Pfizer will Peer-Review-Verfahren sprengen

Das New England Journal of Medicine (NEJM) kämpft mit gerichtlichen Verfügungen, in denen eine Offenlegung des Begutachtungsprozesses gefordert wird. Wie Donald Kennedy im Editorial der aktuellen Ausgabe von "Science" schreibt, hat der Pharmakonzern Pfizer diese Klagen angestrengt, weil sich das Unternehmen entlastende Beweise bei Schadensersatzklagen erhofft. Die Kläger, die sich durch die Behandlung mit den COX-2-Hemmern Bextra® (2005 vom Markt genommenen ) und Celebrex® geschädigt sehen, berufen sich unter anderem auf im NEJM veröffentlichte Studien.

Ein Interessanter Fall, in dem Vertrauen gegen Transparenz steht. Beim in der Wissenschaft üblichen Peer-review Verfahren wird das Manuskript bei der Zeitschrift eingereicht, die es zur Begutachtung an andere ausgewählte Wissenschafler ("peers") weitergibt. Dabei bleiben die Autoren meist gegenüber den Reviewern anonym, der Autor erfährt grundsätzlich nicht, wer das Gutachten angefertigt hat, in denen die Punkte zur Überarbeitung vor der Veröffentlichung vorgeschlagen werden - oder der Artikel sofort nicht als publikationswürdig verworfen wird. Das soll eine unabhängige Bewertung gewährleisten und die Qualität der Ergebnisse fördern.

Die Kritik an dem anonymen Verfahren ist vielfältig und reicht von der Einladung zum Ideenklau, über dem Trend zu schlechten Gutachten, Revierverhalten durch Wegbeissen, bis hin zu der Länge des Prozesses, der nicht mehr den Anforderungen des schnellen digitalen Kommunikationszeitalters entsprechen würde. Grundsätzlich ist es fraglich, ob in der vernetzten, hoch spezialisierten Forschungswelt echte Anonymität sicher gestellt werden kann. Über neue Methoden und offene Review-Prozesse wird intensiv diskutiert, nicht zuletzt getrieben durch die OpenAccess-Bewegung.

Bis dahin bleibt das Peer-Review Verfahren das von der Wissenschaft akzeptierte Modell, um Qualität bei der Publikation zu sichern. Eine gerichtlich verfügte Offenlegung würde die medizinische Forschung hart treffen und eine Vertrauenskrise heraufbeschwören. An diesem Fall sieht man, was von dem Anspruch der Pharmaindustrie zu halten ist, die Wissenschaft zu fördern und Partner bei der Gewinnung neuer Erkenntnisse zu sein. Dass die Kläger in dem Schadensersatzprozess ähnliche Anträge gestellt haben, entbindend Pfizer nicht von seiner Verantwortung gegenüber den Forschern.

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Da der Artikel in Science nicht frei verfügbar ist, hier zwei Blogpostings zu dem Thema:
Jacob Goldstein in WSJ Health Blog
Peter Rost in Brandweek NRX
 
[Wissenschaft]
Autor: strappato   2008-02-24   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

HPV-Impfung in der Wirtschaftspresse

Bei der Diskussionen um die Sicherheit und Nutzen der HPV-Impfung kommt auch bei Anleger und Investoren Nervosität auf. Gardasil® ist ein wichtiger Umsatzbringer bei Merck & Co. mit 1,4 Milliarden Dollar in 2007 und erwarteten 3,4 Milliarden Einnahmen im Jahr 2013. Die Financial Times präsentiert die Chancen und Risiken und wie Merck & Co. auf die Bedenken bei Ärzten und in der Öffentlichkeit reagiert.
 
[HPV]
Autor: strappato   2008-02-23   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 


 

Irgendwas bleibt schon hängen

Der österreichische Journalist Bert Ehgartner wundert sich in seinem Blog über eine neue Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts und über Aussagen des Wiener Professors Reinhard Kirnbauer.

Das PEI lässt zwischen den Zeilen durchblicken, die 19-jährige österreichische Studentin Jasmin S. könne durch ihren Lebenswandel selbst zu ihrem vorzeitigen Tod beigetragen haben und verzerrt dabei den wahren Ablauf des Geschehens.

Prof. Kirnbauer hatte im Januar in einem Artikel in der österreichischen Zeitung "der Standard" das Gerücht gestreut, eine Masern-Entzündung könne die lebensbedrohliche Nervenentzündung ADEM der 15-jährigen Österreicherin Marion N. ausgelöst haben:
Bei dem Mädchen wurden IgM-Antikörper gegen das Masern-Virus festgestellt. Das NIH (nationale US-Gesundheitsinstitute in Bethesda/US-Bundesstaat Maryland) führt an, dass diese Erkrankung in einem geringen Ausmaß nach Masern oder noch seltener nach einer Masern-Impfung auftreten kann.

Ehgartner dazu:
Welchen Zweck hatte also Kirnbauers Falschaussage, dass die masernspezifischen IgM-Antikörper überhöht waren, außer jenen, den Verdacht von der Impfung abzulenken?

[...]

Aber irgendwas bleibt schon hängen, scheint hier die Taktik gewesen zu sein: das eine Mädchen war masernkrank, die andere vielleicht doch drogensüchtig oder schwer betrunken.

 
[HPV]
Autor: hockeystick   2008-02-23   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

MONITOR berichtet über weitere Nervenstörungen nach HPV-Impfung

Das ARD-Magazin MONITOR hat sich gestern kritisch mit der HPV-Impfung befasst. Das Manuskript des Beitrags wie auch der Beitrag selbst sind im Internet abrufbar.

Der Wiesbadener Professor Gerhard Hamann berichtet in dem Beitrag über zwei Fälle schwerer Nervenentzündungen in zeitlicher Nähe zu einer HPV-Impfung innerhalb einer Woche in seiner Klinik:
Diese Erkrankung ist in dem Alter bei 'ner 16-jährigen sehr ungewöhnlich. Der Zusammenhang mit der Impfung ist möglich, zumal wir zeitlich 'ne zweite 16-jährige 'ne Woche später gesehen haben, die ebenfalls ähnliche Symptome entwickelt hat, auch im zeitlichen Zusammenhang zu einer HPV-Impfung.

Auch eine 18-Jährige aus Bremen zeigt nach einer HPV-Impfung Symptome, die auf eine Nervenentzündung zurückgeführt werden könnten:
Drei Tage nach der zweiten Impfung begann sie Doppelbilder zu sehen, eine plötzliche Lähmung der Augenmuskeln. Deshalb trägt sie diese besondere Brille. Die Ärzte meldeten dies den zuständigen Stellen als mögliche Nebenwirkung der Impfung.

Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission, fordert nun ein Kontrollsystem für die Nebenwirkungen dieser Impfung:
Ich glaube, dass man angesichts der Propagierung dieses Impfstoffes jetzt sehr sorgfältig - möglichst auch in Registern - die Sicherheitsrisiken analysieren sollte. Das heißt, man sollte Register einrichten und sowohl junge Mädchen, die geimpft werden, als auch junge Mädchen, die nicht geimpft werden, dort dokumentieren und natürlich dann nach einem gewissen Zeitraum die schweren Nebenwirkungen sorgfältig analysieren.

 
[HPV]
Autor: hockeystick   2008-02-22   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Der Kompetenzarzt (Update)

Den Kompetenzingenieur kennt Google noch nicht, ebensowenig den Kompetenzfliesenleger oder den Kompetenzchemiker.

Wohl aber gibt es in Deutschland Kompetenzärzte. Zumindest einen, laut Google jedenfalls. Sein Name ist Dr. Wolfgang Barchasch, seines Zeichens "Frauenarzt in Flensburg und Kompetenzarzt für die HPV-Impfung in Schleswig-Holstein". Bereits zu Beginn der HPV-Impfkampagne Anfang 2007 war er in dieser Funktion dabei, und auch heute kommt er als "Kompetenzarzt für die Krebs-Impfung" und als "schleswig-holsteinischer HPV-Kompetenzarzt" in den Medien zu Wort.

Sorgen müssen sich nun die Patienten der übrigen Ärzte machen. Fehlt dort die Kompetenz nur in der Berufsbezeichnung?

Update:

Ganz sicher besitzt der Kompetenzarzt Kompetenz im Bereich „Quantifizierung des HRT-Effektes auf das Bindegewebe durch Kollagenmessung mittels Osteoson®-Collagenoson“. Ein eher umstrittenes Verfahren, das auch sein Kollege Dr. Michael Wojcinski gerne einsetzt, und das böse Stimmen folgendermaßen beurteilen:
Schillernde Orchidee im Wildwuchs unseriöser Vorgehensweisen ist die Osteoson-Hautdicken-Messung.

Michael Wojcinski haben wir auch schon im Zusammenhang mit der HPV-Impfung kennenlernen dürfen.
 
[HPV]
Autor: hockeystick   2008-02-22   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Mother's baby, father's maybe

Der Bundestag hat eine Neuregelung zur Feststellung der Vaterschaft beschlossen.

Wieder einmal ein Stopfen von Löchern und Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Verfügbarkeit von preiswerten Gentests. Der überfällige grossen Wurf, ein umfassendes Gendiagnostik-Gesetz, steht immer noch aus. In ihm sollte der Umgang mit Gentests geregelt werden. Denn genetischen Analysen betreffen nicht nur Abstammungstests, sondern auch die Diagnose von genetische Veranlagungen, die Krankheitsrisiken erhöhen können. Wer darf diese Tests durchführen, welche Qualitätskriterien werden angelegt und wie wird der Schutz dieser personenbezogener Informationen z.B. gegenüber Versicherungen oder Arbeitgebern gewährleistet?

Das Gesetz war schon 2000 angekündigt worden, als Referentenentwurf vorgestellt und bis 2005 verschleppt worden. Dann kam die grosse Koalition und das Thema geriet in Vergessenheit. Vor fünf Jahren hätte es den Markt der diagnostischen Methoden und die gesellschaftliche Diskussion über ethische und datenschutzrechtliche Gefahren gestaltet. Wenn der nächste Bundestag ab 2009 sich an die Arbeit macht, kann ein solches Gesetz nur den dynamischen Entwicklungen der Genmedizin hinterherlaufen und die gröbsten unerwünschten Nebenwirkungen, die aus dem Fortschritt bei der humangenetischen Forschung und der Fülle neuer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten resultieren, auffangen. Unternehmen wie 23andMe oder deCODEme stehen am Start mit der klaren Zielsetzung, ihre Vorstellungen von der "Brave New Geneworld" zum ethischen Standard zu machen.

Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte im Mai 2007 einen eigenen pdf-DateiGesetzentwurf zu einem Gendiagnostikgesetz in den Bundestag eingebracht, der in Grundzügen auf dem Referentenentwurf aus der rot-grünen Koalition basiert. Das pdf-DateiProtokoll (ab Seite 10153) der Bundestagssitzung dokumentiert die Kluft zwischen der in allen Parteien akzeptierten Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen und der fehlenden Einsicht in die gesellschaftliche Relevanz, die dafür sorgt, dass die Verabschiedung eines Gesetzes noch lange auf sich warten lässt - zum Nachteil aller Bürgerinnen und Bürger.
"Weil sich die Wissenschaft so nahe an den Menschen herantastet, sie also sozusagen eine Art Persönlichkeitsprofil bzw. Schicksalsprofil entwerfen will, bedarf es ganz besonders des Schutzes durch den Gesetzgeber."
Konrad Schily (FDP), Arzt und ehemaliger Präsident der Universität Witten/Herdecke in der Debatte.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-02-22   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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