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Doc-Blog Die Allgemeinärztin (und medienerfahrene Autorin) Frauke Höllering bloggt im Online-Angebot der Zeitschrift "Ärztliche Praxis" über ihren Praxisalltag. In einem Posting, das mir aufgefallen ist, zeigt sich ein Grundproblem unseres Gesundheitswesens. Die Intransparenz bzw. Komplexität. Im Kommentar wird der Fall eines Patienten geschildert, der unbedingt zum Fädenziehen nach einer Operation wieder ins Krankenhaus kommen sollte. Der Schreiber, ein Allgemeinarzt, fühlt sich in seiner Kompetenz beschnitten. Als Grund wird gemutmasst, dass dieser Besuch als poststationäre Behandlung mit ca. 75 € angerechnet werden würde. Ich nehme mal an, dass eine ambulante Operation damit gemeint ist. Stationär ist die postoperative Versorgung mit der Fallpauschale abgegolten. Dann sieht der EBM2008, nach dem die vertragsärztliche Versorgung abgerechnet wird für: Postoperative Behandlung nach der Erbringung einer Leistung entsprechend den Gebührenordnungspositionen .... bei Überweisung durch den Operateur. Obligater Leistungsinhalt - Befundbesprechung, - Befundkontrolle(n), Fakultativer Leistungsinhalt - Verbandwechsel, - Drainagewechsel, - Drainageentfernung, - Einleitung und/oder Kontrolle der medikamentösen Therapie, einmalig im Zeitraum von 21 Tagen nach Erbringung einer Leistung des Abschnitts 31.2 je nach Art der Operation einen Punktwert zwischen 300 und 975 Punkten vor. Das sind bei 0,045 Euro je Punkt maximal 43 Euro, also ein gutes Stück von den in den Raum gestellten 75 Euro entfernt. Wobei bei ambulanten Operationen die Leistungen "extrabudgetär" mit festen Punktwert gezahlt wird, was besonders interessant ist, da es nicht in das normale Budget geht. Es ist für den Arzt und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen nicht mehr nachzuvollziehen, wie die Mittel verteilt werden. Dies führt dazu, dass jeder sich ungerecht behandelt und benachteiligt sieht. Und in dem Fall sind wir noch im überschaubaren EBM bzw. bei den ambulanten Operationen nach § 115b SGB V. Die Wirkung etwa von Integrierten Versorgungsverträgen oder Hausarztverträgen, die einzelne Krankenkassen mit Ärzten bzw. Gruppen von Ärzten abschliessen können, ist sowohl auf die Steuerungs- als auch auf die Vergütungsebene höchstens für Experten nachvollziehbar. [Blogs]
US-Veteranen werden zu Champix®-Versuchskaninchen In den USA macht ein Skandal Schlagzeilen, der auch die Raucherentwöhnungs-Pille Champix® (in den USA Chantix®) betrifft. Die US-Regierung hat ehemalige Militärangehörige für eine kleine Aufwandsentschädigungen als Testpersonen für klinische Studien geworben, berichtet die Washington Times. Zielgruppe für die Tests waren erschöpfte Soldaten, die aus Einsätzen im Irak und Afghanistan zurückgekehrt sind und zum Teil unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) litten. Unter den getesteten Medikamenten, die psychiatrische Nebenwirkungen bis hin zu Selbstmordgedanken haben, befand sich auch Champix®. Das Department of Veterans Affairs (VA), der Sozial- und Krankenversicherung von ehemaligen Angehörigen der US-Streitkräfte, hat die im November 2007 von der Zulassungbehörde FDA veröffentlichte Warnung vor möglichen psychiatrischen Nebenwirkungen von Champix® erst drei Monate später den Studienteilnehmern mitgeteilt. Einer erlitt eine Psychose, die beinahe in einem tödlichen Zwischenfall mit der Polizei geendet hätte. Nach den Recherchen der Washington Time und der Senders ABC waren 21 der 143 Studienteilnehmern von Nebenwirkungen der Champix®-Therapie betroffen. When you're taking advantage of a very vulnerable population, people who have served the country, and the agency that's responsible for their welfare isn't putting their welfare first, that's a pretty serious breach of ethics," said Arthur Caplan, director of the Center for Bioethics at the University of Pennsylvania. Sprecher des VA, gaben an, dass ein Rauchstopp das Leben der PTSD-Patienten verlängern würde. Die Verzögerung bei der Information der Studienteilnehmer über die Warnung wurde mit bürokratischen Problemen begründet. Der erste Link zur Washington Times führt zu dem umfangreichen Artikel mit 2 Videos und Stellungnahmen des US-Präsidentschaftskandidaten Barak Obama und des republikanischen Senators John Cornyn. -- Update VA hat als Reaktion auf die Berichte einen Brief an alle 30.000 ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte, die Champix® einnehmen, geschickt, in dem vor den möglichen Nebenwirkungen, einschliesslich Selbstmord, gewarnt wird. [Champix]
Eltern sollen für den Alkoholkonsum ihrer Kinder haften Die FDP will die Eltern von Kindern und Jugendlichen, die mit eine Alkoholvergiftung behandelt werden müssen, an den Kosten beteiligen. Ist schon wieder Sommerpause? Dass gerade der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Brüderle diese Forderung erhebt, hat etwas tragisch-komisches. Vielleicht hätte es anders geklungen, wenn es um den Konsum deutschen Weins gegangen wäre. Der ehemalige rheinland-pfälzische Weinbauminister hat einmal bei Harald Schmidt verraten, meist schon mittags anzufangen, Wein zu trinken. In der Sendung sah er beim deutschen Wein ein Imageproblem und meinte, die Produkterotik müsse ein bisschen vermittelt werden. Anscheinend stimmt die Produkterotik bei den Alkoholika, mit denen sich Jugendliche in die Akutbehandlung trinken. Mit der Bezahlung für die Entgiftungsbehandlung aus eigener Tasche, ist weder den Jugendlichen noch den Eltern geholfen. Mehr Mittel zur Präventionsangebote in den Schulen wäre nützlich, bei denen jungen Menschen deutlich gemacht wird, welche Folgen übermässiger und regelmässiger Alkoholkonsum haben kann. Aber dann würde ja die Produkterotik auch des deutschen Weins darunter leiden und die Sorgen und Nöte der deutschen Winzer, Brauer und Brenner, denen sich Brüderle besonders verpflichtet sieht, würden noch grösser werden. [Public Health]
AOK kapituliert vor Novartis Novartis hat es geschafft. Der Pharmakonzern ist mit der AOK über die Bezahlung von Lucentis® handelseinig geworden. Nach Informationen der WELT haben der Konzern und der Bundesverband der AOK knapp acht Monate nach der politischen Debatte um die Erstattung des Medikamentes einen millionenschweren Rahmenvertrag ausgehandelt. Falls wie die Zeitung annimmt, auch andere Krankenkassen ähnliche Verträge aushandeln, dann darf man fragen, was die Bekenntnisse, sich im Fall Lucentis nicht von Novartis erpressen zu lassen und weiter auf die Zulassung des nicht zur AMD-Behandlung zugelassenen Avastin®, gegenüber dem 30-fach teureren Lucentis® zu setzen, Wert waren. Mit Spannung werden Informationen über das Vertrags-Volumen erwartet. Am Höhepunkt des Konflikts hatte Novartis in ganzseitigen Anzeigen das Angebot abgegeben, für alle Kassenpatienten ab jährlichen Kosten von 315 Millionen Euro alle weiteren Kosten zu übernehmen. Wahrscheinlich wird es jedoch der gesetzlichen Krankenversicherung teurer kommen als der zur Zeit stillschweigend geduldete und teilweise durch Verträge von Krankenkassen mit Augenärzten abgesicherte off-label-Einsatz von Avastin®. Der Druck ist aus dem Kessel, die angelaufenen Studien zur Nicht-Unterlegenheit von Avastin® gegenüber Lucentis® bei der Therapie der altersabhängige Makuladegeneration haben erst einmal nur noch einen wissenschaftlichen Wert, da es ohne Kostendruck nicht zu einer "Zwangszulassung", genauer einem zulassungsübergreifenden Einsatz nach § 35b Absatz 3 des Sozialgesetzbuches (SGB V) kommen wird. Meine Prognose: Novartis wird sich einen Teil der entgangenen Umsätze später wieder holen. Beispielsweise, wenn Lucentis® für die Behandlung des diabetischen Makulaödems (DME) zugelassen wird. Studien dazu laufen. [Avastin - Lucentis]
Pharma Social Network Marketing Case Study der Facebook-Kampagne für den HPV-Impfstoff Gardasil®. In Europa war eine von Oglivy initiierte Astroturfing-Kampagne, die Blogger fürs Impf-Marketing einspannen wollte, bekanntlich so erfolgreich. [HPV]
US-Pharmaindustrie will 6 Monate Werbepause In den USA haben Pharmaunternehmen, darunter Merck & Co., Johnson & Johnson und Pfizer ein freiwilliges Moratorium bei der Publikums-Werbung für Medikamente (DTC - direct to consumer) angeboten. In den ersten 6 Monaten nach Markteinführung sollen für neue Arzneimittel keine Kampagnen in Zeitschriften oder Fernsehen laufen und die Unternehmen erklärten, den Einsatz von Ärzten, die den Werbeaussagen eine besondere Glaubwüdigkeit geben sollen, in der Werbung für Medikamente zu begrenzen, bzw. ganz darauf zu verzichten. Das ist eine Reaktion auf die Untersuchungen des US-Kongresses, der in der massiven, teils irreführenden Werbung besonders für gerade zugelassene Arzneimittel, in der falsche Hoffnungen geweckt und Nebenwirkungen verharmlost werden, mittlerweile eine Bedrohung für die Arzneimittelsicherheit sieht. Der zuständige Ausschuss des Kongresses fordert ein 2-jähriges Moratorium und den Hinweis auf Warnungen in den Anzeigen, falls die Zulassungsbehörde FDA diese aufgrund von Nebenwirkungen oder neuen Studienerkenntnissen veranlasst hat. Die Erfahrungen aus den klinischen Studien vor der Zulassung sind in der Regel begrenzt. Diese werden nur mit wenigen Patienten und nur wenige Monate durchgeführt. Experten halten die von der Pharmaindustrie mit Marketing unterstützte Bereitschaft vieler Ärzte, rasch neue Arzneimittel zu verordnen für gefährlich, da viele Menschen ohne zwingenden Grund wenig erprobte Arzneimittel ausgesetzt werden, die unter Umständen keinen Vorteil bringen. In Deutschland weist der unabhängige Informationsdienst "arzneimittel-telegramm" sogar auf Präparate, die kürzer als 5 Jahre im Handel sind, besonders hin. [Arzneimittel]
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