J&J wegen Nebenwirkungen von Ortho Evra® vor Gericht

Hat der Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) Gesundheitsrisiken bei dem Verhütungspflaster Ortho Evra® verschwiegen und Daten zurückgehalten bzw. manipuliert? Das behaupten 2400 Frauen in den USA, die vor dem Bundesgericht in Toledo, Ohio eine Klage gegen J&J eingereicht haben. Zu hohe vom Pflaster abgegebene Östrogen-Dosen sollen Schuld für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thromboembolien sein.

Im Zentrum stehen Herstellungsprobleme, die das Pflaster unbeständig und die Wirkstoffabgabe unvorhersagbar gemacht hätten. Tests im Jahr 2003 hätten gezeigt, dass das Pflaster 60% mehr als orale Verhütungspillen abgab. Tatsächlich gingen statt der Tagesdosis von 20 µg, 30,4 µg bei Gebrauch des Pflasters am Bauch und 38,1 µg bei Aufbringen am Po in den Körper der Patientin.

Auch ein anderes Medikament von J&J, das den Wirkstoffe über die Haut (transdermal) abgibt, ist negativ aufgefallen. Anfang des Jahres musste J&J in den USA 32 Millionen Schmerzpflaster Durogesic® zurückrufen, da einige "undicht" waren und Patienten direkt mit dem Wirkstoff, das Opioid Fentanyl, in Kontakt hätten kommen können. Schon im Juli 2005 hatte die FDA vor tödlichen Nebenwirkungen durch Überdosen bei der Verwendung des Fentanyl-Pflasters gewarnt.

Janssen-Cilag, das deutsche J&J Tochterunternehmen, steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei dem in Deutschland erhältlichen Evra® um ein ganz anderes Produkt als das amerikanische handele und sieht wie auch die Aufsichtsbehörden keinen Anlass für Warnhinweise. Die tägliche Hormonabgabe ist laut Herstellerangaben für beide Evras genau gleich. In den USA hat J&J die Warnhinweise vor erhöhten Risiken für Thromboembolien seit 2005 dreimal verschärft.

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Update
Die NY Times beschäftigt sich auch mit dem Fall und sieht eine Grundsatzfrage. Die FDA hat das Medikament zugelassen und soll über die Einhaltung der Vorschriften wachen. Nach dem Rechtsprinzip des Preemption in den USA darf das Bundesrecht nicht durch Entscheidungen von Gerichten der einzelnen Bundesstaaten ausgehebelt werden. Bei der erhöhten Östrogenabgabe von Ortho Evra hat nach dieser Argumentation die FDA versagt und nicht der Hersteller.

Das wäre das Ende der Schadensersatzprozesse gegen Pharmakonzerne in den USA. Bürger in der übrigen Welt können zwar nicht als Kläger auftreten, jedoch kommen in den Prozessen Dokumente und Informationen ans Tageslicht, die über die direkte Bedeutung hinaus, die Arzneimittelsicherheit insgesamt verbessern. Ohne die Schadensersatzklagen wäre die Öffentlichkeit nicht informiert worden, dass bei Zyprexa, Vioxx, und vielen anderen Medikamenten die Hersteller die Riskien heruntergespielt und verheimlicht hatten.

Im Herbst wird das oberste Bundesgericht über die Frage entscheiden, ob "Preemption" zukünftig der Standard für Medikamentenklagen in den Vereinigten Staaten ist. Nach dem Artikel der NY Times ist die Pharmaindustrie nahe an dem Ziel, einen Schutz vor Klagen zu bekommen.

Die Pharmaindustrie versucht den Ball flach zu halten, wie es der Kommentar des Pharmalobbyisten Peter Pitts zeigt. Es geht um sehr viel.

Übrigens da schliesst sich der Kreis. In Pitts Thinktank "Center for Medicine in the Public Interest" finden sich auch beste Beziehungen zu den europäischen Pharmaflüsterern wie dem Stockholm Network, das beispielsweise das Health Consumer Powerhouse - ja die mit dem seltsamen Fragebogen - als Mitglied führt.
 
[Evra]
Autor: strappato   2008-04-05   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  








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