Kerners meinungsfreies Burda-Stiftung Engagement

Nach dem Spiegel-Titel beschäftigte sich gestern Johannes B. Kerner in seiner ZDF-Sendung mit dem Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen

In der Sendung bezeichnete sich Kerner als "weitgehend meinungsfrei" als ein Experte in der Runde den Nutzen der Darmkrebsfrüherkennung erklärte und Kerners Zustimmung einforderte. Meinungsfrei genug, um für die Felix Burda Stiftung als Prominenter seinen Kopf hinzuhalten und für die Früherkennungs-Koloskopie zu werben.


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Kerner Meinungsfreiheit bestätigt eindrucksvoll eine Aussage von Prof. Ingrid Mühlhauser, die die Früherkennungs-Kritikerin und Gast bei Kerners Talk am Nachmittag vor der Sendung in einem Interview mit SPON gemacht hat:
SPIEGEL ONLINE: Wie bewerten Sie dann die Werbekampagne der Felix-Burda-Stiftung mit den ganzen Prominenten, die nun zur Darmkrebs-Vorsorge aufgerufen haben?

Mühlhauser: Diese Art von Kampagnen ist einer aufgeklärten Gesellschaft unwürdig. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Promis nicht über den Nutzen und auch nicht über den Schaden der Untersuchung Bescheid wissen. Die wissen nicht, was hinter dieser ganzen Vorsorge-Propaganda steht und lassen sich einfach missbrauchen. Wenn diese Leute besser informiert wären über die wissenschaftliche Basis und die Informationen wirklich verstehen könnten, würden sie sich wohl nicht für solche Kampagnen hergeben.

In der von dem doch nicht so meinungsfreien Kerner geleiteten Sendung kam Ingrid Mühlhauser nicht so oft zu Wort und verglichen mit dem Spiegel-Interview fehlte die pointierte Kritik. Der Hintergrund: In der 5 Stunden zuvor aufgezeichneten Sendung wurde der Vorsorgeteil nach meinen Informationen um 10 Minuten gekürzt. Unter anderem sehr detaillierte Ausführungen der Professorin zu den möglichen Risiken der grossen Darmspiegelung und die Bedeutung von falsch positiven Befunden der Mammographie für die Betroffenen wurden rausgeschnitten. Stattdessen durfte der Inhaber eines Hitech-Früherkennungs-Centers für Privatpatienten - und Anti-Aging-Papst - anhand eines Patienten mit rechtzeitig erkannten Nierenkarzinom, der voll des Lobes war, für seine 2750 Euro teure Dienstleistung werben.

Soviel wieder einmal zum Journalismus in Deutschland beim Umgang mit Medizin-Themen.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2009-04-22   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Risiko Vorsorge

Journalist Markus Grill, der als Stern-Reporter eine Reihe von Skandalen in der Pharmaindustrie aufgedeckt hat, arbeitet seit Anfang des Jahres beim Spiegel. Seine erste Coverstory (nicht frei online) ist diese Woche erschienen: "Risiko Vorsorge".

Darin geht es um den Nutzen oder sogar Schhaden von Vorsorgeuntersuchungen, für die die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2008 über 1,2 Milliarden Euro ausgegeben haben. Kein Ausgabenblock im Gesundheitswesen, der schneller wächst.

Für die Mammographie bedeutet das, wenn 2000 Frauen zehn Jahre regelmässig am Brustkrebsscreening teilnehmen, stirbt am Ende eine Frau weniger an der Erkrankung. Aber gleichzeitig erhalten 10 der 2000 Frauen eine belastende Brustkrebsbehandlung, obwohl sie keinen Brustkrebs haben - also der Test "falsch positiv" ist. Mit einem "Fehlalarm" müssen 10% der 2000 Frauen während der 10 Jahre statistisch rechnen. Die Gesamtsterblichkeit verringert sich nach den Untersuchungen zweier dänischer Wissenschaftler nicht.

In Artikel wird der Medizinexperte Klaus Koch zitiert:
Als Faustregel für die Praxis kann gelten: Das Risiko, unnötig zu einem Krebspatienten zu werden, ist grösser als die Wahrscheinlichkeit, durch die Untersuchung vor dem Tod durch einen Tumor bewahrt zu werden. Gut belegt ist diese Aussage insbesopndere für die Früherkennung von Brust-, Prostata-, und Gebärmutterhalskrebs.
Sowohl Ärzte als auch Patienten überschätzen den Nutzen der Früherkennungsuntersuchungen. "In puncto Früherkennung gebe es eine kollektive Blindheit von intelligenten Menschen".

Markus Grill zeigt wie die Früherkennungs-Industrie und ihre prominenten Aushängeschilder von der Angstkampagne profitieren.

Noch einmal Klaus Koch:
Wer nicht raucht, tut mindestens hundertmal mehr für seine Gesundheit, als er mit allen Früherkennungsuntersuchungen zusammen erreichen kann.

Selbst für die besonders durch die Burda-Stiftung propagierte Darmspiegelung gibt es keine kontrollierten Studien, die den Nutzen zeigen. Belegt sei der Nutzen nur für die Ärzte, die pro Patient 193 Euro bekommen. Das Ergebnis ist, was nicht in dem Artikel steht, dass in Deutschland fast die Hälfte von allen Koloskopien in den westeuropäischen Ländern durchgeführt werden.

Der Artikel beschreibt die Folgen, des Präventionshypes: Immer mehr Gesunde, oft gut ausgebildete Menschen stürmen die Praxen, für die wirklich Kranken bleibt weniger Zeit. Ein Hautarzt bekäme 13 Euro im Monat für einen Patienten - nach meinen Informationen eher 22 Euro im Quartal - dagegen kann er für einen Check-Up 30 Euro bei der Kasse abrechnen.

Das letzte Wort hat Peter Sawicki, der Chef des IQWiG, das den Nutzen von Medikamenten und Therapien bewertet:
"Der Arzt soll einem bescheinigen, dass alles in Ordnung ist. Man versucht dem Tod ein Schnippchen zu schlagen." Gesunden Menschen Lebensmut und Hoffnung zu geben, sei aber nicht Aufgabe der Medizin. Dafür sei die Religion da.

 
[Public Health]
Autor: strappato   2009-04-20   Link   (16 KommentareIhr Kommentar  



 

HPV-Impfung auf dem Prüfstand

Die HPV-Impfung muss auf den Prüfstand. Nach Informationen des Spiegels will der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nochmals den Nutzen der Impfung untersuchen.

Das Robert-Koch-Institut, die zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit auf dem Gebiet Infektionskrankheiten, wurde zu einer Neubewertung der Studien zur Impfung gegen HPV aufgefordert.

Der G-BA bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Kriterien sind der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit.

Vor und während der Markteinführung wollte besonders der Gardasil®-Hersteller Merck & Co. (in Deutschland Sanofi Pasteur MSD) mit einem unvergleichlichen PR-Aufwand die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger von der Notwendigkeit der Impfung überzeugen. Das hat auch beim G-BA Spuren hinterlassen.
G-BA-Chef Rainer Hess räumt gegenüber dem SPIEGEL ein, 2007 "unter enormem Druck" gestanden zu haben, die Impfung einzuführen.

 
[HPV]
Autor: strappato   2009-04-18   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Links am Samstag

'Das Hauptproblem ist nicht gelöst' - Interview mit der Chefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen.

Doping in Österreich - Überall böses Blut - Der Sport in Österreich schein ein einziger Sumpf zu sein.

The End of Private Health Insurance - auch in den USA haben die privaten Krankenversicherer Angst, die Verlierer der Gesundheitsreformen zu sein.

pdf-DateiWoher Rendite und Gewinne privater Krankenhauskonzerne kommen.

Neues Urteil zur kostenlosen Abgabe von Arzneimitteldatenbanken - Landgericht München sieht in der kostenlosen Abgabe von werbefinanzierten Arzneimitteldatenbanken an niedergelassene Ärzte das Risiko einer unzulässigen Beeinflussung der Ärzteschaft.

Patient satisfaction with healthcare provided by family doctors: primary dimensions and an attempt at typology - der persönliche Umgang bestimmt die Zufriedenheit, wahrscheinlich nicht nur in Polen.

'The bipolar child is a purely American phenomenon': An interview with Philip Dawdy.

Editing Ethics: JAMA’s New Conflict of Interest Policy - "It is as unethical for a medical journal editor as for a pharmaceutical company executive to attempt to prevent an independent researcher from revealing facts that affect the interpretation of medical information, and ultimately patient care".

F.D.A. Rules on Drug Ads Sow Confusion as Applied to Web - FDA will Pharmawerbung im Internet regulieren.
 
[Links]
Autor: strappato   2009-04-18   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 



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