dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, sind Botschafter der INSM. Zum Thema INSM hat Don Dahlmann gerade einen Beitrag in seinem blog veröffentlicht. Laut wikipedia sind beim CNE und dem Stockholm Network Pfizer und die Pharmaindustrie bedeutende Geldgeber.

Es verwundert nicht, dass die Ergebnisse der Befragung "Healthcare in 2020" auf einer Pfizer-Presseveranstaltung in Brüssel vorgestellt worden sind. Damit werden auch die Ziele deutlich, die mit dieser Befragung von Patientenverbänden erreicht werden sollen: Munition im Lobbykampf für ein dereguliertes Gesundheitswesen.

Vorgestellt wurde die Studie von Johan Hjertqvist, dem Gründer und Präsident von Health Consumer Powerhouse, den wir schon aus dem Anschreiben zu der Befragung kennen. Johan Hjertqvist, früherer Berater der PR-Agentur Burson-Marsteller und international erfahrener Lobbyist, ist immer dabei, wenn die Interessen des freien Marktes im Gesundheitswesen verteidigt werden müssen.

Wo der Weg hinführen soll, konnte man auf einer Veranstaltung der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung - Screenshot hss (pdf, 161 KB) - in Brüssel sehen, an dem Johan Hjertqvist und andere ausgesuchte Marktbefürworter teilgenommen haben. Wieder ging es um Gesundheit im Jahr 2020, diesmal auf Basis einer Studie, die Siemens in Auftrag gegeben hatte. Ein paar Statements: "das heutige Gesundheitssystem ist als Wirtschafts- und Industriezweig zu betrachten", "einen Wandel vom schwachen Patienten zum starken Verbraucher", "die Bürger müssten dazu erzogen werden, Gesundheit als ein Produkt zu sehen, für das ein bestimmter Betrag gezahlt werden müsse", "ideal sei es, die größten Investitionen in die Prävention zu stecken und nicht nur in Diagnose, Therapie und Nachbehandlung".

Was erwarten diese neoliberalen Denkfabriken von Patientenverbänden? Das ist Stoff für ein weiteres Kapitel. Verkürzt: Die Industrie hat schon vor einigen Jahren die wachsende Macht der NGOs erkannt und versucht diese für ihre Zwecke einzuspannen. Im Gesundheitsbereich läuft das unter den Schlagworten: Eigenverantwortung, Patientensouveränität oder Patientenautonomie. Der Wille des Patienten löst das Wohl des Kranken als oberstes Prinzip ab. Die Autonomie des Patienten gewinnt dabei Vorrang vor der der Fürsorge. Bis hin zum Ideal des "mündigen Patienten", der aufgeklärt, eigenverantwortlich und selbstbestimmt die Richtlinien seiner Behandlung vorgibt und zum Partner des Arztes wird. Traum der neoliberalen industrienahen Lobbygruppen: Kunde statt Patient, Leistungen statt Engagement, Verträge statt Vertrauen.

Dabei sehe ich drei Gruppen, die diese Eigenverantwortung verlangen: Aus dem Bereich der Naturheilkunde, die eine gleichbrechtigtes Nebeneinander und Wahlfreiheit zwischen naturheilkundlicher Behandlung und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender Medizin fordern, aus dem Lager der Patientenverbände, die das ideal des aufgeklärten Patienten propagieren und aus der Pharmaindustrie, die sich von mehr Verbrauchermacht z.B. die Abschaffung von Werbeeinschränkungen und ein marktnäheres Gesundheistwesen mit mehr Eigenleistungen und Eigenentscheidung des Patienten erhofft. Da es zwischen Naturheilkundlern und Pharmaindustrie verständlicherweise kaum Gemeinsamkeiten gibt, werden die eher dem Prinzip des Verbraucherschutzes verpflichteten Patientenverbände von zwei Seiten in die Zange genommen. Sowohl die naturheilkundlichen Gegner der "Schulmedizin" als auch die Pharmaindustrie versucht diese als Bündnispartner zu gewinnen. Ein echtes Minenfeld. Wenn man sich die Berichte von Anhörungen und Konferenzen durchliest, auf denen Vertreter aller drei Lager anzutreffen sind, hat man das Gefühl, dass die Teilnehmer erschreckend wenig von den Interessen und Netzwerken der mit am Tisch Sitzenden wissen.
 
[PatientView]
Autor: strappato   2007-02-11   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 



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